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Euronews entlässt Hälfte der Belegschaft

Sender flüchtet nach Brüssel :
Beim Sender Euronews geht das Licht aus

Von Jürg Altwegg, Genf
Lesezeit: 3 Min.
Am Ufer der Saône, im Stadtteil La Confluence in Lyon, liegt das Domizil von Euronews. Der Sender macht vor allem durch Besitzerwechsel von sich reden.
Der Sender Euronews entlässt die Hälfte seiner Mitarbeiter, verkauft die schicke Sendezentrale in Lyon und zieht nach Brüssel. Warum? Weil es dort Subventionen von der EU gibt.

Der Nachrichtensender Euronews feiert 30. Geburtstag. „Wir wollen uns als Champion der europäischen Information bestätigen“, sagt Chefredakteur Guillaume Dubois. Er war nach dem umstrittenen Besitzerwechsel im vergangenen Sommer eingesetzt worden und zuvor beim französischen Newssender LCI sowie als Chefredakteur von „L’Express“ tätig. Monatelang hatte er geschwiegen. Angesichts der anhaltenden Sparmaßnahmen und ungehaltenen Versprechungen trat die Redaktion in Ausstand.

Es gibt nichts zu feiern, die Leute werden gefeuert

Zu feiern gibt es nichts. Im Gegenteil: die schlimmsten Befürchtungen werden übertroffen. 198 Entlassungen sind im Gang, weitere geplant – die Hälfte der Angestellten wird freigestellt. Dreißig verschiedene Sprachen werden im emblematischen „Würfel“ in Lyon, in dem Euronews bisher beheimatet war, gesprochen, 15 Redakteure sind russische Muttersprachler. Das Gebäude wird verkauft, die Redaktion abgewickelt – von über 400 Stellen bleiben in Lyon bestenfalls 142. 2016 gab es hier noch 800 festangestellte Mitarbeiter.

Euronews war zur Einführung des Europäischen Binnenmarkts gegründet worden. Nach der Wiedervereinigung hatte eine euphorische Aufbruchstimmung den Kontinent ergriffen. Europa schickte sich an, den Osten zu erschließen und eine gemeinsame Währung einzuführen. Es sollte einen weltweit empfangbaren Sender nach dem Vorbild von CNN bekommen. Der Betrieb wurde 1993 in fünf Sprachen aufgenommen: Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Deutsch. Deutschland allerdings begegnete dem Unterfangen mit Skepsis und beteiligte sich nicht. Es gab damals bereits Arte.

Immer neue Defizite

Eine Aktiengesellschaft mit staatlichen Mitinhabern, wie sie Euronews anfänglich als Unternehmensform hatte, ist schwerfällig und von vielen Interessen abhängig. Die EU, die den Sender finanziell unterstützt, pochte auf private Beteiligungen und nahm sie zum Vorwand von Kürzungen bei den Subventionen. Nie hat Euronews das Ansehen und die Qualität von CNN oder BBC World erreicht. Vor einem Jahrzehnt wurde die „Stimme Europas“ vom ägyptischen Telekom- und Tourismusunternehmer Naguib Sawiris übernommen. Zu aufgelaufenen Schulden kamen jährlich neue Defizite. 2022 belief sich der Verlust auf 22 Millionen Euro. Im vergangenen Sommer verkaufte Sawiris den Sender an die portugiesische Investment-Gesellschaft Alpac Capital.

Stieg 2015 bei Euronews ein, inzwischen gab er den Sender ab: der ägyptische Unternehmer Naguib Sawiris
Stieg 2015 bei Euronews ein, inzwischen gab er den Sender ab: der ägyptische Unternehmer Naguib SawirisBloomberg

Sie wird von den Söhnen eines ehemaligen Fußballtrainers und des früheren Europa-Abgeordneten Mario David betrieben. Nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament war David als Berater von Viktor Orbán tätig. Ein ehemaliger Außenminister Ungarns verwaltete einen von Alpac aufgelegten Fonds zur Finanzierung regionaler Projekte. Orbán hat jegliche Beteiligung am Deal dementiert. Die neuen Eigentümer kündigten eine „pro-europäische und Nato-freundliche Linie“ an.

Seine politische Glaubwürdigkeit hat Euronews indes längst verspielt. Russland gehörte mit einem Anteil von 1,5 Prozent zu seinen Minderheitsaktionären. Als letzter westlicher Nachrichtensender war Euronews bis Ende März 2022 in Russland empfangbar. Wegen „Verbreitung von Fake News“ wurde der Sender verboten. Nach dem Beginn des Kriegs im Donbass hatte ihn die Ukraine aus ihrem Territorium verbannt. Sehr schnell stellte Euronews die Sendungen in ukrainischer Sprache ein.

Problematisch ist die Abhängigkeit vom Geld der Golfstaaten. Über diese laufen bei Euronews stundenlang Ländersendungen – eigentlich Werbespots. Von dieser Unsitte kann Euronews nicht lassen. Chefredakteur Dubois kündigte an, die Magazine würden verstärkt ausgelagert.

Nach dem Kahlschlag in Lyon will Dubois in Brüssel eine Zentrale mit 70 Journalisten aufbauen und die Redaktionen in den einzelnen Ländern verstärken. Euronews soll zum „verita­blen europäischen Medium“ werden und über die „europäischen Institutionen“ berichten. Das könnte ein sehr vielversprechendes Projekt sein – gerade jetzt, da Krieg herrscht. Euronews ist in 160 Ländern zu empfangen. Doch hinter der Korrektur einer Fehlkonstruktion steckt kein europäischer Enthusiasmus. Sondern in erster Linie die Absicht, wieder mehr Geld von der EU und den nach wie vor beteiligten Ländern zu bekommen. 2013 gab es 42 Millionen an Subventionen, für 2024 sind nur noch dreizehn zugesagt. Ein kritisches Medium war Euronews noch nie. Die EU könnte versucht sein, den Sender als PR-Instanz in eigener Sache am Leben zu erhalten. Das Geld dafür hat sie – und ihr Medienverständnis lässt es befürchten.