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Der SPIEGEL und die Windkraft
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22.06.2004

 

Dokumentation: Machtkampf um den Energiemix
Originaldatum: 
05.04.2004

Im «Spiegel»-internen Streit um die Windenergie blieb ein Artikel ungedruckt, der heute Chefredakteur Aust bei der Verteidigung gegen Kritik an der mangelnden «inneren Pressefreiheit» des Magazins als Argument dient. Die Netzzeitung dokumentiert den Artikel.

Die Netzzeitung veröffentlicht einen Artikel von Gerd Rosenkranz und Harald Schumann, der in der Redaktion des «Spiegel» zum Eklat geführt hat. Der Artikel stammt aus dem Oktober 2003, damals ließ ihn die Chefredaktion des «Spiegel» nicht erscheinen. Im «Spiegel» vom 29. März 2004 erschien dann ein Artikel, dessen Tendenz sich klar gegen die Windkraft richtete. Schumann kündigte daraufhin nach mehr als 17 Jahren Redaktionsmitgliedschaft, in der «Spiegel»-Redaktion wurde Kritik an der Chefredaktion laut.

Nachdem Chefredakteur Stefan Aust sich gegen Kritik aus seiner Redaktion verteidigte, indem er indirekt die Qualität des Artikels vom Oktober öffentlich in Zweifel zog, entschloss sich Schumann, den Artikel zur Dokumentation in der Netzzeitung freizugeben.

Die Fakten im Artikel waren aktuell zu dessen Recherchezeit im Frühherbst 2003. Inzwischen hat sich in Sachen Emissionshandel Wirtschaftsminister Clement durchgesetzt, beim Erneuerbare-Energien-Gesetz wurde die Windkraftförderung vor allem auf Offshore-Projekte konzentriert. (nz)

Von Gerd Rosenkranz und Harald Schumann

Die Stromwirtschaft steht vor gewaltigen Umwälzungen: Ein Drittel des Kraftwerksparks muss erneuert werden - die ideale Gelegenheit für mehr Wettbewerb und Klimaschutz. Doch das Duopol von RWE und E.on blockiert mit aller Macht neue Konkurrenten aus der Wind- und Gaskraftbranche.

Ein Parkplatz, ein zweistöckiger Plattenbau, ringsum Felder und Strommasten - das Gebäude am Ende der Straße «Vor dem Nordwald« in Lehrte bei Hannover macht nicht viel her. Doch der Schein trügt.

Denn hier, in der »Hauptschaltleitung« der Firma E.on Netz, hat eine Handvoll Ingenieure die Macht über Chaos und Ordnung in Deutschland. Abgeschirmt hinter Sicherheitsschleusen und schusssicherem Glas steuern sie rund um die Uhr ein technisches Wunderwerk für 30 Millionen Stromkunden zwischen Flensburg und München: Die Stabilität der Stromversorgung.

Weil Elektrizität nicht speicherbar ist, muss jederzeit genau so viel ins Netz eingespeist werden, wie auch nachgefragt wird - für Techniker wie Markus Wallura, 36, »ein toller Job«. Im Takt von Millisekunden liefern über hundert Kraftwerke, Überlandleitungen und Unterverteiler die notwendigen Daten auf die fünf Bildschirme an seinem Arbeitsplatz.
Gleich ob ein Atomkraftwerk abgeschaltet wird, ob in der Halbzeitpause eines Länderspiels Millionen Kühlschränke anspringen oder ob auffrischender Wind ein paar tausend Windgeneratoren in Gang setzt: Die E.on-Techniker und ihre Mitstreiter in den anderen drei deutschen Stromleitstellen müssen die Schwankung ausgleichen. Mal fahren sie per Mausklick Wasserkraftturbinen binnen Sekunden hoch- und wieder runter, mal muss der Reservedampf eines Kohlemeilers schnell zu Strom gemacht werden, dann wieder erhält der Leiter des konzerneigenen Kraftwerksparks die Aufforderung, eines seiner Atomkraftwerke zu drosseln.

Noch vor drei Jahren, so berichtet der Meister der Strombalance, »war das eher langweilig«. Fast alles lief nach Plan, der Elektrizitätsbedarf der Massengesellschaft ist vorhersagbar und den Saft lieferten die E.on-Kraftwerke. Doch seitdem Strom europaweit wie eine Ware gehandelt wird und Wind-, Wasserkraft- oder Biogasanlagen Vorfahrt bei der Stromlieferung haben, ist alles anders. »Jetzt toben sich in unserm Netz alle möglichen Leute aus«, freut sich Wallura. »Nun ist immer was los, das macht es interessant.«

Das Oligopol der Konzerne steht in Frage

Doch was den Ingenieuren eine berufliche Herausforderung bringt, ist der Beginn eines tief greifenden Umbruchs in der deutschen Stromwirtschaft. Der wachsende Betrieb an den Arbeitsplätzen der Netzwächter signalisiert, dass erstmals das bisher unangefochtene Oligopol der Konzerne RWE, E.on, EnBW und Vattenfall in Frage in steht. Nicht nur aus dem politisch geförderten Boom für Windkraft- und Biogas-Anlagen droht ihnen der Verlust von Marktanteilen. Zugleich drängen Investoren, zum Teil aus dem Ausland, mit neuen Gaskraftwerken auf den deutschen Markt. Außerdem wollen große deutsche Industrie-Unternehmen mit eigenen Heizkraftwerken antreten, die neben der Prozesswärme für Chemieanlagen oder Schwimmbäder auch Überschussstrom ins Netz speisen.

