Lesben und Schwule unter Benedikt XVI. |
[Letzte Aktualisierung: 23.05.2006] |
Der folgende Text wurde von der HuK beim 96. Deutschen Katholikentag (Saarbrücken, 2006) vorgestellt und als Faltblatt verteilt (PDF-Datei, 118 KByte).
( Aus der HuK-Pressemitteilung zur Vorstellung des Texts: )
Als Präfekt der Glaubenskongregation hat Joseph Kardinal Ratzinger
eine Reihe von Texten
veröffentlicht, durch die Lesben und Schwule diskreditiert
und diskriminiert werden; als Papst Benedikt XVI. setzt er diese
Linie fort.
Der Text stellt diesen Positionen Erfahrungen von Lesben und Schwulen gegenüber.
Hierbei knüpfen die Autoren
mit ihrer konträren Darstellung "Joseph Ratzinger sagt - Wir aber erfahren
und sagen" bewusst an Jesu
Bergpredigt im Matthäus-Evangelium an.
Es ist eine selbstbewusste Anlehnung an den vom Geist Gottes bewegten Mann des
Volkes, in dem
Bewusstsein, dass auch heute der Glaubenssinn des Volkes Gottes (sensus fidelium)
die Kirche und ihre
Lehrmeinungen mit prägen muss.
Joseph Ratzinger sagt | Das bedeutet für Lesben und Schwule | Wir aber erfahren und sagen |
---|---|---|
Die spezifische Neigung der homosexuellen Person ist zwar in
sich nicht sündhaft, begründet aber eine mehr oder weniger starke
Tendenz, die auf ein sittlich betrachtet schlechtes Verhalten
ausgerichtet ist. Aus diesem Grund muss die Neigung selbst als
objektiv ungeordnet betrachtet werden (1986 Nr. 3.2).
Homosexuelles Tun führt ja nicht zu einer komplementären Vereinigung, die in der Lage wäre, das Leben weiterzugeben und widerspricht darum dem Ruf nach einem Leben solcher Selbsthingabe von der das Evangelium sagt, dass darin das Wesen christlicher Liebe bestehe. (1986 Nr. 7.2) |
Homosexuelle müssen sich demnach als Schöpfungsfehler,
als moralische Missgeburt betrachten. Sie können zwar
nichts für ihre Homosexualität; die verführt sie aber zu Sex
ohne Möglichkeit der Fortpflanzung. Der wird als Sünde
betrachtet und soll darum unterbleiben.
Homosexuelle dürfen demnach Sex nicht als etwas Beglückendes erleben. Sie sollen kein positives Selbstwertgefühl als Lesben und Schwule entwickeln. |
Wir sind Kirche und Glieder des Leibes Christi. Fundament
und Prinzip dieses Leibes ist Jesus Christus: die
Menschwerdung des Gottes, dessen Wesen Liebe ist.
Darum sind wir alle dazu berufen, die Liebe Gottes zu
allen Menschen zu verwirklichen. Davon hängt die Legitimität
von Beziehungen ab.
Die Homosexualität ermöglicht es Lesben und Schwulen in besonderer Weise, die Liebe Gottes zu Menschen des eigenen Geschlechts Gestalt annehmen zu lassen. Die Beschränkung der Legitimität sexuellen Handelns auf die Möglichkeit der Fortpflanzung ist eine Engführung. Sie entspricht wohl christentümlichen Traditionen, aber nicht christlichen Prinzipien. |
Die homosexuellen Lebensgemeinschaften erfüllen auch nicht in
einem weiteren analogen Sinn die Aufgaben, derentwegen Ehe
und Familie eine eigene qualifizierte Anerkennung verdienen. Es
gibt jedoch gute Gründe zur Annahme, dass diese Lebensgemeinschaften
für die gesunde Entwicklung der menschlichen
Gesellschaft schädlich sind, vor allem wenn ihr tatsächlicher
Einfluss auf das soziale Gewebe zunehmen würde. (2003 Nr. 8.3)
Lebensformen und darin sich ausdrückende Lebensmodelle gestalten das gesellschaftliche Leben nicht nur äußerlich, sondern neigen dazu, bei der jungen Generation das Verständnis und die Bewertung der Verhaltensweisen zu verändern. (2003 Nr. 6.3) |
Fortpflanzung ist hier zur notwendigen Bedingung legitimer sexueller Beziehungen stilisiert. Lesbische und schwule Lebensgemeinschaften können darum keine positive gesellschaftliche Bedeutung haben. Die Verwirklichung von Liebe, Zusammenhalt und Verlässlichkeit in der gemeinsamen Lebensgestaltung wird sogar als gemeingefährlich betrachtet. |
Die überzogene Wertschätzung der Fortpflanzung führt
paradoxerweise zur Angst vor christlichen Werten: Für
den Beginn der Gottesherrschaft predigte Jesus von
Nazareth nicht die Fortpflanzung, sondern Liebe, Zusammenhalt
und Verlässlichkeit.
