Baugeschichte
Das Münster in Ulm ist ein evangelisches Gotteshaus und gehört mit dem höchsten Kirchturm der Welt zu den spätgotischen Großkirchen der europäischen Architektur.
Im Jahr 1377 hatten die Bürger der Reichsstadt Ulm mit der Errichtung des Münsters auf der höchsten Stelle der historischen Stadt begonnen. Erst im Jahr 1890 sollte diese Großkirche mit dem höchsten Kirchturm der Welt fertig gestellt sein. Die beiden Chortürme waren bereits zehn Jahre zuvor vollendet worden.
Baumeister Ulrich von Ensingen (1392-1417), der auch den Hauptturm des Münsters plante und die unteren Partien baute, schloss den mittelalterlichen Bauabschnitt der Chortürme mit ihren bis dahin errichteten fünf Geschossen in einer Höhe von etwa 32 m vorläufig ab, bevor er 1399 einer Berufung nach Straßburg folgte.
Von 1534 bis 1844 waren die Bauaktivitäten eingestellt. Das Münster war bereits mit Gewölben und mit Dächern versehen, doch fehlten noch die Oktogonhallen und Turmhelme auf den beiden Chortürmen und ebenso auf dem Hauptturm. Dieser reichte bereits mit seiner Viereckgalerie in eine Höhe von 70 m hinauf.
Mit der Vollendung des Münsters im neogotischen Stil wurde im Jahr 1844 begonnen. Zunächst entstand das Strebewerk über dem südlichen und nördlichen Seitenschiff des Münsters. Die beiden Chortürme mit ca. 86 m Höhe hat man an der Nahtstelle zwischen Chor und Seitenschiffen im Jahr 1880 vollendet und seit 1890 hat das Münster mit dem 161,53 m aufwärts strebenden Hauptturm den höchsten Kirchturm der Welt. Das Erscheinungsbild des Ulmer Münsters wird durch den Hauptturm geprägt und ist das Wahrzeichen der Stadt Ulm.
Baumeister Ludwig Scheu (1871-1880) nahm die Errichtung der beiden Chortürme 1873/74 wieder auf, nachdem die Fundamente ausreichend stabilisiert worden waren. Zunächst galt es, den südlichen Chorturm und danach den nördlichen zu errichten. Es gibt keine mittelalterlichen Pläne zu den beiden Chortürmen, aus denen hervorginge wie die Gestaltung der Türme geplant war. Auch anhand der erhaltenen mittelalterlichen Pläne vom Hauptturm konnte dies nicht erschlossen werden. So basiert der Bau der beiden Chortürme auf einer neuen Planung unter Baumeister Ludwig Scheu.
Beim Beginn der Arbeiten am Viereck des südlichen Chorturms 1875 hatte Baumeister Ludwig Scheu Schwierigkeiten, an die mittelalterliche Bauweise anzuknüpfen. Die Nahtstellen zeigen sich besonders deutlich am südlichen Chorturm, denn offensichtlich konnte das Steinmetzhandwerk des 19. Jahrhunderts nicht gleich an den verloren gegangenen Ausführungsstil seiner mittelalterlichen Zunft anknüpfen. So wurden kleinteilige Werkstücke hergestellt und verbaut. Die Verwendung von unterschiedlichen Natursteinsorten als Baumaterial verleiht den Chortürmen ihr besonderes Erscheinungsbild.
Für die statisch konstruktiven Teile des Turms hat man den härteren Schlaitdorfer-Sandstein eingesetzt, der im Raum um Tübingen vorkommt. Der wesentlich weichere Savonnières-Kalkstein, der nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 als Reparationsleistung an das Ulmer Münster geliefert wurde, kommt bei den statisch nicht beanspruchten Brüstungen an der Vierecks- und Oktogongalerie wie auch bei den Maßwerken im Turmhelm vor.
Mit dem Aufsetzen der Kreuzblume in 86 m Höhe im Oktober 1877 war der südliche Chorturm fertig gestellt. Das Ziel, den Turm zum 500jährigen Jubiläum bereits im Juni 1877 vollendet zu haben, wurde um wenige Monate verfehlt.