All das trifft die Stromkonzerne zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt: Weil ihr Kraftwerkspark großteils veraltet ist, wird in den kommenden zwei Dekaden neue Kapazität im Umfang von 40.000 Megawatt Leistung benötigt, entsprechend der Größe von etwa 30 Atomkraftwerken der Brokdorf-Klasse.

Noch ist völlig offen, welche Akteure mit welchen Technologien den Totalumbau des jährlich mehr als 50 Milliarden Euro schweren Strommarkts umsetzen werden. Denn welche Technik künftig rentabel ist, hängt beinahe vollständig von den Rahmenbedingungen ab, die die Bundesregierung in den nächsten Monaten beschließen muss. Gleich mit drei Gesetzesvorhaben will Rot-Grün die energiepolitischen Weichen stellen, um die nötigen Milliardeninvestitionen in Gang zu setzen. Geregelt werden müssen

• die Ausgabe und der Handel mit Emissionszertifikaten für Klimagifte, die ab 2005 EU-weit eingeführt werden und deren Preis vor allem darüber entscheidet, ob neue Braunkohlenkraftwerke mit ihren enormen Kohlendioxid-Emissionen in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben;

• die künftigen Vergütungssätze für Strom aus erneuerbaren Energiequellen, von deren Höhe unter anderem der Bau geplanter Windkraftwerke auf dem Meer abhängt;

• und die Einrichtung einer Regulierungsbehörde für den Wettbewerb in den Stromnetzen, der bisher häufig an den überhöhten Durchleitungsgebühren der Konzerne scheitert.

Frontlinie quer durch die Koalition

Die Reichweite und die Konsequenzen aller drei Vorhaben könnten kaum größer sein. Die Ausgestaltung der entsprechenden Gesetze werde «das Gesicht der Elektrizitätswirtschaft noch über die Mitte des Jahrhunderts hinaus prägen», erwartet Hans-Joachim Ziesing, Energieexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin.

Unvermeidlich hat sich daher ein Machtkampf zwischen den alten Strommonopolisten und ihren Konkurrenten und Kritikern entzündet, dessen Frontlinie quer durch die rot-grüne Regierungskoalition verläuft. Dabei verfolgen Umweltminister Jürgen Trittin und sein Dauerkontrahent Wirtschaftsminister Wolfgang Clement grundlegend verschiedene Strategien.

Geht es nach Trittin, wird Deutschland dem Zeitalter des Klimawandels mit einem Energiemix aus Wind-, Wasser- Biogas- und Erdgaskraft begegnen, der den Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent senkt und den Herstellern der neuen Technologien eine weltweite Marktführung verschafft. «Es wird mehr Gaskraftwerke geben und mehr Strom aus erneuerbaren Energien», hofft der Umweltminister, «aber auch weiter eine beachtliche Zahl Kohlekraftwerke».

Clement dagegen hält jede grundlegende Veränderung des hergebrachten Energiemixes für eine «gefährliche Utopie». Er streitet für eine weitgehende Beibehaltung des alten Systems zentraler Großkraftwerke, betrieben von wenigen großen Konzernen, die sich im europäischen Wettbewerb behaupten können. Nur so lasse sich verhindern, dass Deutschland «Stromimportland» werde und seine technologische Führung bei den Kohletechnologien verliere, glaubt Clement.

Zwar weiß Trittin die Mehrheit der Abgeordneten in beiden Fraktionen der Koalition auf seiner Seite. Gleichwohl verfügt der Wirtschaftsminister bislang über die stärkeren Bataillone. Denn die Spitzenmanager der Konzerne RWE und E.on, die heute über 80 Prozent des Strommarktes halten, setzen die Schröder-Regierung massiv unter Druck - ganz im Sinne Clements.

Vor allem der Essener Stromriese RWE (Jahresumsatz 43,9 Milliarden Euro) hat viel zu verlieren und droht offen mit einem Investitionsboykott. Fundament und wichtigste Einnahmequelle des Konzerns sind die 18 Kraftwerke im rheinischen Braunkohlenrevier, die teilweise schon über drei Jahrzehnte in Betrieb sind und dringend erneuert werden müssen.

Dafür aber, so forderte kürzlich Finanzvorstand Klaus Sturany, müsse die Bundesregierung stabile Rahmenbedingungen schaffen. Klimaschutzziele, die über das - von Deutschland schon heute weitgehend erfüllte - Protokoll von Kyoto hinaus gehen, müssten mit «volkswirtschaftlichen Schäden» bezahlt werden. Halte die Bundesregierung daran fest, so Sturany, «dann investieren wir nicht».

Prompt spricht auch Minister Clement, der sich schon als Regierungschef in Düsseldorf für die RWE-Braunkohle stark machte, vom «drohenden Investitionsstop». Sein Staatssekretär Georg Wilhelm Adamowitsch, ehedem selbst Manager bei den inzwischen von RWE geschluckten Vereinigten Elektrizitätswerken Westfalen (VEW), versprach schon mal, die Regierung werde den «Klimaschutz nicht im nationalen Alleingang» betreiben und auch den Netzbetrieb gewiss nicht «kaputt regulieren». Die Strombranche fordere zu Recht «Renditesicherheit für 35 Jahre».

Aber selbst wenn sie wollte, könnte die Regierung solche Garantien gar nicht abgeben. Niemand weiß heute, welche Richtung die Energiepolitik einschlagen wird, wenn die Konsequenzen des heraufziehenden Klimawandels weltweit spürbar werden. In Wahrheit dient die Drohkulisse der Stromer und ihres Ministers denn auch vor allem einem Zweck: Neue Wettbewerber klein zu halten.

