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Kinder statt Inder?
     
 

Das Thema ist schon etwas älter, aber ich will doch auch noch meine Meinung dazu kundtun.

Immer wieder versuchen die Politiker etablierter Parteien (CDU, CSU, FDP, PDS, seltener B90/Grüne) mit billigen, rechtspopulistischen Parolen Wählerstimmen zu ergattern.
Im Landtagswahlkampf 2000 in Nordrhein-Westfalen war es dann wieder mal soweit. Der CDU-Rechtsaußen-Politiker Jürgen Rüttgers warb mit der Parole Kinder statt Inder um Stimmen.

 


Mit diesem Spruch wird ausgedrückt, dass Rüttgers der deutschen Bevölkerung gegenüber den Einwanderern eine bevorzugte Behandlung, insbesondere eine Bevorzugung am Arbeitsmarkt zusteht. Außerdem bezieht sich Rüttgers mit seinem Slogan auch auf eine alte Angst deutscher Nationalisten, nämlich dass das deutsche Volk im ethnischen Sinne aussterben könnte. Damit zeigt Rüttgers, dass er einer rassistischen Definition von Volk (Deutscher ist, wer deutschen Blutes ist) anhängt, die aber leider viele Anhänger hat.
Jürgen Rüttgers sprach sich auch gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und den EU-Beitritt der Türkei aus.

InderInnen oder SüdasiatInnen sind keine spezielle Opfergruppe von Diskriminierung in Deutschland (in Großbritannien schon eher). Zwar bestehen auch hierzulande stupide Klischees über Südasien und seine BewohnerInnen, aber diese sind eigentlich nicht per se in der Mehrheit negativ.
Zu der negativen Minderheit gehören Vorurteile über Indien, die oft in Vorhaltungen gegenüber InderInnen eingeflochten werden. Hier ein paar Beispiele:

Warum verbrennt ihr bei euch Frauen?
(gemeint sind die Witwenverbrennungen)
Wenn sie bei euch hungern, warum esst ihr nicht eure Kühe?
Sprüche dieser Art basieren auf der Unkenntnis und Dummheit des Menschens, der sie kundtut.

Die Einwanderung indischer Software-Experten wurde in der Diskussion um die Greencard von vielen nicht verurteilt oder abgelehnt.
Im Gegenteil, dass ComputerexpertInnen aus Indien nach Deutschland kommen wurde von vielen, auch aus der bürgerlichen Mitte, als positiv angesehen.
Diese InderInnen wurden der kleinen Gruppe der nützlichen Ausländer zugerechnet.
Auch das ist Rassismus; MigrantInnen in nützlich und unnützlich, d.h. im Volksmund dann faul, zu selektieren. Die Quintessenz ist dann, dass die nützlichen MigrantInnen bleiben dürfen und die unnützen MigrantInnen gehen sollen. Diese Sichtweise unterscheidet zwischen Deutschen und Nichtdeutschen und nicht beispielsweise zwischen Arbeitslosen und Nichtarbeitslosen und trägt damit auch einen rassistischen Ansatz in sich.
Außerdem wird ignoriert, dass es oft die deutsche Gesetzgebung (Arbeitsverbot für Asylbewerber) Schuld und die deutschen Verhältnisse daran Schuld sind, dass MigrantInnen untätig bleiben müssen. Auch das viele MigrantInnen hierher geflohen (vor Armut, Krieg, Hunger) sind oder dass viele MigrantInnen von der Bundesregierung als nützliche Ausländer (=Gastarbeiter) hierhergeholt wurden, reflektiert diese Sicht nicht.
Auch Kategorisierungen wie Comuter-Inder (BILD) oder IT-Inder trägt dieses Nützlich-/Unnütz-Denken in sich.

Das der Spruch Kinder statt Inder trotz der Nützlichkeit indischer IT-SpezialistInnen von Rüttgers eingeführt wurde liegt meines Erachtens an drei Gründen:

=> Die Debatte um das Thema Greencard war gerade aktuell.
=> Der Spruch reimt sich so gut.
=> Es geht ja nicht um die erwachsenen Fachkräfte. Die dürfen ja hier arbeiten und deutsche Arbeitsplätze schaffen. Nur danach sollen sie wieder gehen und keinesfalls hier bleiben und Kinder bekommen.

Der Spruch zog übrigens noch weiter.
Nachdem Rüttgers seinen Spruch in Mehr Ausbildung statt mehr Zuwanderung verallgemeinert hatte benutzen die rechtsextremen Republikaner seinen Spruch im Landtagswahlkampf.
Im März 2001 verwendete Christine Bergmann (SPD) ihn in einer Frauen-Internetkonferenz zur IT-Thematik in abgewandelter Form: Frauen statt Inder.

InderInnen waren auch schon öfters Opfer rechtsextremer Gewalt . Dies wurden sie aber nicht weil sie InderInnen waren, sondern weil sie erkennbar nichtweiß bzw. farbig waren und/oder AsylbewerberInnen (u.a. Sri-Lanka-Tamilen, Sikhs, ).
Vorstellbar wäre auch, dass orthodoxe Sikhs, wie in den USA geschehen, vermehrt zu Opfern rechtsextremer islamophober Gewalt werden. Orthodoxe Sikhs tragen nämlich einen Turban und werden oft mit Muslimen verwechselt, weil das Gegenüber ein stereotypes Denkschema über den Orient hat (Turban = Orient = Islam).

Zuletzt fiel Rüttgers auf, als er am 21.04.05 in einem Interview, das katholische Menschenbild als allen anderen überlegen bezeichnete.
Die Evangelische Kirche im Rheinland beschwerte sich daraufhin, dass er Protestanten (nicht aber Juden. Muslime, Atheisten, ) nicht einbezogen hätte.
Später korrigierte er sich und bezog sich nur noch auf das christliche Menschenbild.
Es wäre fatal, wenn ein solcher Mensch am 22. Mai 2005 zum Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen gewählt wird.

- erstellt von T. Lenk (26.04.05) -

Weiterführendes:
+ Homepage des Informationsdienstes gegen Rechtsextremismus (www.idgr.de)
+ ältere Seite zu Rüttgers Entgleisungen (http://www.kinder-statt-inder.de/)
+ Auch lustig: http://www.roland-munkel.de/Glossen/Archiv/ruettgers/ruettger.htm
+ Initiative Kein Mensch ist illegal in Tübingen (http://www.kmii-tuebingen.de/)
+ das Magazin Antifaschistisches Infoblatt (http://www.nadir.org/nadir/periodika/aib/)
+ eine Chronologie rassistischer Morde in Deutschland seit 1990
(http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/artikel.php?id=82&kat=82&artikelid=1323)