Was hat die Volkszählung 1987 gebracht, wie wurden ihre
Ergebnisse verwendet?
Die ersten Eckzahlen für das alte Bundesgebiet wurden 18 Monate nach der Zählung
veröffentlicht. Schon aus ihnen wurde erkennbar, dass Korrekturen an wichtigen
Basiswerten nötig waren: Es gab eine Million (+3,6 %) mehr Erwerbstätige (26,9 Mill.)
und es gab rund eine Million (-3,8 %) weniger Wohnungen (25,9 Mill.) als vor der
Zählung angenommen. Die Zahl der Ausländer wurde um fast 600 000 (-12,0 %) nach unten
korrigiert. In kleineren regionalen Einheiten wie Ländern oder Kommunen, waren die
Abweichungen nach oben oder unten erheblich größer.
Die Einwohnerzahlen für das damalige Bundesgebiet insgesamt (61,1 Mill. Einwohner)
wichen nur um 76 700 Einwohner von der Fortschreibung ab, weil sich die erheblichen
Einwohnerzuwächse bzw. -verluste der einzelnen Gemeinden weitgehend ausglichen. Im
damaligen Land Berlin wurden z.B. 133 000 Einwohner mehr, in München fast
90 000 Einwohner weniger gezählt. Teilweise einschneidende Einbußen, teilweise ein
deutliches Plus in den öffentlichen Haushalten brachten deshalb die bei der Volkszählung
1987 ermittelten Einwohnerzahlen durch die Anpassung des Länderfinanzausgleiches und des
Kommunalfinanzausgleiches mit sich. Im Länderfinanzausgleich betrug die Summe der
notwendig gewordenen Korrekturen etwa 935 Mill. DM, im kommunalen Finanzausgleich der
Städte mit 100 000 und mehr Einwohnern machte die Summe der Berichtigungen etwa 700 Mill.
DM aus.
Die Renten-, Lebens- und Unfallversicherungen bekamen mit den Volkszählungsergebnissen
eine neue Grundlage für ihre versicherungs-mathematischen Berechnungen. Die korrigierten
Angaben zum Altersaufbau der Bevölkerung wurden in die koordinierten
Bevölkerungsvorausberechnungen des Bundes und der Länder übernommen. Auf letzteren
bauen die Schätzungen zur weiteren Entwicklung der Zahlen der
- Schüler und Studenten,
- Erwerbstätigen sowie
- Rentner
auf. So gehen alle Prognosen zur quantitativen Entwicklung der Alterssicherungssysteme
letztlich auf die Basiswerte der letzten Volkszählung zurück.
Die Korrektur der Zahl der Erwerbstätigen um rund 1 Million nach oben führte zu einer
Revision der Arbeitsmarktentwicklung in den siebziger und achtziger Jahren, zu neuen
Bezugszahlen für die Berechnung der Arbeitslosenquoten und damit erheblichen
Veränderungen insbesondere bei den regionalen Arbeitslosenquoten. In knapp einem Drittel
der 141 Arbeitsamtsbezirke des früheren Bundesgebietes waren die bisherigen
Arbeitslosenquoten um 20 und mehr Prozent nach unten zu korrigieren. Mit den erzielten
Berufsangaben konnten Arbeitslosenquoten auch berufsbezogen berechnet werden.
Die Volkszählungsergebnisse über Pendlerströme sowie regionale Verteilung der
Arbeitsstätten gingen in die Verkehrsplanungen des Bundes, der Länder und der Gemeinden
ein. Wer die Zahl der Personen kennt, die aus beruflichen Gründen oder zur Ausbildung
täglich öffentliche oder private Verkehrsmittel benutzen, kann die Verflechtung und
Entwicklung der Personenverkehrsströme besser abschätzen.
Die Volkszählung 1987 ist Grundlage für den Auswahlplan des Mikrozensus, der
jährlich durchgeführten 1 %-Haushaltsstichprobe zur wirtschaftlichen und sozialen Lage
der Bevölkerung, der Haushalte und der Familien. Die seitherigen Gebäude- und
Wohnungsstichproben beruhen mit ihren Stichprobenplänen ebenfalls auf den Ergebnissen der
Volkszählung.
Auch die empirische Sozialforschung sowie die Markt- und Meinungsforschungsinstitute
nutzen die genauen Basisdaten aus der Volkszählung 1987 und ihre Fortschreibungen für
ihre Auswahlpläne sowie zur Kontrolle, Anpassung und Hochrechnung ihrer
Stichprobenergebnisse.
Die Qualität der in der Volkszählung 1987 erhobenen Daten war gut. Dies belegen
sowohl die Ergebnisse der - entsprechend einer Empfehlung der Vereinten Nationen - nach
der Zählung durchgeführten Testerhebungen, als auch die relativ geringe Zahl von
"Ersatzvornahmen" bei der damaligen Volkszählung.
Die Volkszählung 1987 hat im Ergebnis Bund, Länder und vor allem die Gemeinden
insgesamt rd. eine Milliarde DM gekostet. Immerhin waren ca. 500 000 Zähler
eingesetzt. Bei einer Kosten-Nutzen-Betrachtung muss berücksichtigt werden, dass allein
die oben genannten Berichtigungen bei den jährlichen Finanzzuweisungen inzwischen ein
Mehrfaches dieser Summe ausmachen.
Neben Standardpublikationen mit den Volkszählungsergebnissen im Umfang von etwa
2 000 Tabellenseiten, die von jedem Land herausgebracht wurden, erstellten die
Statistischen Ämter von Bund und Ländern nach 1987 fast 10 000 zusätzliche
Auswertungen für alle Bereiche der Gesellschaft, etwa für Ministerien, Kirchen,
Parteien, Verbände, die Forschung und nicht zuletzt für den privaten und
unternehmerischen Bereich. Die Kommunen nutzen die Ergebnisse für ihre Planungen, z.B.
für die Ausweisung von Wohngebieten, die Errichtung von Altenheimen oder die
Linienführung des öffentlichen Nahverkehrs. |