«Marktbeherrschendes Duopol»

Dabei hatte doch eigentlich alles ganz anders kommen sollen. Als die Kohl-Regierung 1998 die EU-weit vorgesehene Liberalisierung des Strommarkts in Deutschland gleich stufenlos umsetzte, schien es zunächst, dass die alten Monopolisten der deutschen Stromwirtschaft nun endlich die Marktwirtschaft lernen müssten. Wo früher gesetzlich garantierte Gebietsmonopole den damals acht Verbundunternehmen exklusive Lieferechte und satte Preise sicherten, mussten sie nun plötzlich um die Abnehmer konkurrieren und ihre Stromnetze für die Durchleitung der Lieferungen ihrer Mitbewerber öffnen.

Die Alt-Monoplisten reagierten auf den verordneten Wettbewerb aber zunächst mit einer beispiellosen Fusionswelle. Aus der früheren Veba, deren Stromtochter Preußen-Elektra und dem Bayernwerk wurde die heutige E.on. Und die Essener RWE schluckten die VEW. Das „marktbeherrschende Duopol“ wie es die Ökonomen der Monopolkommission der Bundesregierung nannten, kontrolliert nun vier Fünftel der gesamten Stromerzeugung. Den Rest teilen sich die schwedische Vattenfall, die den ostdeutschen Versorger Veag und die Hamburger Elektrizitätswerke kauften sowie die Energie Baden-Württemberg (EnBW), an der der französische Staatskonzern EdF einen Anteil von 34,5 Prozent hält.

Diese Konkurrenz muss das Duopol allerdings nicht fürchten. Denn es hält zugleich auch die Mehrheit bei 41 der 54 regionalen Verteilerunternehmen und an mehr als 130 Stadtwerken. Wer größere Marktanteile erobern will, kommt deshalb am Netz von E.on und RWE nicht vorbei.

Genau an diesem Punkt hatte das Projekt Stromwettbewerb aber von Beginn an einen grundlegenden Konstruktionsfehler. Weder die alte Regierung noch die rot-grüne Koalition wagte es, die Machtbasis der großen Stromkonzerne anzutasten: Die Verfügung über das Verteilungsnetz. Anders als bei der Telekom , in deren Netz die eigens eingerichtete Regulierungsbehörde den Wettbewerbern freie Bahn schaffte, blieb es den Stromern und ihren industriellen Großkunden selbst überlassen, die Tarife für die Durchleitung von Strom festzulegen.

Das Ergebnis ist vernichtend und kommt die deutsche Volkswirtschaft teuer zu stehen. Zwar warben die Konzerne und zahlreiche kleinere Handelsunternehmen zunächst bundesweit mit Billigtarifen um neue Kunden und schickten die Preise auf Talfahrt. Furore machte vor allem die Karlsruher EnBW mit ihrer Billigmarke Yello, die fast eine Million Kunden fand.

Doch die Billiganbieter konnten ihre Preise nicht lange halten. Denn das neue Duopol nutzte konsequent seine Stromnetze, um durch überhöhte Gebühren den lästigen Wettbewerb abzustellen. So mussten Unternehmen, wie etwa der Hamburger Öko-Strom-Anbieter Lichtblick plötzlich für die Durchleitung ihres Produkts mehr als doppelt so viel bezahlen wie für die Stromerzeugung selbst.

Zur Rechtfertigung der Wucherpraxis nutzten die Platzhirsche der Branche «alle Tricks, um dem Netz sachfremde Kosten zuzuordnen», beklagt Ulf Böge, Präsident des Bundeskartellamtes. So fanden Böges Beamte heraus, dass zum Beispiel die E.on-Tochter Teag in Thüringen sogar Werbemaßnahmen und Personalkosten dem Neztbetrieb zuschlug, die damit gar nichts zu tun haben. In mehreren Musterverfahren will Böge nun klären, ob er mit Hilfe des Kartellrechts die Gebühren drücken kann.

Derweil sind die meisten unabhängigen Anbieter aber schon in Konkurs gegangen. Auch die EnBW-Firma Yello schreibt Millionenverluste. Und die Strompreise haben längst wieder das alte Niveau erreicht. Konnte sich ein dreiköpfiger Haushalt im Jahr 2000 noch für weniger als 41 Euro monatlich mit Strom versorgen, zahlt er dafür nun wieder über 50 Euro. Von dieser Steigerung entfällt nur etwa die Hälfte auf die Ökosteuer und andere staatliche Gebühren. Den Rest streichen die Konzerne ein.

Trotz alledem sahen Ex-Wirtschaftsminister Werner Müller und sein Nachfolger Clement dem Treiben untätig zu. Erst als die EU-Kommission im Frühjahr ultimativ die Einrichtung einer Kontrollbehörde forderte, wie sie in den anderen EU-Staaten längst üblich ist, schwenkte Clement ein und sagte zu, der Regulierungsbehörde für Telekom und Post ab nächstem Jahr auch die Aufsicht über die Stromnetze zu übetragen.

Völlig offen ist allerdings, mit welchen Kompetenzen und nach welchen Kriterien die Behörde die Stromer an die Leine nehmen kann. Im Kern geht es dabei um die Höhe der Rendite, die den Betreibern zustehen soll. Weil der Netzbetrieb ohne jedes unternehmerische Risiko ist, hält etwa Kartellwächter Böge eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals knapp über dem Niveau von Bundessschatzbriefen für angemessen. Dieses Ansinnen weisen die Konzerne jedoch brüsk zurück. «Versorgungssicherheit gibt es nicht zum Nulltarif», erklärte E.on-Chef Bernotat rundheraus und verwies drohend auf die großen Stromausfälle in den USA und Italien infolge der dort schlecht ausgelegten Netze.

Kritiker wie die grüne Energiepolitikerin Michaele Hustedt verweisen dagegen auf die durchweg niedrigeren Netzentgelte in anderen EU-Staaten. Der Wettbewerb dürfe doch nicht für immer auf der Strecke bleiben, «nur weil ein paar Unternehmen den Marktzugang kontrollieren».

