Die Wandmalereien des Nibelungensaals
Die erste Ausmalung des Nibelungensaals im Rathaus stammt aus den frühen 30er Jahren. sie wurde von Georg Behringer (1879-1944) gestaltet. Alsgebürtiger Wormser war ermit der Geschichte der Nibelungensage vertraut und erhatte auch schon für die Wormser Domgewölbe großformatige Detailzeichnungen entworfen. Er malte und zeichnete von Jugend an und besaß eine virtuose Gabe, Ideen zu Bildern zu formen. Für die monumentalen Wandgemälde wählte er insb. den feierlichen Einzug Karls des Großen und die Überführung der Reliquie des heiligen Nazarius zum Gegenstand seiner ersten Gemälde, die in Entwürfen im Museum der Stadt Worms und in Photographien noch erhalten sind. Beringer hatte den überlebensgroßen Figuren seines ersten Gemäldezyklus Lorscher Charakterköpfe (Bürgermeister Huba, Pfarrer Heinstadt, Rektor Berlet, Architekt Dexler und andere Lorscher) gegeben. Diese wurden nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 durch Darstellung von Funktionören ersetzt und dann wieder gelöscht, so daß die Figuren "kopflos" waren. Schliesslich wurde die ganze Ausmalung entfernt.
Nach einer Pause von einigen Jahren war die zweite Gestaltung von Beringer herangereift, die in einer Art von Wandteppichen mit zarten Pastellkreiden das ungeheure Erlebnis des Klosters zu erzählen versucht. In Zusammenarbeit mit Dr. Illert, Worms, wurde eine Folge von Bildern entworfen, die in einer neuen, dem damaligen Zeigeist entsprechenden schlichten, naturalistischen Gestaltung Verwirklichung fanden. Dr. Illert gab während eines Vortrages im Nibelungensaal eine Beschreibung der Wandmalereien:
Die Westwand des Saales dem Eingang gegenüber, zeigt in drei riesigen Wandgemälden die Grosse politische und reichsgeschichtliche Rolle des Klosters. Im Mittelpunkt steht der triumphierende Kaiser, umgeben von seinen Fürsten, als Zielpunkt der von allen vier Weltgegenden herbeströmenden Heere der deutschen Stämme. Im Vordergrund tobt die Hunnenschlacht, die oft in der Landschaft zwischen Lorsch und Worms hin und her wogte, als Sinnbild aller Kämpfe, die ausgefochten werden mussten, bis das mittelalterliche Reich entstehen konnte.
Die Reichstreue der Abtei wird durch die in den beiden Seitenbildern dargestellte Kampf- und Abwehrbereitschaft der Mönche auf der Feste Starkenburg und durch die Erinnerung an den Einzug des Abtes Udalrich mit seinen 1200 Reitern auf dem Reichstag zu trebur deutliche gemacht.
Die östliche Wand zeigt die örtliche Geschichte des Klosters. Die Folge beginnt mit dem linken Bild, das den geheimnisvollen Zauber des Waldes darstelt, der sich im Lorscher Raum zwischen Rhein und Odenwald ausdehnt. seine Fauna und Flora wird in zahlreichen Einzelheiten dargestellt.
Inmitten dieser vielfältigen Natur sehen wir Hagen die Lanze gegen Siegfried schleudern und sehen den toten Helden, wie er auf der Bahre durch den Wald nach der Königsburg zu Worms getragen wird. Wir erinnern uns, daß auch das Nibelungenlied, das ja in der Glanzzeit des Klosters Lorsch entstand, dieses Jagdrevier der Wormser Könige beschreibt. Hierher lud Hagen die Wormser Recken und Siegried zur Jagd. Hier vollzog sich Siegfrieds Schicksal. Hierbei zogen sich Ute und die trauernde Kriemhilde in die Einsamkeit des Klosters zurück, dessen Geschichte sich zusammenwob mit dem Heldenlied unseres Volkes. Einer nennt sogar das Kloster als einen Ort des Siegfriedgrabes.
Das große Mittelbild hat Georg Beringer nicht mehr selbst vollenden können. Er starb im Jahre 1944, ohne daß sich sein sehnlichster Wunsch erfüllt habbe, das Lorscher Werk vollenden zu können. Doch auch für dieses Bild hatte der Künstler den Entwurf mit der gleichen Genauigkeit und Druchzeichnung sschon länst geschaffen, so daß es möglich war, es so ausführen zu lassen, wie Beringer selbst es getan hätte. In dem Mainzer Maler Philipp Preis fand Architekt Dexler den Künstler, der die technische Begabung und den künstlerischen Ernst hatte, um das Werk im Geist Beringers zu vollenden.
Vor unseren Augen steht der Beginn der segensreichen Klosterarbeit: Der Urwald wird gerodet, das gewonnene Ackerland bestellt, Obstbau und Viehzucht betrieben. Die Klosterkirche ist bereits erbaut , aber die Bauarbeiter gehen im Klosterbezirk und in der Nachbarschaft weiter. Baumeister und Handwerker sind am Wirken.
Im Klosterhof wird die Triumphpforte errichtet, die Kaiser Karl dem Großen als Hildigung dienen soll. Werke der christlichen Caritas werden gepflegt. Die Klosterschule ist an der Arbeit der Jugendbildung.
Umgeben von dem Waldgürtel, in dem die Geheimnisse der Natur weiterleben und Pflanzen und Tiere ihren Lebensraum haben, wächst so die Kulturstätte Lorsch als mittelpunkt einer emsigen Tätigkeit, die das Riedgebiet zwischen Rhein und Odenwald erschließt und in die Geschichte der folgenden Jahrhunderte hineistellt.
Im rechten Seitenbild dieser Wand klingt die Lorscher Geschichte in einem Gemälde "Lorscher Feierabend" aus. Bauern und Bäuerinnen kehren vom Feld heim. Obst- und Feldfrüchte und vor allem der Tabak wurden geerntet. Daheim warten, umgeben von den Erinnerungen der Generationen die Alten und Kinder auf die Zurückkehrenden, um den Feierabend gemeinsam zu begehen.
Die Seitenwände mit ihren schmalen Wandflächen zwischen den großen Fensteröffnungen zeigen auf der einen Seite den Aufbruch Siegfrieds vor der Königspfalz in Worms zur Jagd in den Wald - auf der anderen Seite den Einzug Karls des Großen im Kloster Lorsch. Zur Erklärung des Lorscher Geschehens werden Heldenlied und Geschichte zusammengefaßt. Daneben stehen, in die Bildumrahmung ornamental eingefügt, wie Grabornamente, die Gestalten der in Lorsch ruhenden königlichen Männer und Frauen - auch hier die geschichtlichen Könige neben den Gestalten der Sage.
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Wandmalereien im Nibelungensaal.
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Der Einzug Karls des Großen im Kloster Lorsch.
Aufbruch Siegfrieds vor der Königspfalz in Worms zur Jagd in den Wald
Hagen schleudert die Lanze gegen Siegfried. Der tote Held, wird auf der Bahre durch den Wald nach der Königsburg zu Worms getragen.
Die Westwand mit dem Kaiser
im Mittelpunkt
Karl der Große auf dem Bild
an der Ostwand.
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