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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Konzerne
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Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Konzerne

Hintergrund:
Konzerne geben sich gern ein grünes Image, oftmals ohne wirkliche Umweltverbesserungen damit zu verbinden.

 

Die Missionare von der Tankstelle

von Dirk Maxeiner und Michael Miersch

Erschienen am 22.09.2006 in DIE WELT

Wir beobachten seit einiger Zeit einen neuen Typus von Manager: Der des grünen Mahners. Die geschickte Kombination von Satzbausteinen wie "Sorge um künftige Generationen", "bedrohte Lebensgrundlagen" oder "globale Erwärmung" gehören inzwischen zum Standard-Repertoire der Führungskräfte. Ein herausragendes Beispiel ist Lord John Browne, Chef des Ölkonzerns BP. Medien und Umweltaktivisten liegen ihm zu Füssen. "Wir sind der grüne Ölmulti" sagt Browne und hält schon mal Öko-Vorlesungen in einer Reihe mit Prinz Charles und der Gentechnik-Gegnerin Vandana Shiva.

In einer Werbekampagne ließ er mitteilen: "BP hat sich als erstes Unternehmen dazu bekannt, dass CO2 das Klima beeinflussen kann". Bei allem Respekt kommen uns dabei doch einige Fragen. Wir wussten, dass man sich zum Christentum bekennen kann, zum Buddhismus oder zum Islam. Aber warum sollte man sich dazu bekennen, dass Kohlendioxid das Weltklima beeinflussen kann? Handelt es sich um ein wissenschaftliches Fakt oder ein Glaubensbekenntnis? Und wenn's ein Fakt ist, warum bekennt sich BP dazu? Bekennen die sich demnächst auch zur Schwerkraft? Oder geht es Lord Browne um religiöse Mission? Müssen wir demnächst ein Treibhaus-Gelübde ablegen, bevor die BP-Tanke den Zapfhahn freigibt? Oder uns mit BP-Super-Bleifrei taufen lassen?

BP geht jedenfalls mit gutem Beispiel voran und heißt jetzt nicht mehr "British Petroleum" sondern "Beyond Petroleum" (beyond = jenseits). Ein vorbildlicher Schritt vom Irdischen zum Überirdischen. Und jetzt die schlechte Nachricht: Bei der Wartung von Pipelines kommt es nicht auf Transzendenz an, sondern auf Sorgfalt. Während Lord Browne mit den Guten dieser Welt in höheren Sphären schwebt, rosten am Boden seine Pipelines, weil er trotz Rekordgewinnen nicht genug Geld in die Wartung investierte. In Alaska verursachte eine defekte BP-Leitung die zweitgrößte Ölverschmutzung seit der Havarie des Öltankers Exxon Valdez. Sagen wir es mal so: Wenn BP jenseits von Öl operiert, dann operiert diese Kolumne jenseits von Buchstaben.

Am erstaunlichsten aber finden wir die verhaltene Kritik der Agenturen des Guten. Man stelle sich bloß vor, die Texaner von Exxon wären die Verantwortlichen. Die hätten längst einen Boykott-Aufruf am Hals.
Aber sie haben auch keine Ökokreide geschluckt und missionieren nicht mit Vandana Shiva. Das Kalkül von Sir John Browne scheint tatsächlich aufzugehen. Das öffentliche Ablegen von ökologischen Glaubensgrundsätzen zählt allemal mehr als konkreter, irdischer Umweltschutz. Kurz gesagt: It's the symbol, stupid!

Das bringt uns zu Bill Ford, dem "Motown Missionar" (The Observer). Der junge Ford-Erbe hat vor 5 Jahren den Chefsessel erklommen und profilierte sich sogleich auf einem Kongress von Greenpeace. Die Organisation stehe "bei der Schlacht um die Rettung der Welt an vorderster Front" lobte er und begab sich ebenfalls "beyond petroleum" indem er den Abschied vom Verbrennungsmotor verkündete. Prompt durfte er sich in der Rolle eines grünen Gewissens der Autoindustrie sonnen, selbst UNEP-Grande Klaus Töpfer war ganz begeistert.

Aber aufgrund welcher Tatsachen? Weil Ford sich gerne vegetarisch ernährt und an die Heilkraft der alternativen Medizin glaubt? An den Autos des Hauses kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Das Unternehmen lebte in USA fast ausschließlich von riesigen Pickups und Geländewagen mit dem Durst einer Herde Elefanten. Und daran hat Bill Ford seitdem auch nichts geändert. Inzwischen kämpft das Unternehmen ums Überleben, weil die Käufer aufgrund der hohen Spritpreise in Scharen davon laufen. Ford räumt den Chefsessel, was seinem Ruf als Öko-Mahner aber wohl kaum schaden wird. Merke: Lichtgestalten dürfen ungestraft Dinosaurier bauen, solange sie brav grüne Klinken putzen - und nicht bei Exxon tanken.