«Verbrannte Erde» für die Windkraftbranche

Diese Kontrolle ist den Strombossen zu ihrem Ärger an einer wichtigen Stelle jedoch schon entglitten. Weil die rot-grüne Regierung die Weichen entsprechend stellte, müssen sie eine unerwartet starke Konkurrenz notgedrungen dulden: Die Windkraftbranche. Binnen fünf Jahren schnellte die installierte Leistung der Dreiflügler in Deutschland von knapp 3000 auf über 13.000 Megawatt nach oben. Mehr als 14.000 Windrotoren liefern derzeit rund fünf Prozent des deutschen Stromverbrauchs und ersparen der Atmosphäre jährlich rund 18,5 Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid.

Basis dieses Erfolgs ist das vor drei Jahren verabschiedete Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Das schlanke Regelwerk mit nur zwölf Paragraphen verpflichtet die Elektrizitätsversorger, den Ökostrom zu einem mittleren Preis von derzeit etwa 8,8 Cent pro Kilowattstunde in ihre Stromnetze einzuspeisen. Ohne die garantierte Vergütung wäre der Grünstrom gegenüber der Erzeugung in alten, abgeschriebenen Kohle- oder Atomkraftwerken noch nicht wettbewerbsfähig.

Folglich bekämpften die Konzerne das Gesetz vor allen denkbaren Gerichten - und blitzten überall ab: beim Bundesverfassungsgericht, beim Bundesgerichtshof und beim Europäischen Gerichtshof. Ausdrücklich stuften die Luxemburger Richter die Vergütungsregelung nicht als «unzulässige Beihilfe», also Subvention, ein.

Tatsächlich fließt kein Cent der Vergütung für Ökostrom aus öffentlichen Haushalten. Zur Kasse gebeten werden vielmehr die Stromverbraucher, an die die Netzbetreiber ihre Mehrkosten weitergeben können. Eine vierköpfige Familie kostet das nach Berechnungen des Bundesumweltministeriums derzeit etwa einen Euro pro Monat.

Die Regelung hat eine einzigartige industriepolitische Erfolgsgeschichte ausgelöst. Mit 3,5 Milliarden Euro jährlich setzt die durchweg mittelständisch geprägte Windtechnikbranche mehr um als alle Unternehmen der Bio- und Gentechnologie zusammen. In Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein oder Ostfriesland gehören Windanlagenhersteller zu den umsatzstärksten Betrieben. Bei Branchenmessen wie der «Husumwind» im vergangenen Monat verbreiten junge Ingenieure und Geschäftsleute inmitten der sonstigen wirtschaftlichen Depression Optimismus und Dynamik .

Vor fünf Jahren habe man kaum mit Generatoren der Megawattklasse operiert. «Jetzt bieten wir schon Anlagen mit fünf Megwatt Leistung an», begeistert sich Fritz Vahrenholt, Ex-Umweltsenator in Hamburg und heute Chef der Windkraftschmiede Repower. Und während in der Energiewirtschaft insgesamt seit 1997 fast 90.000 Arbeitsplätze abgebaut wurden, wuchs die Beschäftigtenzahl in der jungen Windindustrie auf inzwischen rund 45.000.

Trotzdem setzte sich ausgerechnet Minister Clement, eigentlich für wirtschaftliche Erfolge zuständig, an die Spitze einer aus den Konzernzentralen von RWE und E.on lancierten Kampagane gegen die Windkraft. Seit Monaten bezichtigt er die Rotorbranche der «Abzocke» und wettert gegen eine «Überförderung», deren Kosten bald so hoch seien «wie bei der Steinkohle».

Als Hebel zum Ausbremsen der Windstromer nutzte Clement die anstehende Novellierung des EEG, die Rot-Grün schon im Koalitionsvertrag verabredet hatte. Die von Trittin vorgeschlagene schrittweise Absenkung der Vergütung für Windstrom um 22 Prozent bis 2010 sei viel zu gering, behauptete er. Nötig sei vielmehr eine Kürzung um mindestens 35 Prozent. Zudem sollte der Zuwachs an Windstrom künftig planwirtschaftlich gesteuert werden. Die Stromunternehmen sollten den geduldeten Zuwachs ausschreiben und an den günstigsten Anbieter vergeben - ein Modell, das die britische Regierung mangels Erfolg gerade wieder abgeschafft hat.

Mit seinem Vorschlag hatte Clement zwar selbst in der eigenen SPD-Fraktion keine Chance. Sie erteilte ihm im September eine offene Abfuhr. Dafür weiß der Minister den Branchenriesen E.on an seiner Seite, der die «Ausschreibung von Pilotprojekten in Nord- und Ostsee» fordert.

Gleichwohl wird das Vorhaben vermutlich in den Regierungsfraktionen scheitern. Aber die seit Monaten anhaltende Unsicherheit über die künftige Bezahlung der Windstromer hat die beabsichtigte Wirkung trotzdem erzielt: Die Windkraftbranche rauscht in ihre erste Rezession. Der größte Finanzier für Windparks, die Commerzbank, hat sich zurückgezogen. Und Betreiber wie die Firma Umweltkontor finden kaum noch private Anleger für ihre Projekte.

«So wird verbrannte Erde gemacht», ärgert sich Joachim Fuhrländer, mit rund 50 Millionen Euro Jahresumsatz erfolgreicher Rotorhersteller aus dem Westerwald. Bald sei «der Inlandsmarkt tot» und «eine in Deutschland entwickelte Spitzentechnik wird ins Ausland getrieben». Seine Umsätze macht Fuhrländer mittlerweile zu vier Fünfteln in Spanien, Italien, Brasilien, Japan und China. Folgerichtig hat er begonnen, die Produktion ins Ausland zu verlegen. Auch Repower-Chef Vahrenholt schlägt Alarm. In einem Brandbrief beschwor er seinen Genossen und Duz-Freund Wolfgang Clement, mit seinem Kurs nicht «das Ende der Windenergie in Deutschland» einzuläuten.

