Weiß der Mann noch, was in seinem Haus vorgeht? Weiß es wenigstens sein Hund? Morgen für Morgen schlurft der Bauer zum Schafstall, begleitet von seinem Aufpasser, dem Hund Bitzer, die mächtigen Tore sind verschlossen, und als sie geöffnet werden, stehen da viele brave Schafe, bereit, gemessenen Schrittes auf die Weide zu trippeln. Bauer und Hund sind es zufrieden, der Tag kann kommen.
Wer wissen will, was die Schafherde wirklich treibt, welche Abgründe an Aberwitz, Wagemut und Entdeckerdrang sich bei diesen Tieren (und unter den fest zugekniffenen Augen des Bauern) auftun, kommt an der Serie „Shaun das Schaf“ nicht vorbei, die ab Karfreitag im Ersten und im Kinderkanal Kika zu sehen ist: vierzig Kurzdramen, jedes etwa sechs Minuten lang, eines schöner als das andere.
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Slapstick in Knet-Animation
Schauplatz ist im Wesentlichen der Hof, Protagonisten sind neben Herde, Bauer und Hund noch ein paar Nebenfiguren, unter denen eine fiese, stinkfaule Katze heraussticht. Die Geschichten sind so überschaubar entworfen, wie es über diese Minutendistanz auch geboten ist, und verhandeln immer wieder das Verhältnis zwischen der Gruppe, deren kollektive Bewegungen ganz eigenen Gesetzen folgen, und Instanzen, die dieser Gruppe gegenüber Autoriät geltend machen: der Bauer am wenigsten, Bitzer mit seiner ewigen Trillerpfeife schon etwas mehr, am meisten aber ein Schaf namens Shaun, ein dürrer, eddiemurphyhaft agiler Charakter, der die meiste Zeit mit Pläneschmieden, Erläuterungen und Anweisungen verbringt. Den Rest der Zeit schlagen die Pläne meistens fehl.
© obs Tagsüber spielen sie das Haustier
Vor zwölf Jahren hatte er seinen ersten Auftritt im Wallace-and-Gromit-Film „Unter Schafen“: Weil er damals unter der gefährlichen Schermaschine seine Wolle lassen musste (und immerhin mit einem synchron gestrickten Pullover getröstet wurde), trägt er seinen verballhornten Vornamen. Jetzt, in der nach ihm benannten Serie der Urheber von „Wallace & Gromit“ und „Chicken Run“, die in derselben hinreißenden Knet-Animation-Technik entstanden ist wie die Langfilme, gibt er den Ton an: Verliert das Lämmchen Timmy seine Puppe an den gedankenlosen Bauer, entwirft Shaun an einer Schiefertafel einen Plan zur Rückgewinnung, und wird die füllige Schafsdame, die sich geradezu mechanisch vollstopft, dann doch einmal allzu dick, sorgt Shaun mit zwingendem Blick für ein Fitnessprogramm, das tatsächlich anschlägt - wenigstens so lange, bis die schlankgeturnte Gefährtin im hohen Bogen in einen ausgerechnet mit Torten gefüllten Lieferwagen saust und den dann in Sekundenschnelle leert.
Ein immens wichtiger Schrotthaufen
Alles stimmt an dieser Serie, die Figuren, die Hintergründe, die kapriziös eckigen Bewegungen der Schafe, die Details. Und nichts davon ist Selbstzweck, nichts soll die brillante Technik der Urheber demonstrieren (wer für ebendiese Technik schon einige Oscars eingeheimst hat, so scheint es, der hat es nicht nötig, für die Galerie zu spielen), keine Einstellung, die nicht im Dienst der Sache stünde: Die traurigen Augen der Schafsdame, die eines Morgens nicht mehr durch die Stalltür kommt, gehen einem noch lange nach, die lässigen Denunziationen der Hauskatze ebenso, und auch der für die Handlung immens wichtige Schrotthaufen auf dem Hofgelände, aus dem sich das erfinderische Schaf gern bedient, ist so wuchtig geraten, dass es eine helle Freude ist.
Schwer zu sagen, wer die Sendetermine von „Shaun“ genauer im Kopf behalten wird, die Kinder oder ihre Eltern. Verpassen aber mag man keine Folge. Und vielleicht gibt es das Ganze ja mal auf DVD.
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