Die Gesellschaft soll durch die Verwirklichung dieser Werte in allen – auch sexuellen – Beziehungen verändert werden. Lesben und Schwule sind dazu berufen, das zu leben und Kindern und Jugendlichen darin ein Vorbild zu sein. |
Es gibt Bereiche, in denen es keine ungerechte Diskriminierung ist,
die sexuelle Veranlagung in Betracht zu ziehen ... (1992 Nr. 11).
Die geschlechtliche Veranlagung ist ... nicht mit der Rasse, dem Geschlecht, dem Alter usw. zu vergleichen. [Sie] ist anderen im allgemeinen nicht bekannt, es sei denn, er gibt sie öffentlich preis, entweder durch Erklärungen oder durch Verhaltensweisen. In der Regel gibt die Mehrheit der Menschen mit homosexueller Veranlagung, die den Willen haben ein keusches Leben zu führen, ihre Veranlagung nicht kund. Folglich stellt sich das Problem der Arbeitsstelle, der Wohnung usw. erst gar nicht (1992 Nr. 14). |
Die sexuelle Orientierung wird hier nicht zu den Kriterien
des Gleichheitsgrundsatzes der Grundrechte gezählt, weil
sie nicht offensichtlich ist.
Lesben und Schwule sollen ihr Wesen vor ihrem Umfeld verbergen, um Schwierigkeiten zu vermeiden. Bei einem katholischen Arbeitgeber müssen sie Vorgesetzte und Mitarbeiter über sich selbst und ihre Lebensgestaltung belügen. Durch ihr Beispiel lädt der Vatikan trotz anderslautender Beteuerungen zu Ausgrenzung, Benachteiligung und Verfolgung von Lesben und Schwulen ein. |
An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen: statt Wahrheit
und Wahrhaftigkeit fördern die vatikanischen Erklärungen
Lüge und Doppelleben. Das verhindert die Verwirklichung
ihrer Werte, schadet ihren Zielen und kostet
ihre Glaubwürdigkeit.
Statt die menschenverachtenden und brutalen Folgen zu bedauern, bedarf es darum einer Umkehr im Reden und Handeln der Amtskirche: Die sexuelle Orientierung gehört ebenso zu den Kriterien des Gleichheitsgrundsatzes wie die Religionszugehörigkeit. |
Wie es bei jeder moralischen Unordnung der Fall ist, so verhindert homosexuelles Tun die eigene Erfüllung und das eigene Glück. (1986 Nr. 7.3) | Freiheit und Würde des Menschen sollen sich in der Geringschätzung von Liebe, Zusammenhalt und Verlässlichkeit, einem beschädigten Selbstwertgefühl sowie Lüge und Doppelleben verwirklichen. | Lesben und Schwule finden in ihrem Leben und in ihren Beziehungen Erfüllung und Glück. Auch wenn sich diese Realität einigen kirchlichen Beamten entzieht, ist sie nicht weniger authentisch. |
Benedikt XVI. diskriminiert Lesben und Schwule. Das zeigen Schreiben der
Kongregation für die Glaubenslehre, die dort unter seiner Regie verfasst wurden.
Wir zitieren sie nach ihrem Veröffentlichungsjahr:
(1986)
"Über die Seelsorge
für homosexuelle Personen",
Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche,
30.10.1986
(1992)
Erwägungen zur Antwort auf Gesetzesvorschläge zur Nicht-Diskriminierung von
homosexuellen Personen,
23.07.1992
(2003)
"
Erwägungen zu den Entwürfen
einer rechtlichen Anerkennung der
Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen", 03.06.2003
Die Verwirklichung der darin enthaltenen Vorstellungen von Gerechtigkeit macht Lesben und Schwulen das Leben schwer. Viele von ihnen kehren der katholischen Kirche dennoch nicht den Rücken. Sie hoffen auf eine andere Gerechtigkeit als die von Joseph Ratzinger.
Als Benedikt XVI. approbierte er gleich im ersten Jahr seines Pontifikates eine " Instruktion über Kriterien zur Berufungsklärung von Personen mit homosexuellen Tendenzen im Hinblick auf ihre Zulassung für das Priesterseminar und zu den Heiligen Weihen" (04.11.2005).
Bemerkenswert ist die Beharrlichkeit, mit der Joseph Ratzinger Lesben und
Schwule diskriminiert.
In zahlreichen Ländern haben sich Lesben und Schwule in Gruppen
zusammengeschlossen, um ihre Begabungen in Gesellschaft und Kirche
einzubringen. Wir Katholiken in der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle
und Kirche erfahren bei vielen anderen Kirchenmitgliedern große Offenheit
und Akzeptanz!
Eine Kirche, die heilig sein will, muss den Menschen Heil bringen. Eine
Kirche, die katholisch sein will, muss wirklich allumfassend sein.
Kirche verändern statt aufgeben!