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Das Weihnachtshochwasser des Rheins 1993
Hydrometeorologische Situation
Der November 1993 war niederschlagsarm, lediglich in den höheren Lagen der Mittelgebirge bildete sich eine geringe Schneedecke. Auch in der ersten Dezemberwoche fiel nur unergiebiger Niederschlag. Vom 8.-24. Dezember bestimmte die Großwetterlage "zyklonale Westlage" das Wettergeschehen. Bis zum 18. Dezember brachten der rasche Durchzug mehrerer atlantischer Tiefdruckgebiete (am 9. Dezember schwerer Sturm mit Orkanböen) und spätere Randtiefs häufige Niederschläge, teilweise auch Starkregen. Am Ende dieser ersten, mit Tauwetter zuende gehenden intensiven Niederschlagsperiode war in großen Teilen des Rheineinzugsgebiets mehr Niederschlag als im langjährigen Dezembermittel (1951/80) gefallen, gebietsweise auch 150-200 % dieses Wertes. Vom 18.-21. Dezember gelangte feuchtwarme Luft ins Rheingebiet, die zu einer außergewöhnlichen Temperaturerhöhung führte. Nach einem vielerorts niederschlagsfreien 18. Dezember trat am 19./20. Dezember Starkregen auf. Der meiste Niederschlag innerhalb dieser zwei Tag fiel im Hochschwarzwald (> 120 mm) sowie in den Einzugsgebieten von Neckar, Nahe und Saar, wo etwa 75% der Niederschlagssumme der ersten Regenperiode (7.-18. Dezember) zu verzeichnen waren. Insgesamt fiel im Zeitraum 7.-20. Dezember in den Einzugsgebieten von Neckar, Nahe und Mosel sowie in großen Teilen des übrigen Gebietes zwischen mittlerem Oberrhein und zentralem Mittelrhein mehr als das Doppelte des langjährigen Dezemberniederschlags. Ab dem 21./22. Dezember drang wieder kühlere Luft ins Rheingebiet. Infolge weiterer Tiefausläufer fielen auch weiterhin Niederschläge, die mit dem Wechsel der Großwetterlage zum "Trog Mitteleuropa" am 25. Dezember zunehmend in Schnee übergingen. Vom 30.12.1993-6.01.1994 war wiederum die Großwetterlage "zyklonale Westlage" wetterbestimmend. Stürmische (süd-)westliche Strömungen führten polare, maritime und mediterane Luftmassen heran, deren Wechsel verbreitet zu Niederschlag führte, insbesondere in den nordöstlichen Einzugsgebieten des Rheins. Die niederschlagsreiche Witterung hielt bis zum 7. Januar 1994 an. [1][4][6]
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Abb. 1: Durchflüsse (Tagesmittelwerte: 01.12.1993 - 31.01.1994) an ausgewählten Pegeln im Rheingebiet
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Ablauf des Hochwassers
Die Niederschläge in der ersten Dezemberhälfte 1993 bewirkten eine Wassersättigung des Bodens, sodass der nachfolgende Regen unmittelbar abflusswirksam wurde. Eine nennenswerte Hochwasserwelle entwickelte sich im Rhein jedoch erst ab dem Zufluss des Neckars, der ein bedeutendes Hochwasser führte und am Pegel Rockenau seinen Scheitelwasserstand am 22. Dezember erreichte (Abb. 1). Während der Main kein extremes Hochwasser führte, wurde die Flutwelle des Rheins durch die Nahe außergewöhnlich verstärkt, sodass ab Bingen ein extremes Rhein-Hochwasser auftrat. Der höchste Durchfluss am Pegel Kaub datiert auf den 23. Dezember. An diesem Tag erreichte auch die untere Lahn ihren beträchtlichen, historisch aber nicht herausragenden Hochwasserscheitel. In der Mosel entwickelte sich eine außerordentlich hohe Flutwelle, am Pegel Cochem wurde der höchste Durchfluss des Jahrhunderts registriert. Da