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Digitalgipfel: Bitte Update einspielen

Der Digitalgipfel benötigt dringend ein Update. Ein weiter so wie zu Merkels Zeiten stellt niemanden zufrieden. Ein Kommentar von Falk Steiner.

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(Bild: Photon photo/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Falk Steiner
Inhaltsverzeichnis

Es war sein erster Digitalgipfel als Kanzler, doch Olaf Scholz verkörperte am Freitag in gewisser Weise den Stand der Digitalpolitik und des Digitalgipfels zugleich: Fast schon mürrisch kam er zum Gespräch mit Estlands Premierministerin Kaja Kallas zur regierungseigenen Veranstaltung. Scholz' Auftritt war so mitreißend wie der gesamte Digitalgipfel: von Zeitenwende keine Spur – alles so wie zu Merkel-Zeiten, nur mit noch weniger Unterhaltsamkeit.

Ein Kommentar von Falk Steiner

Falk Steiner ist Journalist in Berlin. Er ist als Autor für heise online, Tageszeitungen, Fachnewsletter sowie Magazine tätig und berichtet unter anderem über die Digitalpolitik im Bund und der EU.

Die Digitalisierung muss schneller werden, vorangehen, es muss mehr getan werden, jetzt aber wirklich. Und warum soll es diesmal funktionieren? "Weil wir es wollen", sagt Digitalminister Volker Wissing, ansonsten drohten in den kommenden Zeiten massive Probleme. Die entscheidende Frage sei: "Wie machen wir es?"

Ein Jahr in der Legislaturperiode sollten auch darauf Antworten möglich sein. Doch die Eckpunkte zur Datenstrategie, die eigentlich zum Gipfel fertig sein und verkündet werden sollten, fielen dann doch erstmal aus. Weil man sich in der Bundesregierung wieder einmal nicht einig werden konnte.

Ein weiterer Teil des Problems: Die politischen Akteure arbeiten sich zwar zunehmend ein, das ist anzuerkennen. Aber ist das wirklich ausreichend, ist nach einem Jahr Einarbeitungszeit die Frage nach dem Wie noch mehr als eine Ausrede? Dass weite Teile des Kabinetts spätestens seit Februar intensiv mit der Ukraine-Krise beschäftigt waren stimmt. Aber seit 20 Jahren gab es immer wieder mehr oder minder gute Gründe, warum am Ende die Digital- oder Netzpolitik dann doch nur die dritte Geige spielen durfte. Und das Ergebnis ist bekannt.

"Wenn es einen Digitalgipfel gibt, wo es nix zu kritisieren gibt und nix mehr zu mosern, dann können wir es auch sein lassen", sagt Vize-Kanzler Habeck, mit dem Verweis darauf, dass der Prozess ja niemals abgeschlossen sei. Es gehe um die Haltung: "Mit einer mauligen Haltung, das hat alles nicht geklappt, und wir sind wieder das digitale Loch, was wir nicht sind, oder sieht man, welche Dynamik dann da ist." Er sei zuversichtlich, aber auch beim nächsten Digitalgipfel solle man nicht zufrieden sein, sagt der Wirtschaftsminister.

Zufriedenheit mit dem Digitalgipfel, das wäre tatsächlich unangebracht. Der erste Digitalgipfel der Ampelregierung knüpfte fast nahtlos an das Tal der Tränen an, das der frühere IT-Gipfel schon immer bildete, seit er 2006 erstmals ausgerichtet wurde. Und natürlich müssen sich die Ampelkoalitionäre fragen, was sie aus den Fehlern des Formats gelernt haben. Der Digitalgipfel hat große Fehler, die die Bundesregierung schleunigst beheben sollte: Dass sich zivilgesellschaftliche Vertreter beschwerten, sie seien viel zu wenig eingebunden, teils nicht einmal eingeladen worden, ist berechtigte Kritik. Denn wenn Digitalpolitik tatsächlich die gesamte Gesellschaft mitnehmen soll, dann hilft es nichts, die Abkürzung zu nehmen und das als IT-Gipfel von IT-Wirtschaft und Regierung durchzuführen. Dann müssen viel mehr Stimmen an den Tisch. So sollten auch die Datenschutzaufsichtsbehörden über Data Spaces mitdiskutieren und dass man nur in wenigen Programmpunkten überhaupt die europäische Dimension berücksichtigt hatte, ist angesichts der Aufgabenteilung natürlich unangemessen.

