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Krebshilfe - Krebsselbsthilfe - Psychologie heute:(Mai 98): Kann man Krebs doch wirksam vorbeugen - und heilen?
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Psychologie heute: Kann man Krebs doch wirksam vorbeugen - und heilen?

In der Ausgabe Mai 1998 der medizinischen Fachzeitschrift 'Psychologie heute' werden mit Blick auf das Gesamtumfeld der Psychoonkologie die psychologischen Einflüsse bei Krebskranken diskutiert. Allein in den USA wurden in den letzten 20 Jahren mehr als 25 Milliarden Dollar in die Krebsforschung investiert. Nicht ganz ohne Erfolg, meint der Autor. Einige Krebsarten hätten durch radiologische, chemotherapeutische oder chirurgische Verfahren gute Heilungschancen. Auch in der molekulargenetischen Forschung sei man ein gutes Stück weiter gekommen. Weiterhin hätten die Erkenntnisse der Psychoneuroimmunologie den Zusammenhang zwischen Immunsystem und seelischen, körperlichen und psychosozialen Einflüssen erwiesen. Vor dem Hintergrund der Kompexität der beteiligten Prozesse, sei es wichtig, einen besonderen Schwerpunkt auf die systemische Psychosomatik zu legen. Für das Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Psyche und Körper sei der Begriff "Synergetik" wesentlich. Während "Synergetik" ein "Zusammenwirken" bezeichnete, sei "Synergie" nicht nur ein addieren, sondern auch potenzieren der relevanten Faktoren.

Zweiter essentieller Schlüsselbegriff der systematischen Psychoonkologie ist die Selbstregulation - auch "Selbstorganisation" und "Autopoiese". Aus systemischer Sicht könne Heilung immer nur Selbstheilung im Sinne von Deblockierung der Selbstregulation sein. Was für die Synergetik von Risikofaktoren gelte, stimme auch für die förderlichen oder "salutogenen" Heilfaktoren. Auch bei Ihnen könne es zu einer potenzierten Wirkung kommen. So beruhten Spontanremessionen auf psychisch salutogenen Aspekten wie "Überlebenswillen, Orientierung an Lust und Wohlergehen, Sinnfindung in nahen Beziehungen und einer sich mit Lebensfreude und Lebenszuversicht verbindenden, oft auch religiös fundierten Gelassenheit." - meint Huber (Redaktion).

Im Rahmen der Heidelberger Krebsstudien sei die Rolle der Selbstregulation und salutogener Faktoren bei Krebs ausführlich untersucht worden. Bei eingeschränkter Selbstregulation falle die Mortalität bei krebskranken Männer und Frauen gleich aus. Jedoch bei optimaler Selbstregulation, falle die Überlebensrate bei beiden Kontrollgruppen deutlich höher aus.

Kern der Heidelberger Krebsstudien ist die sogenannte Krebspersönlichkeit. Danach lassen sich Menschen in bestimmte Typen einordnen (s. Tabelle). Typ 1 sei deutlich anfäller für Krebs als Typ IV, der die höchste Überlebensrate aufweise.

Um derartige Verhaltensweisen und Einstellungen vorzubeugen, versucht die prospektive Interventionsstrategie, fehlende Verhaltensweisen zu trainieren.Grossarth-Marticek untersuchte in einem Versuchsprojekt den Einfluß unterschiedlicher Interventionsmaßnahmen auf die Krebspersönlichkeit. Zwei Kontrollgruppen mit gleicher Risikoanfälligkeit wurden unterschiedlichen Behandlungsmethoden ausgesetzt. Eine Kontrollgruppe erhielt, falls notwenig, konventionelle medizinische Behandlung, die andere Kontrollgruppe wurde mit unterschiedlichen Interventionsmaßnahmen konfrontiert: Ernährungsberatung, Raucherentwöhnung, Multivitamingaben, etc. Als die wirksamste Interventionsmaßnahme stellte sich das "Autonomietraining" heraus. Dabei sollte Selbstregulation soweit wie möglich "trainiert" werden. Es zeigte sich, daß man durch ein gezieltes "Autonomietraining", die Krebserkrankung in vielen Fallen eindämmen konnte. Das "Autonomietraining" zeigte deutlich höhere Wirksamkeit als andere Interventionsmaßnahmen. Die Heidelberger prospektiven Studien belegen, daß durch "Autonomietraining" die Überlebenschance bei Krebs sich um ein Vielfaches erhöhte:

