Von Else Buschheuer

Senta Berger hatte erst Bedenken, eine glaubwürdige graue Maus zu sein, aber sie hat es geschafft: Im Film zur Wirtschaftskrise spielt sie die geborene Jasagerin.

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Nicht auf Krawall, aufs Unsichtbarsein gebürstet: Senta Berger in dem ARD-Film "Frau Böhn sagt nein". Foto: ddp

Frau Böhm, Pensions-Sachbearbeiterin bei der Hewaro AG, war vielleicht einmal jung. Sie war vielleicht einmal attraktiv. Aber das ist nicht mehr wichtig. Ihre Verlässlichkeit ist wichtig. Über ihren Tisch gehen die Bezüge der Chefs. Sie verrät nicht, was die da oben verdienen. "Ich arbeite seit 46 Jahren bei der Hewaro", wird sie später den Ermittlern der Bundesstaatsanwaltschaft sagen, "und ich habe nie meine Schweigepflicht verletzt."

Rita Böhms Leben ist Kargheit, Gewohnheit, Ritual. Ein Käsebrot auf einem Brettchen, ein Stück grüne Gurke dazu und Nachrichten aus dem alten Transistorradio, das ist ihr Feierabend. Tagsüber verlässt sie ihr schlichtes Büro mit Gummibaum selten. Ihre Loyalität isoliert sie vom Rest der Belegschaft. Aus Flurfunk und Kantinentratsch hält sie sich raus. Sie kannte noch den Firmengründer, Heinz Walter Rotenbaum. Der sagte immer "Vorstand bedeutet Vorbild für Anstand." Früher.

Jetzt sitzt Dr. Hochfeld dem Vorstand vor. Der Ton, das Tempo, all die Neuerungen. Frau Böhm ist verunsichert. Sie klammert sich an ihre Handtasche, als säße sie in der Geisterbahn. Der neue Chef hat die Kaffeeküche auf der Etage durch "Catering" ersetzen lassen (alles Bio), am Telefon muss sich Frau Böhm neuerdings mit "Leadership Ressources Department" melden. Die Weihnachtsfeier für die Pensionäre ist auch abgeschafft. Und all die neuen effizienten Mitarbeiter nennen sie "Blum".

Auf dem Heimweg liest Frau Böhm einen verwirrten Igel auf. Sie setzt ihn zu Hause in einen Karton, füttert ihn und nennt ihn Heinz Walter, wie den Firmengründer, für den sie arbeitete, damals, als ihre Welt noch in Ordnung war. Senta Berger hatte erst Bedenken, eine glaubwürdige graue Maus zu sein. Ihr haftet immer noch dieser Glamour an: Hollywood, Italien, und dann die Freundin vom Schimmerlos aus Kir Royal. Berger spielt Böhm, durchs Bild huschend, nicht auf Krawall, aufs Unsichtbarsein gebürstet. Ihre Hände, ihre Haare, ihr Gesicht, alles hält sie der Kamera wie ein Opferlamm hin. Unkokett, unironisch. Sie ist eine glaubwürdige graue Maus.

Weihnachten macht sich Frau Böhm immer besonders schick: steingrau, zementgrau, elefantengrau. Sie feiert im engsten Kreise: allein. Den Igel schickt sie mit Silent Night von Elvis Presley in den Winterschlaf. Dann sitzt sie auf dem Sofa, macht eine Flasche Sekt auf und beschert sich selbst, mit einer neuen Brille.

"Keine jung-strahlende Heldin, kein frauen-affiner Love-Interest und kein verlogenes Happy End" wollte Dorothee Schön, die Drehbuchautorin, für diesen Film, der im Vorzimmer der Macht spielt.

In ruhigen Einstellungen, die kaum sichtbar innere Eruptionen zeigen, lernt die geborene Jasagerin Frau Böhm, nein zu sagen. Zum Schluss hin wird die Faktenlage allerdings auf anstrengende Art komplex. Man sollte den Wirtschaftsteil vielleicht doch nicht immer ungelesen weglegen.

Frau Böhm sagt nein, ARD, 20.15 Uhr.

(SZ vom 21.10.2009/rus)

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Leserkommentare (4)



23.10.2009 14:43:27

blaue blume:

leider machen rezensionen, die sich nahezu darauf beschränken einen film ausführlich nachzuerzählen nicht gerade große lust darauf, diesen dann noch anzusehen


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