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Deutsche Biographie - Joël, Curt
The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20160311004141/http://www.deutsche-biographie.de/sfz37343.html
Name
Joël, Curt
Namensvarianten
Joel, Walter Curt; Joel, Walter Kurt
Lebensdaten
1865 bis 1945
Geburtsort
Greiffenberg (Schlesien)
Sterbeort
Berlin
Beruf/Lebensstellung
Jurist
Konfession
evangelisch
Autor NDB
Otto Riese
Autor ADB
-
GND
118557661

Joël, Curt

Jurist, * 18.1.1865 Greiffenberg (Schlesien), 15.4.1945 Berlin. (evangelisch)

  • Genealogie

    V Hermann (1827–80), Justizrat, Rechtsanwalt u. Notar in G., später in Bromberg, S d. Überseekaufm. Saul Joachim (isr.) in Danzig u. d. Hedwig Lewitz; M Else (1843–90), T d. Großkaufm. Salomon Pollack (isr.) u. d. Maria Bucca; Stief-V (seit 1883) Dr med. Theodor Römpler, Sanitätsrat, Gründer u. Chefarzt e. familieneigenen Sanatoriums Görbersdorf Kr. Waldenburg Schlesien; B Eugen (1863–1911), Dr. med., seit 1902 Chefarzt d. Sanatoriums Görbersdorf, Arthur (* 1866), Tuchgroßhändler u. -fabr. in New York, Walter (1867–1947), Finanzgerichtspräs.; Vt Otto (1856–1916), Gründer u. Präs. d. Banca Commerciale; - Breslau 1899 Vally (1880–1968), T d. Arthur v. Dreßler (1834–99), Geh. Oberjustizrat, Oberstaatsanwalt in Breslau, u. d. Margarethe Baarth; 1 S, 1 T, u. a. Günther (* 1899), Min.dir. im Bundesjustizmin.

  • Leben

    J. studierte die Rechte in Jena, Freiburg i. Br.im Breisgau und Berlin. Seit 1899 Staatsanwalt bei Landgerichten in Hannover und Berlin, 1903-06|beim Kammergericht, 1906-08 als Hilfsarbeiter bei der Reichsanwaltschaft in Leipzig, wurde er 1908 als Geh. Regierungsrat und Vortragender Rat in das Reichsjustizamt berufen. – Zu Kriegsbeginn 1914 wurde J. als Landwehroffizier zum Stellvertretenden Generalstab (Abt. Spionageabwehr) in Berlin kommandiert. Anfang 1915-Nov. 1917 war er als Hauptmann Abteilungschef im Generalgouvernement Belgien und Leiter der Zentralpolizeistelle; zugleich war er dem Generalstab unterstellt und mit der Spionageabwehr betraut. Mit äußerster Energie kämpfte er, wenn auch vergeblich, gegen die Vollstreckung des kriegsgerichtlichen Todesurteils an der engl. Patriotin Edith Cavell. Im Okt. 1917 zum Direktor im Reichsjustizamt und anschließend zum stellvertretenden Preuß. Bundesratsbevollmächtigten berufen, nahm J. Anfang 1918 die Arbeiten an der Strafrechtsreform wieder auf, an der er bereits 1908 am Vorentwurf, seit 1911 in der Großen Strafrechtskommission beteiligt war, und erstellte mit 3 Mitverfassern den Entwurf 1919.

    Seit Anfang 1920 Unterstaatssekretär, seit 1.4.1920 Staatssekretär im Reichsjustizministerium, stand J. 11 Reichsjustizministern und 15 Kabinetten höchst sachkundig und loyal zur Seite. Mehrfach selbst mit Wahrnehmung der Ministergeschäfte beauftragt, genoß er das volle Vertrauen aller Reichskanzler von Wirth und Müller bis Luther und Brüning und aller Justizminister von Landsberg und Radbruch bis Heinze und Hergt, also von Männern der SPD bis zu den Konservativen, und ebenso genoß er in hohem Maße das Vertrauen beider Reichspräsidenten. Eine lebenslange Freundschaft entstand mit Radbruch, ein enges Vertrauensverhältnis zu Brüning, unter den Parlamentariern zu Gf. Westarp und zu Wilh. Kahl. J., der nie einer Partei angehörte, verkörperte den besten Typ des alten Beamtentums. Vornehm, verantwortungsbewußt, unbestechlich im Urteil und mit staatsmännischem Weitblick, fachlich hervorragend begabt und ein unermüdlicher Arbeiter, diente er, niemals opportunistisch schwankend, dem Recht und dem Rechtsstaatsgedanken. Im Kaiserreich beruflich groß geworden, stellte er sich der Weimarer Republik loyal zur Verfügung, aufgeschlossen für alle sich neu stellenden Fragen. Während des Kapp-Putsches (1920) veranlaßte er das Zusammentreten der Unterstaatssekretäre und überbrachte mit Franz Schröder (Reichsfinanzministerium) Kapp deren einstimmiges Treuebekenntnis zur verfassungsmäßigen Reichsregierung. Den Reichspräsidenten Ebert suchte er nach dem Magdeburger Urteil über dessen angeblichen Landesverrat auf und versicherte ihm die Fehlsamkeit dieses Urteilsspruchs.