Dabei sind die von Clements Ministerium und den Stromversorgern in die Welt gesetzten Zahlen über die Kosten des Windkraftausbaus grob irreführend. Die von Clement befürchtete Kostenexplosion bei den Erneuerbaren Energien wird voraussichtlich gar nicht eintreten (siehe Kasten: Was kostet die Windkraft?).

Einen Teil des Gegenwinds für ihre Branche haben sich die Windstromer allerdings selbst zuzuschreiben. Viel zu lange unterschätzten sie den Zorn aufgebrachter Landbewohner und Wochenendhausbesitzer, die ihre ländliche Ruhe durch die Drehflügler gestört sehen und die Verschandelung traditioneller Kulturlandschaften beklagen. Längst stimmen auch Lokalpolitiker und Landesminister beider großer Parteien in den anschwellenden Proteststurm gegen die «Verspargelung» der Landschaft ein, neuen Windparkprojekten schlägt viel Widerstand entgegen.

Das ist auch bei Energiereformer Trittin angekommen. Mit seinem Ende August vorgelegten Entwurf für die EEG-Novelle tritt er darum gezielt auf die Bremse. Eine Kürzung der Basisvergütung soll überhöhte Renditen an den Windstandorten entlang der Küstenlinien kappen. Vor allem aber will der Minister die Förderbedingungen an «windschwächeren Standorten» im Binnenland so herunter fahren, dass sich die Rotoren dort nicht mehr rechnen.

Im Gegenzug soll die Vergütung für geplante Großanlagen in Nord- und Ostsee günstiger ausfallen als zuvor geplant. Auf dem offenen Meer erwartet Trittin bis 2010 den Bau von Offshore-Windparks mit einer Leistung von 2.000 bis 3.000 Megawatt. Binnen 20 Jahren sollen - meist außer Sichtweite der Küsten - bis zu 25.000 Megawatt installiert sein und 15 Prozent des deutschen Strombedarfs decken.

Doch auch dieses Konzept stößt bei den Konzernen auf massive Gegenwehr: Die Offshore-Technik sei zu teuer, nicht ausgereift und zu weit weg von den Verbrauchsschwerpunkten, meint E.on-Chef Wulf Bernotat. Nötig sei eine generelle Begrenzung der Windverstromung.

Die Mär von der teuren Regelenergie

Als zentrales Argument verweisen die Windkraftskeptiker auf das vermeintliche Grundproblem dieser Energiequelle: Ihre unsichere Verfügbarkeit. Das unstete Wetter verursache Zusatzkosten in Höhe von «mehreren hundert Millionen Euro» jährlich, die in der Umlage der Vergütungszahlungen noch gar nicht enthalten seien, klagen Clements Ministeriale in einem Positionspapier.

In der Praxis müssten die großen Versorger permanent Kraftwerke im Leerlauf betreiben, um sie im Fall abflauender Winde zuschalten zu können. Diese Regelenergie und die Reservehaltung verursache schon jetzt Mehrbelastungen von bis zu 2,5 Cent pro Kilowattstunde Windstrom, behauptete auch E.on-Vorstand Jürgen Elsässer, fast soviel, wie konventionell erzeugter Strom ohnehin kostet.

Dabei unterschlagen die Windkraftkritiker freilich, dass wegen der Schwankungen von Angebot und Nachfrage im Netz von jeher Reserven bereit stehen mussten, auch ganz ohne die lästigen Propeller. Schließlich werden auch Großkraftwerke von Zeit zu Zeit gewartet oder müssen ersetzt werden, wenn ein Defekt sie lahm legt. Während der Hitzeperiode dieses Sommers fiel nicht nur die Windkraftleistung auf müde zehn Prozent. Auch Atomkraftwerke mussten wegen der zu starken Erwärmung des Kühlwassers aus den Flüssen heruntergedrosselt werden.

Gleichwohl drückt der Windstrom bei den traditionellen Stromerzeugern auf die Rendite. Denn jede Kilowattstunde Ökostrom senkt ihre eigenen Erlöse. Schuld daran tragen Strommanager freilich auch selbst. Nicht nur weigern sie sich bisher konsequent, selbst in die Ökostrom-Produktion einzusteigen, obwohl das Gesetz dies ausdrücklich zulässt. E.on betreibt ganze 65 der in Deutschland installierten 13.000 Megawatt Windkraft. Zudem setzen sie viel zu einseitig auf Atom- und Braunkohlekraftwerke, deren Betrieb sich nur lohnt, wenn sie rund um die Uhr laufen. Wenn sie dagegen bei kräftigem Wind heruntergefahren werden müssen, mindert das direkt die Erlöse, eingesparte Brennstoffkosten spielen praktisch keine Rolle. Anders wäre das beim Einsatz von Gaskraftwerken, deren größter Kostenblock der Brennstoff ist. Doch die gibt es kaum im Kraftwerks-Portfolio der Konzerne.

Wie die Windkraft so die E.on-Bilanz vermiesen kann, erfuhr Netzwächter Markus Wallura zum Beispiel in der Nacht vom 20. auf den 21. September. Wegen der aufkommenden Herbstwinde schnellte da die Leistung der Windrotoren in der E.on-Regelzone binnen sechs Stunden von fast Null auf 2.500 Megawatt hoch. Flexibel handhabbare Gas- und Wasserkraftwerke hatte E.on während dieser Nacht nicht mehr zur Verfügung. Als Wallura darum wegen der Vorfahrtsrechte für Windstrom die Drosselung der ins Netz eingespeisten Leistung anforderte, mussten seine Kollegen ein Atomkraftwerk herunterfahren - für die E.on-Manager ein ärgerlicher Umsatzausfall.