Das "Autonomie"-Training zielte lediglich darauf ab, die Lernfähigkeit im psychisch-sozialen Bereich zu "trainieren". Dabei ginge mam von den gleichen Prinzipien aus wie die der systemischen Therapien. Die systematische Psychoonkologie sehe das Krebsleiden und eine blockierte Selbstheilung (wie Typ I) als Ausdruck und Folge einer geschwächten Selbstregulation. Einzel- und systemische Therapien gäben einen "Tiefenblick" in die seelischen und beziehungsbezogenen Faktoren, die bei einer Krebserkrankung beteiligt sein könnten. Im wesentlichen unterscheide man zwei problematische Szenarien:

  1. Beim ersten Szenarium mangele es generell an Beziehungen, die die Basis für einen zwischenmenschlichen Austausch und damit eine gelingende Selbstregulation überhaupt bewirken könnten. Ein Teil dieser Gruppe neige aus Ersatzbefriedigung zu extrem selbstschädigendem Verhalten.
  2. Beim zweiten Szenarium komme zu einer sich verstrickend auswirkenden und häufig mit Hemmung einhergehenden Bindung. Aufgrund dieser Verstrickung werde oftmals das Wissen einer gesundheitsbewußten Lebensweise nicht in die Praxis umgesetzt.

In den Therapien des Heidelberger Teams werden Auswege aus diesen Zwickmühlen gefunden. Vor allem lerne man darauf zu achten, was einem wirklich guttue. Durch dieses Training könne es in vielen Fällen sehr schnell zu einem sprunghaften Wandel kommen, einem "discontinuous change". Durch den Anstoß eines Elements in einem komplex vernetzten Systems veränderten sich auch alle anderen Elemente. Konsequenz: "Aus einem negativen Zirkel und Teufelskreis kann so ein positiver, selbstheilender Prozeß entstehen." - berichtet Huber.

 

Psychologie heute: "Wir können mehr gegen Krebs tun, als man annnimmt"

Helm Stierlin, Jahrgang 1926, war von 1974 bos 1991 Ärztlicher Direktor der Abteilung für Psychoanalytische Grundlagenforschung und Familientherapie der Universität Heidelberg; mehrere Professuren und Gastdozenturen an amerikanischen Universitäten sowie in Australien und Neuseeland. Er ist einer der Gründungsväter der Familien- und systemischen Therapie im deutschsprachigen Raum; Gründer der Zeitschrift "Familiendynamik"; sein bisherisges Lebenserk umfaßt fast 200 wissenschaftliche Arbeiten, seine 12 Bücher würden in 10 Sprachen übersetzt.

In der Ausgabe Mai 1998 berichtet 'Psychologie heute' über ein Gespräch mit Helm Stierlin, daß Andreas Hube mi Frühjahr 1998 mit dem Wissenschaftler geführt hatte. Stierlin äußert sich über die Durchbrüche in der Psychoonkologie und die Heidelberger Krebsstudien. Obwohl Stierlin die Kritik an der sogenannten Krebspersönlichkiet teile, hält er an den beiden Verhaltenstypen - Typ I und Typ IV - fest. Typ I sei gekennzeichnet durch einen Zustand des "Sich-nicht-Wohlfühlens voller Hoffnungslosigkeit". Das Hauptmißverständnis liege darin, den Begriff der Krebspersönlichkeit als "naturgegeben" und "unveränderbar" zu verstehen. Verhaltensmuster könnten verändert werden und daduch das persönlichkeitsbestimmende schöpferische, gesunde Potential eines Menschen wieder ins Leben gerufen werden. Mal solle daher nicht von "Krebspersönlichkeit", sondern von einer "Krebsmentalität" sprechen.

Ein wesentlichen Problem, daß Krebspatienten belaste, sei die Schuldfrage. In das Konzept der Krebspersönlichkeit paßt die Annahme, daß man den Krebs aufgrund eines bestimmten persönlichen Wesensmerkmals selbst verursacht habe. Die Belastung mit dieser Schuld könne sich sehr "destruktiv" auswirken. " Krebspatienten sollen sich also nicht von ihrer Persönlichkeit befreien, sondern von der krankmachenden Schuldlast. Das einzige, für das sie sinnvoll Verantwortung übernehmen können, ist, sich zukünftig um ihr Wohlbefinden zu kümmern, so gut es geht." - folgert Stierlin.

