«Hat das was mit dem Handy zu tun?» - «Telex? - Nie gehört» - «Sind das nicht die ratternden Schreibmaschinen in alten Filmen?» Diese Antworten erhält, wer 18- und 20-Jährige fragt, was sie von Telex halten. Ein Hinweis darauf, dass die 80-jährige Technik der Textübermittlung nicht mehr zeitgemäss ist. Sie wird in der Schweiz nur noch von 300 Kunden genutzt, generiert lediglich eine Million Franken Umsatz. Kein Wunder, dass die Swisscom den Betrieb ihrer Telex-Plattform vergangene Woche an die Swisstelex AG in Lugano ausgegliedert hat.
Fünf Minuten pro Seite
In seiner besten Zeit, im Jahre 1987, zählte der Telex (Teleprinter Exchange) hierzulande über 40 000 Anwender. Schon Ende 1990 war ihre Zahl auf 25 000 gesunken. Die Anwender ersetzten damals den Telex durch den Fax, später kamen X.400 und E-Mail als Konkurrenten hinzu. Von den übrig gebliebenen 300 Kunden stammt ein Grossteil aus der Finanzbranche (Banken, Treuhänder, Händler) - Anwender, die sonst zu Vorreitern in Sachen Informatik und Telekommunikation gehören.
Doch als eine hiesige Bank vor Monaten ihre Telexleitungen kappen wollte, hagelte es Proteste von Treuhändern und von anderen Banken. So liess man den Entschluss wieder fallen. Als Argumente für den Weiterbetrieb wurden «Sicherheitsgründe», «Zuverlässigkeit» und «Notfall- Backup» vorgebracht. Am meisten wird der Telex in Beziehung zu Afrika und Lateinamerika gebraucht, wo der Fernschreiber vor allem bei staatlichen Stellen noch verbreitet ist. Unter den hiesigen Telexnutzern finden sich ferner internationale Organisationen, Transportfirmen, Schifffahrtsgesellschaften und die Erdölindustrie.
Von 1959 an konnte man von der Schweiz aus Telexverbindungen ins Ausland und weltweite Telexnetz wählen. Neben Flughäfen und Fluggesellschaften gehörten in den siebziger und achtziger Jahren die Zeitungen zu den Telex-Grossanwendern: Sie erhielten über den Telex die Meldungen der Nachrichtenagenturen, wie in alten Filmen zu sehen ist. Die Telex-Übertragungsgeschwindigkeit beträgt seit 70 Jahren 50 Baud, was rund sieben Zeichen pro Sekunde bedeutet. Eine eng beschriebene A4-Seite braucht so vier, fünf Minuten. Zum Vergleich: Ein ADSL-Anschluss mit einer Übertragungsrate von 500 KBit pro Sekunde ist 10 000-mal schneller.
Die Übertragungseinheit Baud geht auf den Franzosen Émile Baudot (1845-1903) zurück, der um 1870 einen Zeichencode mit 5 Bit entwickelte. Baudot ist damit Urvater moderner Computer- und Zeichencodes wie ASCII und Unicode. Häufig wird Telex mit Fernschreiber gleichgesetzt, dabei ist er nur die drahtgebundene Version des Fernschreibers. Fernschreiber arbeiten auch über Funk - etwa in der Seefahrt.
Für die elf Mitarbeiter von Swisstelex ist klar, dass der Verkehr weiter abnehmen wird. Da bleibt nur die Strategie des Zukaufs: Unterstützt vom Swisscom Venture Fund, hat Swisstelex bereits Telexverkehr von ausländischen Anbietern - etwa in Irland, Dänemark, Schweden und Finnland - übernommen. Auch Kunden in Asien sollen bedient werden. Der Vorteil des Telex: Übertragene Schriftstücke wie Bestätigungen und Abschlüsse sind rechtsgültig und lassen sich als Beweismittel vor Gericht verwenden. Ein Telex ist eine global anerkannte Urkunde. Andere Anschlüsse lassen sich identifizieren, und mit Hilfe von Streichlisten und Schlüsseln kann die Identität des Absenders von Aufträgen sichergestellt werden.
Nur Redewendungen überleben
Heutige Telexstationen sehen nicht mehr aus wie in den alten Filmen. So ist für die PC-Software WinTelex32 dial keine dedizierte Telexleitung mehr erforderlich. Die Verbindung zur Telexvermittlung geschieht über das öffentliche Telefonnetz. Win Telex32 TCP/IP wiederum stellt über das öffentliche Internet die Verbindung zur Telexvermittlung her, wobei die normale Telexnummer erhalten bleibt. Kurzum: Der Telex ist zumeist in moderne IT- und Netzwerkumgebungen integriert. «13 Prozent der Anwender arbeiteten gegen Ende 2005 noch mit Fernschreiber und Drucker», sagt Swisscom-Sprecherin Pia Colombo. Doch auch diese funktionieren mittlerweile geräuschlos und mit Sende- und Anwählautomatik.
Das rhythmisch tickende Geräusch eines Fernschreibers hat sich in der Redewendung «Nachrichten laufen über den Ticker» festgesetzt, obwohl die News heute eher über den Bildschirm rauschen. Doch Redewendungen haben schon viele technologische Neuerungen überlebt.
Manfred Weise
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