Dabei wären moderne Gaskraftwerke ein probates und durchaus profitables Instrument, die Nebenkosten der sauberen aber unstet anfallenden Windkraft auszugleichen. Mit den so genannten Gas- und Dampfkraftwerken (GuD) steht eine unschlagbar effiziente Technologie zur Verfügung. Sie verwandeln bis zu 60 Prozent der eingesetzten Energie in Elektrizität und blasen dabei nur halb so viel Kohlendioxid pro Kilowattstunde in die Atmosphäre wie Kohlekraftwerke. Darum sind sie seit über zehn Jahren in aller Welt die Technik der Wahl. Großbritannien stellte binnen weniger Jahre ein Drittel seiner Stromerzeugung auf Gaskraft um und erfüllt deshalb schon heute die Verpflichtungen des Kyoto-Protokolls. Der Kraftwerksbauer Siemens macht denn auch weltweit Milliardenumsätze mit den GuD-Turbinen - nur nicht in Deutschland.

«Kohleschutzklausel» per Erdgassteuer

Hierzulande stammen gerade einmal neun Prozent der Stromproduktion aus Erdgas und dies fast ausschließlich von industriellen oder kommunalen Kraftwerksbetreibern. Diesen Zustand hat die Allianz der beiden Braunkohlen-Konzerne RWE und Vattenfall unter Führung von Minister Clement jedoch absichtlich herbeigeführt. Denn ihnen ist es gelungen, den Brennstoff Erdgas künstlich teuer zu halten. Während Kohle und Uran steuerfrei verstromt werden, erhebt der Bund ausgerechnet auf das vergleichsweise saubere Erdgas die Mineralölsteuer in Höhe von 3,5 Euro pro Megawattstunde - nach Meinung von DIW-Experte Ziesing eine «ganz klare Kohleschutzklausel, die den Wettbewerb verhindert».

Diesem Unfug wollten die Grünen schon nach dem Machtwechsel 1998 ein Ende machen. Doch schon damals drohten die RWE-Gewaltigen, ihr 10-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm zur Erneuerung der Braunkohlekraftwerke zu stornieren und den von der SPD gegen die Grünen durchgesetzten Tagebau Garzweiler II gar nicht erst «aufzuschließen».

Im Bundestag warnte Reinhard Schultz, SPD-Abgeordneter aus dem westfälischen Everswinkel, vor «einem Verdrängungswettbewerb zugunsten von Gas im Strommarkt». Die Pläne, donnerte sein Parteifreund Werner Labsch aus dem ostdeutschen Braunkohlegebiet, würden sich «als trojanisches Pferd zur Zerstörung unserer einheimischen Energiebasis» entpuppen. Schließlich drohte Clement im Bundesrat gemeinsam mit der CDU-Opposition die Ökosteuer-Pläne der Regierung zu Fall zu bringen. Das zeigte Wirkung.

Bei einem Spitzengespräch im Kanzleramt setzte er einen Kompromiss durch, der vom ursprünglichen Vorhaben wenig übrig ließ: Die Befreiung der Erdgasverstromung von der Kohleschutzsteuer wurde auf fünf Jahre begrenzt. Noch dazu sollten nur Investoren profitieren, deren Kraftwerke spätestens 39 Monate nach In-Kraft-Treten der Regelung ans Netz geschaltet würden. Außerdem wurde die Steuerbefreiung beschränkt auf Kraftwerke, die mindestens 57,5 Prozent der eingesetzten Energie in Strom umwandeln. So blieben ökologisch sinnvolle Heizkraftwerke, die neben Strom auch Heiz- und Prozesswärme liefern, von vorneherein ausgeschlossen.

Als das Gesetz im Dezember 2002 - nach drei Jahren - endlich den Bundestag und die EU-Notifizierung passiert hatte, waren gerade noch zwei Unternehmen in der Lage, überhaupt entsprechende Projekte zu realisieren. Im vorpommerschen Lubmin bereitet die Firma Concord-Power, eine Tochter des EnBW-Konzerns, ein 1200-Megawatt-Kraftwerk vor. Und im Chemiepark Knapsack bei Köln plant die Firma Intergen, ein Joint-Venture des Öl-Riesen Shell mit dem US-Konzern Bechtel, einen 800-Megawatt-Meiler.

Doch seit die 39-Monats-Frist läuft sind zehn Monate vergangen - und nichts ist passiert. Zwar hat selbst Clement-Nachfolger Peer Steinbrück dem Knapsack-Projekt im Juli seinen Segen gegeben und sogar Kanzler Schröder verwandte sich für das 500-Millionen-Investment in Köln. Doch Minister Clement verweigert einfach seine Unterschrift unter die notwendige Durchführungsverordnung, mit der das Messverfahren für den Wirkungsgrad bestimmt wird. Nebenbei lässt Clement streuen, die Investoren hätten wegen der gestiegenen Erdgaspreise das Interesse an dem Projekt verloren.

Das bestreitet Intergen-Projektleiter Mathew Brett jedoch rundheraus. Nicht zum Spaß habe man mehrere Millionen Euro in die Erschließung des Standorts und das Genehmigungsverfahren investiert. «Wir wollen auf jeden Fall bauen», beteuerte Brett noch im September.