Auf die Frage von Huber, wie er zu den Angriffen an seinem Koautor und Datenlieferant Grossarth-Marticek stehe, meint Stierlin, daß die Studien seines Kollegen zwar umstritten seien, aber die Begutachtung 300 Fachwissenschaftlern bestanden hätten. Hans-Jürgen Eysencks beurteilt die Arbeit sehr positiv: "Die prospektiven Studien von Grossarth-Maticek und seinen Mitarbeitern zählen zu den am besten kontrollierten und überprüften in der Welt." Stierlin wirft ein, daß die tiefsitzenden Grundannahmen der Studien die Grundannahmen der Wissenschaft ins Wanken brächten. Stierlin spricht von "einer Revolution im Umgang mit Gesundheit und Krankheit", da dem psychologischen Foktor eine niedagewesene zentrale Bedeutung zugewisen würde. Im Sinne der Krebskranken hoffte, daß die Etablierung des Konzepts der prospektiven Studien trotzt des Gegenwind schnell voranschreite. Jeder sollte die Freiheit haben, seine (gesundheitliche) Situation zu verändern. Jede noch so verzwickte "Zwickmühle" könne therapeutisch schnell aufgelöst werden und damit Gesundungsprozesse und neue Lebensenergien freigesetzt werden. Ärzte und Therapeuten müßten sich im Sinne der Heidelberger Studien weiterbilden, da "auch für das Gesundheitswesen geben sich weitreichende Folgen, da immense Behandlungskosen eingespart werden könnten." - so Stierlin.

Das "Autonomietraining", daß innerhalb der Heidelberger Studien zur Veränderung der Verhaltensmuster eingesetzt würde, sei eine "flexibel gehandhabte Kurztherapie", die "durch verschiedene therapeutische Techniken, Anstöße zur Verhaltensänderung" vermittelte und "ganz auf die individuelle Bedürfnis- und Ressourcenlage" zugeschnitten sei. Das Training in Form von Einzelgesprächen und/oder Einzelsitzungen sei "zukunfts-, lösungs- und ressourenorientiert. Ziel sei, eine Eigeninitiative einzuleiten und dem Patienten auf Dauer Wohlbefinden zu verschaffen. Denn: "Wohlbefinden läßt sich gleichsam als Motor, Ausdruck und Folge einer gelingenden Selbstregulation verstehen." - so Stierlin. Eine Blockierung des Sich-zum-Ausdruckbringens bewirke eine Grundgefühl des Unwohlsein. Folge: ein Zustand stiller Verzweiflung, nach dem amerikanischen Therapeut Le Shan die "bottle-up"-Energie, die Menschen krank mache. Durch eine verbesserte Selbstregulation blühte das Individuum auf und verfüge über beste Heilungschancen.

Grossarth-Maticeks Studien seien trotz psychoonkologischer Ausrichtung in einem systemischen Blickwinkel zu betrachten. Die Studien basierten auf dem Konzept der "Selbstorganisation und Selbstregulation, die in unserem Jahrhundert die biologischen Wissenschaften und in den letzten Jahren die systemische Therapie revolutioniert haben" - argumentiert Stierlin. Die prospektiven Studien seien "systemisch" ausgerichtet, da man der Bedeutung der "Synergie - eine potenzierendes, systemisches Zusammenwirken von Risikofaktoren" und auch dem Kausalverständis eines "rückgekoppelten, "vernetzten" Prozesses" einen hohen Stellenwert zuweise und in die Studien integriere. Nach Stierlin sei "systemisch (...) eine existentielle, lebensweltlich orientierte Dimension, da es darauf ankommt, Wohlbefinden als Ausdruck und Folge der Selbstregulation zu sehen." Wohlbefinden in Stierlins Sinne beschränke sich nicht allein auf "puren Hedonismus", sondern bringe auch etwas "Sinnvolles in die Welt". Je mehr Lebensfreude man ausstrahle, desto mehr würden andere Menschen dazu übergehen sich aus "Ichzentriertheit und Selbstabschottung" zu befreien.

Beim Gesundungsprozeß des Krebskranken solle die Familie nicht überbewertet werden. Der familiäre Rückhalt sei wichtig, jedoch hänge Heilung davon ab, wie aktiv der Krebskranke versucht, Konflikte in den jeweiligen Beziehungssystemen zu lösen. Stierlin mißt einem gesunden Konfliktmangement sehr große Bedeutung zu: "Konflikte gehören zum Prozeß einer gesunden Entwicklung, die ich als bezogene Individuation beschrieben und erforscht habe. Systemisch orientierte Therapeuten und Berater können bei solch heilendem Konfliktmanagement eine große Hilfe sein."

Kernfrage bei der Suche einer Therapieform sollte sein: "Wieweit helfen mir diese Personen, damit ich meine Selbstregulation und mein Wohlbefinden tatsächlich fördern kann?"

 

 

Synergetik Institut
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Zuletzt aktualisiert am: 05-Jun-2006 2:13
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