Selbst wenn das die Diskussionen verkompliziert und das Happy-Fortschritt-Feeling stört, mit Ministern, die verständlicherweise Erfolgsmeldungen und eigene Projekte verkünden wollen. Digitalisierung ist nicht nur super, sie ist auch eine Zumutung, mit Risiken, Problemen und Lösungswegen.

Das ernst zu nehmen, würde aber auch bedeuten, den gesamten Prozess rund um die Veranstaltung zu verändern. Denn bislang gibt es Arbeitsgruppen, Plattformen genannt, die unterjährig arbeiten und dabei auch den Digitalgipfel vorbereiten. Die Mitarbeiter stammen von den Ministerien sowie Interessenvertretern und im besten Fall kann man sie als intransparent bezeichnen; die Vorsitzenden sind öffentlich bekannt, nicht aber die Mitglieder. Kritiker würden sie eher als Kuschelgruppen von Interessenvertretern und Ministerien bezeichnen, die auf Leuchttürme hinarbeiten sollen, die dann auch die Minister zieren.

Nur ist das eben nicht die Realität der Digitalisierung. Es ist kompliziert. Wenn Volker Wissing zurecht darauf hinweist, welche Erleichterungen etwa mit digitaler Verwaltung für Menschen mit körperlichen Einschränkungen einhergehen, dann hat er damit recht. Aber wo waren die Betroffenen oder deren Vertreter beim Digitalgipfel-Programm?

Der Gipfel steht nach wie vor in der Tradition eines höchst korporatistischen Politikverständnisses, in dem Politik und große Unternehmen und Verbände gemeinsam in eine Richtung laufen. Das müsste gar nicht per se schlecht sein, solange es die Politik ist, die die Richtung und die Regeln vorgibt und inklusiv zustande kommt. Dafür wäre aber ein breites Spektrum an Meinungen und Perspektiven Voraussetzung. Das schafft der Digitalgipfel bislang nicht – eindeutig erkennbar am Bühnenprogramm und der dominanten Rolle des Bitkom.

Dass gerade kleinere zivilgesellschaftliche Organisationen für umfangreiche Arbeitsprozesse gar nicht über die Ressourcen verfügen, die Unternehmen und Verbände aufbringen können, ist ebenfalls kein neues Problem. Doch auch das ist für eine Bundesregierung grundsätzlich lösbar. Im Koalitionsvertrag von 2021 steht: "Wir werden das digitale Ehrenamt sichtbarer machen, unterstützen und rechtlich stärken. Die Zivilgesellschaft binden wir besser in digitalpolitische Vorhaben ein und unterstützen sie" und so weiter. All das hat im ersten Jahr Ampel aber nicht stattgefunden.

Und genau das ist das fatale Signal dieses Digitalgipfels: Wenn die Bundesregierung es noch nicht einmal schafft, ein Veranstaltungsformat maßgeblich zu ändern und auf angeblich neue Zeiten auszurichten, wie soll sie dann die realen Probleme der Digitalisierung besser lösen als ihre Vorgängerregierungen? So gern man dem demonstrativen Optimismus mit grummeligem Antlitz in Form von Scholz, Wissings und Habecks Auftritten folgen wollen würde: Vom Willen dazu war bislang wenig zu sehen, das Wie blieb unbeantwortet. Nein, zufrieden kann man damit nicht sein. Und deshalb muss man zu dieser Form eines Digitalgipfels eine Dritte W-Frage stellen: Warum?

(bme)