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Hochwasser in Sachsen-Anhalt: Deiche brechen erneut - SPIEGEL ONLINE
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Land unter in Sachsen-Anhalt: Herr Maubach in seiner Wasserwelt

Von Hendrik Ternieden, Wulkau

Hochwasser: Deiche in Gefahr Fotos
SPIEGEL ONLINE

Kein Strom, keine Gesellschaft, keine befahrbare Straße: Im Landkreis Stendal hält Fischzüchter Peter Maubach auf seinem überschwemmten Betrieb die Stellung. Der 53-Jährige geht pragmatisch mit der Flut um.

Die einzige Zufahrtsstraße ist gesperrt. Aufgegeben von den Einsatzkräften. Aufgeplatzte Sandsäcke liegen herum, Millionen Liter Wasser rauschen darüber hinweg. Die Männer und Frauen vom Technischen Hilfswerk hatten hier Barrieren errichtet, doch die Flut konnten sie nicht stoppen. Jetzt steht das Wasser auf den Feldern links und rechts der Fahrbahn.

Frage an zwei Schaulustige: "Dahinten gibt es doch eine Angelanlage?"

"Ja, aber es ist alles überschwemmt, da geht nichts mehr."

"Der Betreiber soll noch da sein."

Ungläubige Blicke. "Der Maubach ist noch da?"

Etwa eine Stunde später sitzt Peter Maubach, 53, vor seinem Haus auf einer kleinen Holzbank und trinkt Kaffee aus einem Plastikbecher. Er trägt Gummistiefel, kurze Hose, Hemd, Sonnenhut. Das Wasser reicht ihm an dieser Stelle bis zum Schienbein. "Ich habe Essen und Trinken", sagt Maubach. "Ich bleibe hier."

Peter Maubach betreibt die Fischzucht und Angelanlage im Landkreis Stendal seit 21 Jahren. Frau und Tochter sind am Mittwoch nach Berlin gefahren, wo die Familie wohnt. Maubach blieb, stellte Sandsäcke auf, packte Sachen zusammen, versuchte, Abflussrinnen zu schaffen. Er wusste, dass das Wasser kommen würde. Nur wie viel Wasser - das ahnte er nicht. "Bei dieser Menge geht ja gar nichts mehr", sagt er. Er könne nur noch versuchen, den Schaden zu begrenzen.

Als Maubach vergangene Nacht um 3 Uhr ins Bett ging, hatte er noch Strom. Als er um 6 Uhr vom Lärm eines Polizeihubschraubers geweckt wurde, ging nichts mehr. Seither steigt das Wasser an manchen Stellen vier bis fünf Zentimeter pro Stunde. Der schmale Feldweg von der Landstraße zu seiner Einfahrt ist völlig überflutet. Und der Teich zur Fischzucht läuft ohne Ende über. Maubach sah, wie die Karpfen auf das angrenzende Ackerland davonschwammen. Das Wasser wird dort noch tagelang stehen.

"Keine Nachrichten mehr, keine sozialen Netzwerke"

In den Hochwassergebieten sinken die Pegel, doch für viele ist diese Katastrophe längst nicht ausgestanden. Im Kreis Stendal brachen zwei Notdeiche, Wasser breitete sich aus, noch einmal wurden Menschen aufgefordert ihren Ort zu verlassen. Dieses Mal war Neukamern dran. Die Bundeswehr, Feuerwehren, THW und Freiwillige sind weiterhin im Einsatz. In Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ist der Druck auf die Deiche weiterhin groß, noch ist nicht ausgeschlossen, dass es zu Brüchen kommt.

Rund einen Kilometer Luftlinie entfernt von Peter Maubach hatten sich am Vormittag die verbliebenen Anwohner von Wulkau zur Lagebesprechung versammelt. Einteilen zum Dammbau und zur Hilfe im Nachbarort Schönfeld. "Wer hat noch Benzin?", fragt Organisatorin Caren Pfundt. "Wer kennt sich mit Elektrik aus?" Mehr als 200 Kühe eines landwirtschaftlichen Betriebs müssen versorgt werden. Sollte der Strom ausfallen, müsste auf ein Notstromaggregat umgestellt werden, um weiter melken zu können. Aber bisher gibt es hier noch Elektrizität.

Das Dorf wappnet sich so gut es geht vor der drohenden Überflutung. Wie in vielen kleinen Orten sehen die Leute das übergeordnete Katastrophenmanagement inzwischen kritisch. Sie nehmen die Dinge selbst in die Hand. "Unsere Parole ist mittlerweile: Keine Nachrichten mehr, kein Fernsehen, keine sozialen Netzwerke", sagt Pfundt. "Wir glauben nur noch, was wir selbst sehen oder ein Bekannter gesehen hat."

Noch einen Ort weiter, im Pfarrhaus von Sandau, schmieren Maria Zohm und ihre knapp 15 Mitstreiterinnen ein Butterbrot nach dem anderen. Sie versorgen die Einsatzkräfte, von 7 Uhr bis Mitternacht war Zohm am Vortag zugange. Als sie von Peter Maubach hören, stellen sie auch für ihn ein Paket zusammen.

Der 53-Jährige leidet jedoch keine Not. Die Familie betreibt auch einen Cateringservice, er hat Lebensmittel gebunkert. Seine Kaffeemaschine betreibt er mit dem Generator eines Kühlanhängers. Der Mann weiß sich zu helfen.

"Da komme ich doch noch gut weg"

Maubach wirkt gelassen, hat das Gefühl für die Katastrophe aber nicht verloren. "Was in Fischbeck passiert, das ist schlimm. Oder wenn ganze Existenzen zerstört werden", sagt Maubach. "Sieben, zehn, vielleicht 15 Zentimeter Wasser im Haus - da komme ich doch noch gut weg." Sein Bett hat er auf Europaletten gestellt.

Seinen eigenen finanziellen Schaden schätzt Maubach vorsichtig auf bis zu 50.000 Euro. "Aber man kann alles wieder aufbauen. Gesundheit ist das Wichtigste", sagt Maubach. "Und für mich besteht keine Gefahr."

Gänzlich abgeschnitten ist er nicht von der Außenwelt. Per Handy hält er Kontakt zu seiner Frau, den Akku lädt er ebenfalls am Kühlanhänger auf. Mit seinem Radlader kann er den überschwemmten Feldweg und die Landstraße befahren. "Wenn das Wasser noch zwei Meter steigen würde, wenn ich richtig abgeschnitten wäre, dann würde ich auch ins Überlegen kommen." Aber vorerst wolle er bleiben.

Maubach hat inzwischen den zweiten Kaffee ausgetrunken. "Der Tag geht schon rum", sagt er. Langweilig werde ihm in seiner Situation nicht. Später will er noch mal mit dem Radlader losfahren. Sandsäcke holen von der überfluteten Landstraße vor seinem Haus.

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