sich dieser Scheitel ebenfalls am 23. Dezember mit dem Rhein vereinigte, pflanzte sich ab Koblenz eine der größten bisher bekannten Hochwasserwellen des Rheins fort. Der Scheitel dieser Welle durchlief noch am 23. Dezember Andernach, erreichte am 24. Dezember Köln, wo die Hochwasserschutzwand der Altstadt ca. 70 Std. überflutet wurde, und am Folgetag Rees und Emmerich. Der zum Jahreswechsel und Jahresbeginn 1994 fallende Niederschlag führte zu einer weiteren, weitaus weniger bedeutsamen Hochwasserwelle des Rheins, deren Scheitel am Mittel- und Niederrhein in der ersten Hälfte der zweiten Januarwoche auftrat (Abb. 1). [2][4][5]
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Abb. 2: Rhein-Hochwasser in Koblenz, Deutsches Eck, Dezember 1993 (Foto: D. Lippert, BfG)
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Schadensbilanz
Das Weihnachtshochwasser im Rheingebiet verursachte mehrere Todesopfer. [3][8]
Die Überschwemmungen erforderten in vielen Städten Evakuierungen. In Baden-Württemberg (Neckargebiet), Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen entstanden hohe Gebäudeschäden. In Koblenz wurde fast ein Viertel der bebauten Stadtfläche überflutet, 10.000 Einwohner und ca. 4000 Häuser waren dort unmittelbar vom Hochwasser betroffen (Abb. 3). In Nordrhein-Westfalen war die Zahl der geschädigten Haushalte vor allem in Königswinter, Bonn und insbesondere in Köln beträchtlich. In Köln hatten über 4500 Haushalte direkte Hochwasserschäden und weitere 9000 Haushalte Schäden durch angestiegenes Grundwasser zu beklagen. [3]
Der Schaden an den Bundesschifffahrtsstraßen wurde auf ca. 12 Millionen DM beziffert. Die Schifffahrt musste hochwasserbedingt auf Neckar und Saar je 9 Tage, auf der Mosel 12 Tage und auf dem Rhein von Koblenz bis zur niederländischen Grenze 7 Tage vollständig eingestellt werden. Die dadurch entgangenen Transporterlöse wurden auf über 50 Millionen DM geschätzt. [4]
Insgesamt entstand im Rheingebiet ein Schaden von ca. 1 Milliarde DM. [3][8]
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Tab. 1: Fracht von Arsen und ausgewählten Schwermetallen im Rhein am 22.12.1993 im Vergleich zur mittleren Tagesfracht des Jahres 1993 - Messstation Kleve-Bimmen (nach [7])
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Stoffliche Belastung
Die Überflutungen brachten Gewässerverschmutzungen durch Öle, Müll und weiteres anthropogenes Getreibsel mit sich. Konzentration und Fracht der Schwebstoffe waren stark erhöht. An den Messstellen Weißenthurm (unterhalb der Moselmündung) und Emmerich transportierte der Rhein im Zeitraum 12.12.1993 - 12.01.1994 fast 70% des langjährigen Mittels der Schwebstoffjahresfracht. Unter anderem durch Erosion von Ackerboden stieg der organische Anteil der Schwebstoffe, der im Regelfall nicht mehr als 10 % erreicht, im Dezember 1993 auf 15-20 %. [4][5]
Infolge des erheblich erhöhten Schwebstofftransports stiegt auch die Fracht an Schwermetallen während des auflaufenden Hochwassers stark an. Wie Analysen des Rheinwassers an der Messstation Kleve-Bimmen im deutsch-niederländischen Grenzbereich vom 22. Dezember 1993 zeigen, erreichte die Fracht von einigen Schwermetallen und Arsen an diesem Tag das 6- bis 9-fache der mittleren Tagesfracht im Jahr 1993 (Tab. 1).
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