Inzwischen mussten aber sowohl Intergen als auch Concord-Power einräumen, wegen der endlosen Verzögerungen in Berlin seien die Projekte nicht mehr innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist zu realisieren. Auch wenn Clement - wie er mehrfach ankündigte - grünes Licht gebe, müsse die Frist verlängert werden. Und das wird wieder dauern. Das Gesetz müsste noch einmal durch den Bundestag und durch die Notifizierungsprozedur in Brüssel. «Das sind Praktiken wie in einer Bananerepublik», empört sich Herrmann Scheer, Energieexperte der SPD-Fraktion.

So hintertreiben die selben Akteure, die einen Mangel an Planungssicherheit beklagen und mit Investitionsstop drohen, mit aller Macht die Milliarden-Investitonen möglicher Konkurrenten, die sofort bauen würden, wenn die Regierung sie nur ließe.

Das gleiche Falschspiel läuft bei der Blockade des Zubaus von Fernwärme- oder Blockheizkraftwerken, die effizient und klimaschonend Strom, Heiz- und Prozesswärme in Kombination erzeugen können. Solche Meiler, ergab ein Gutachten für die Energie-Enquete des Bundestages, könnten über die Hälfte des deutschen Strombedarfs decken und ein Fünftel der Treibhausgase einsparen. Niederländer und Dänen produzieren darum fast 40 Prozent ihrer Stromversorgung in Kraft-Wärme-Koppelung (KWK), Deutschland kommt gerade einmal auf zehn Prozent.

Bundesweit müssen bis 2010 über zwei Millionen Heizungsanlagen modernisiert werden - eigentlich die ideale Gelegenheit, die KWK-Technik auch in Deutschland auszubauen. Doch als das Bundeskabinett vor drei Jahren beschloss, allen Stromversorgern vorzuschreiben, den KWK-Anteil über ein Quotensystem wenigstens zu verdoppeln, löste auch dieses Vorhaben einen Sturmlauf der Stromlobby aus.

Mit dem damaligen Wirtschaftsminister Werner Müller an der Spitze, heute Chef des Kohlekonzerns RAG, setzte sie wiederum einen Kompromiss durch, in dem auf die Quote verzichtet wurde. Stattdessen sollte eine gesonderte Vergütung von KWK-Strom Investoren motivieren, verstärkt in die klimaschonende Technik und die Modernisierung bestehender Anlagen einzusteigen. Insgesamt sollte die Einigung bis 2010 zu einer Kohlendioxid-Einsparung von elf Millionen Tonnen führen.

Abzocke mit der Kraft-Wärme-Koppelung

Inzwischen ermittelten Gutachter des Umweltministeriums, dass bis zum Ende der gesetzten Frist gerade mal die Hälfte der erhofften Treibhausgas-Reduktion zustande kommt. Gleichzeitig bremsten die Konzerne und die ihnen angeschlossenen regionalen Verteilerunternehmen private Newcomer rabiat aus. Die von der Konkurrenz eingespeisten Kilowattstunden aus KWK-Anlagen taxierten sie auf ganze 1,41 Cent, auf die sie dann den im KWK-Gesetz vorgeschriebenen Bonus aufschlugen. Im Ergebnis verdienten viele Betreiber nach der Verabschiedung des Gesetzes weniger als zuvor.

Wie dreist die Stromer vorgehen, musste zum Beispiel das Ingenieur-Unternehmen Freischlad & Assmann erfahren. Dieses betreibt im Auftrag der hessischen Kommune Eschenburg ein gasgefeuertes Heizkraftwerk für das örtliche Schwimmbad und produziert 300.000 Kliowattstunden Strom für das Netz der E.on-Tochter EAM. Weil die Heizwärme nicht immer gebraucht wird, muss das Schwimmbad auch 15.000 Kilowattstunden jährlich zukaufen. Während die EAM den gelieferten Strom mit 3,3 Cent pro Kilowattstunde vergütet, verlangt sie aber für den Zukauf 45 Cent - zwischen Zu- und Verkauf klafft ein Faktor von mehr als 13. «Diese Praxis benachteiligt massiv private Investoren in der KWK-Stromerzeugung», ärgert sich Anlagenbetreiber Hans-Joachim Freischlad. E.on kassiere «den Gewinn einer Investition, für die sie nichts bezahlt haben».

Trotz all dieser Blockadestrategien können sich die Konzerne jedoch keineswegs in Sicherheit wiegen. Denn ein weiteres politisches Großprojekt wird die Karten im EU-Energiemarkt schon bald neu mischen: Die von den EU-Regierungen bereits beschlossene Einführung des europaweiten Handels mit Emissionszertifikaten. Erstmals soll damit der Ausstoß von Treibhausgasen für die Industrie einen Preis bekommen - mit der Folge, dass die Verstromung von Braun- und Steinkohle womöglich drastisch teurer wird.

Das EU-Gesetz sieht vor, dass alle Industrieunternehmen mit Feuerungsanlagen über 20 Megawatt Leistung Zertifikate erhalten, die sie zum Ausstoß einer bestimmten Menge Kohlendioxid berechtigen. Betroffen sind in Deutschland rund 2400 Anlagen, die zusammen über 50 Prozent der deutschen Treibhausgas-Emissionen verursachen. Der Rest stammt aus den Motoren der Autoflotte sowie den privaten Haushalten und dem Kleingewerbe.

Die insgesamt ausgegebene Menge der Zertifikate orientiert sich an den Verpflichtungen, die jedes EU-Land im Rahmen des Kyoto-Protokolls zur Minderung der Klimabelastung übernommen hat. Bis 2012 muss Deutschland demnach 21 Prozent weniger Klimagifte in die Atmosphäre blasen als 1990. Auf Energiewirtschaft und Industrie entfallen hierzulande gut 500 Millionen Tonnen.