    In der Personalpolitik ließ J. ausschließlich die charakterliche Zuverlässigkeit und das fachliche Können gelten. Diesen Grundsatz vertrat er gegenüber jedem Minister. So gelang es ihm, während seiner ganzen Amtszeit das Justizministerium von parteipolitischen Einflüssen freizuhalten. Solange das Ministerium unter seiner Leitung stand, genoß es daher allgemein, insbesondere bei den Reichsressorts, den Länderregierungen, im Reichsrat und im Reichstag hohes Ansehen.

    Im Okt. 1931 vermochte J., der das Ministeramt seit 1930 bereits auftragsweise geführt hatte, sich aus Pflichtgefühl nicht mehr dem dringenden Appell Brünings zu entziehen, in dessen 2. Kabinett nun auch die volle politische Verantwortung mitzuübernehmen, und wurde zum Reichsjustizminister ernannt. Mit dem Kabinett Brüning trat er am 2.6.1932 zurück und lehnte den ihm angetragenen Eintritt in das Kabinett Papen ab, weil er der von ihm mitgetragenen Politik Brünings treubleiben und insbesondere nicht das von ihm mitunterzeichnete Verbot der SA und SS mit v. Papen wieder aufheben wollte.

    Die Strafrechtsreform förderte er seit 1924 weiter bis zu zahlreichen Ausschußberatungen im Reichstag, an dessen Auflösung 1930 sie schließlich scheiterte. Dagegen gelang es ihm 1925, das hartumstrittene Aufwertungsgesetz durchzubringen, das unter Lösung vieler neuartiger Fragen die verlorene Rechtssicherheit auf dem Gebiet des Kreditwesens wiederherstellte. – Welche Schwierigkeiten die Durchsetzung der Notverordnungen auslöste, mit denen zu regieren das Kabinett Brüning sich genötigt sah, wird aus J.s Reichstagsrede vom 11.5.32 deutlich; sie zeigt zugleich, wie er sich für die Wahrung von Recht und Verfassung einsetzte und die Rechtssprechung des Staatsgerichtshofs gegen politische Angriffe verteidigte.

    • Literatur

      L. Ebermayer, 50 J. Dienst am Recht, 1930, S. 72 ff., 84 f., 220 f.;  W. Kahl, Zum 65. Geb.tag d. Staatssekr. Dr. J., in: Dt. Juristenztg. 35, 1930;  G. Radbruch, Des Reichsjustizmin. Ruhm u. Ende, in: Juristenztg. 1948, Sp. 57 ff.;  ders., Der innere Weg, 21961, S. 106 ff., 115;  ders., Briefe, hrsg. v. E. Wolf, 1968 (enthält zahlreich Briefe Radbruchs an Joël sowie Joël erwähnende Briefe an Dritte, unter anderem, und andere an Th. Dehler von 22.9.1949), S. 253 f.;  ders., Rechtsphilos., 1970, hrsg. v. E. Wolf;  L. Gf. Schwerin v. Krosigk, Es geschah in Dtld., 31952,|S. 321;  F. Meinecke, Die dt. Katastrophe, 61965, S. 99;  G. R. Treviranus, Das Ende v. Weimar, Brüning u. s. Zeit, 1968, S. 136 (Auszüge, a. briefl. Würdigung durch Brüning zu, zum, zur 100. Geburtstag v C. Joël), 302, 334;  H. Brüning, Memoiren 1918–34, 1970;  Rhdb.

    • Portraits

      Ölgem. v. O. Arndts (durch Bombeneinwirkung zerstört), Zweit-Original (in Fam.-bes.);  Phot., 1931 (Bonn, Sitzungssaal d. Bundesjustizmin.).

  • Autor

    Otto Riese
  • Empfohlene Zitierweise

    Riese, Otto, "Joël, Curt" in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 456-458 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118557661.html
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Joël, Curt

Joël, Curt