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Zukunft der Volksbühne: Wie lange währt die Legende? - taz.de

Zukunft der Volksbühne: Wie lange währt die Legende?

Die Berliner Volksbühne steht an einem Wendepunkt. Nach dem Tod des Intendanten René Pollesch ist ein neuer Ansatz am Haus nötig.

Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz vor bewölkten Himmel

Die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Foto: Metodi Popow/imago

In zwei Jahren berühmt oder tot“. So das bald geflügelte Wort Ivan Nagels, als Anfang der Neunziger der gar nicht mehr so junge Wilde Frank Castorf die Berliner Volksbühne übernahm. Sehr berühmt waren sie bald, weil in der einzigartigen Mischung aus ge­nia­lischer Post-Ost-Dissidenz und kunstradikaler Post-West-Politik Cas­torf und Pol­lesch, Schlingensief, Marthaler und Fritsch vieles mehr zusammenkam, das nicht wirklich zusammengehörte, und in seltsamen Verbindungen Funken schlug.

Irgendwann war die Luft raus. Castorf musste gehen, aber die Legende blieb. Ja, sie wurde nur immer größer und dabei leider auch immer bornierter gegen das Neue. Beim Versuch eines radikalen Neuanfangs hat Chris Dercon Fehler gemacht, hatte mit seinem Avantgarde-Programm gegen die identitär-nostalgischen Kräfte aber von Anfang an keine Chance.

René Pollesch wurde nach einem unrühmlichen Interim als Bewahrer der Legende geholt, machte als Autor/Regisseur weiter sein Kollektiv-Ding, große Schau­spie­le­r*in­nen kamen zurück. Die großen Zeiten jedoch nicht.

Ende der alten Zeiten

Pollesch agierte nach außen mit Verweigerungsgesten, nach innen mit familienbetrieblicher Nestwärmeproduktion und schloss ansonsten mit einem erratischen, für das große Haus zu schmalen, teils genialen, teils im Rohr krepierten Programm an Dercons internationale Entgrenzungen an. In der mauen Auslastung leider auch, einzelnen Erfolgen etwa mit Florentina Holzinger zum Trotz. Kultursenator Joe Chialo hatte in Interviews schon kaum verklausuliert mit Abberufung gedroht.

Und nun ist Pollesch tot, die Not groß, guter Rat teuer. Vieles ist denkbar, von Interimsintendant Wuttke bis Produktions- oder Tanzhaus. Nichts liegt auf der Hand. Was ganz sicher nicht hilft: der gerade allzu beachtete Text, in dem der Kritiker Peter Laudenbach in der SZ einerseits schmutzige Wäsche wäscht und andererseits seine persönlichen Vorlieben (Nicolas Stemann ja, Sebastian Hartmann nein) als der Weisheit letzten Schluss unterbreitet.

Was es vor allem bräuchte: die Einsicht, dass die alten Zeiten für immer vorbei sind. Und damit Offenheit für womöglich ganz andere Sachen. Wenn dagegen die Legende weiterregiert, werden berühmt und tot kein Widerspruch sein.

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