Die Zertifikate sollen die Unternehmen untereinander handeln können. Auf diesem Weg, so die Grundidee, erfolgen die nötigen Investitionen dort, wo sie die geringsten Kosten verursachen. Spart etwa ein Kraftwerksbetreiber durch neue Technik mehr Kohlendioxid ein, als er muss, kann er überschüssige Zertifikate an andere verkaufen, die sich die entsprechenden Investitionen nicht leisten wollen.

Dabei braucht sich die deutsche Industrie eigentlich keine großen Sorgen zu machen. Weil sich Deutschland vor allem wegen des Umbaus der DDR-Energiewirtschaft Anfang der neunziger Jahre dem 21-Prozent-Ziel bereits auf zwei Prozent genähert hat, kann sie die Reduktionsverpflichtungen bis 2012 ohne großen Aufwand bewältigen.

Beim jüngsten Energiegipfel im Kanzleramt versprach Minister Trittin den versammelten Chefs der Stromkonzerne darum, es werde kostenlos genügend Zertifikate für alle geben. Der Vattenfall-Konzern soll ein Extra-Kontingent für die bereits abgeschlossene Modernisierung seiner Braunkohlekraftwerke in Ostdeutschland erhalten. Selbst für den Ersatz der Atomkraftwerke durch erdgas- oder kohlebefeuerte Meiler will Trittin Zusatzertifikate ausgeben. Für wachstumsbedingte Emissionen und Newcomer am Markt soll außerdem ein Reservefonds bereit stehen.

All das droht jedoch die Zertifikate zu inflationieren und ihren Preis zu drücken. Um dennoch die nationalen Klimaschutzpflichten einhalten zu können, müssten «zusätzliche einschneidende Maßnahmen bei Verkehr und privaten Haushalten» ergriffen werden, heißt es ahnungsvoll in einem internen Vermerk des Umweltministeriums. Das klingt nach Mautgebühren für alle, Tempolimit oder schärferen Wärmeschutzbestimmungen.

Doch ob die Politik am Ende Autofahrer und Hausbesitzer mit neuen Belastungen vergrault, um die großen Unternehmen zu entlasten, bezweifeln selbst die Strommanager. «Das Treffen beim Kanzler», frozzelt deshalb E.on-Chef Bernotat, «war harmonisch, weil es harmonisch sein sollte - das Fingerhakeln kommt erst noch».

Emissionshandel: Milliarden-Poker um heiße Luft

Tatsächlich hat längst ein zähes Ringen der Lobbyisten um die Zuteilung der Zertifikate im «nationalen Allokationsplan» eingesetzt, für den Umweltminister Trittin die Feder führt. Denn auch wenn die Unternehmen in Deutschland vergleichsweise großzügig mit Zertifikaten ausgestattet würden, werden diese am Ende mehrere Milliarden Euro wert sein.

Schuld daran sind die EU-Staaten Spanien, Italien, Österreich und die Niederlande, die bei der Minderung des Kohlendioxid-Ausstoßes um Jahre hinterher hinken. Im europäischen Handel werden die Zertifikate also durchaus gefragt sein - ein Umstand der vor allem den Kohelabteilungen der Stromkonzerne Sorgen bereitet. Zwar mögen sie zunächst genügend Zertifikate für ihre laufenden Anlagen bekommen. Deren Wert muss in der Kalkulaltion für die anstehenden Kraftwerksneubauten gleichwohl berücksichtigt werden, schließlich könnten die Unternehmen sie auch anderweitig verkaufen und in emissionsärmere Technik investieren.

Zwangsläufig wird damit vor allem der Braunkohlestrom in Konkurrenz zu Erdgas- und Ökostrom teurer. So könnte der künstliche Wettbewerbsvorteil durch die Erdgassteuer schnell dahin schmelzen. Steige der Preis für eine Tonne CO2 über 15 Euro pro Tonne, «wird die Braunkohle unrentabel», kalkuliert RWE-Finanzvorstand Sturany.

Noch größere Sorge bereitet Sturany und seinen Kollegen die Frage, wie es mit den Zertifikaten nach 2012 weitergehen wird. Wenn die international vereinbarten Klimaschutzziele, wie allgemein erwartet, weiter verschärft werden, wird automatisch der Preis für die Zertifikate steigen. Unvermeidlich käme der deutsche Strommix in Bewegung, selbst wenn Clement und seine Nachfolger sich dagegen stemmen.

Zumindest beim E.on-Konzern, dessen Stromerzeugung bislang vor allem auf den 14 Atomkraftwerken des Unternehmens beruht, gelten solche Szenarien offenbar durchaus als realistisch. Sollte es beim Atomausstieg bleiben, dann sei Erdgas ab 2010 natürlich der Rohstoff der Wahl, versichern E.on-Manager. Schließlich hat der selbe Konzern sich auch schon Deutschlands größten Gasversorger, die Ruhrgas, gekauft. Und auch Wind-Großkraftwerke auf dem Meer sind in der Düsseldorfer Zentrale des deutschen Marktführers längst in Planung. Gleich bei drei der geplanten Offshore-Projekte hat sich E.on vorsorglich eingekauft. Für das Vorhaben «Sky 2000» in der Lübecker Bucht läuft ungeachtet der Skespis des Konzernchefs sogar schon die Ausschreibung zur Beschaffung der notwendigen Technologie.

So ist es keineswegs unwahrscheinlich, dass die Netzwächter in Lehrte dereinst noch viel mehr Windkraftwerke ausregulieren müssen als heute. Allerdings käme der saubere Strom dann nicht mehr von der Konkurrenz. Die E.on-Techniker könnten den Strommix wieder unter sich ausmachen.
 Quelle: Netzzeitung


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