laut.de-Biographie
Desmond Dekker
Bis zu seinem Tod am 25. Mai 2006 gehört Desmond Dekker zu den beliebtesten und obendrein agilsten Ska- und Reggae-Veteranen der Liveszene. Sein unerwarteter Tod durch einen Herzinfarkt unterbricht jäh die unbeugsame Auftrittswut des Entertainers. Viele Jahre lang musste Dekker schließlich nach seinen großen Erfolgen in den 60ern an der Seite des Rampenlichts ausharren, bis ihm Anfang der 90er ein neues Publikum zu dem Ruhm verhalf, den er sich mit seinen unzähligen Hits verdiente.
Desmond Dekker kommt am 16. Juli 1941 unter dem Namen Desmond Adolphus Dacres in der jamaikanischen Hauptstadt Kingston zur Welt. Obwohl er früh seine Leidenschaft zur Musik entdeckt, soll er ein gescheites Handwerk erlernen und dies lautet aus Mangel an Alternativen: Schweißer. In der Werkstatt trifft er auch einen gewissen Bob Marley an, der Legende nach ist es aber Dekker, der den ganzen Stall mit seinen Sangeskünsten bei Laune hält.
1961 macht sich Dekker auf den Weg zum Studio One des angesagten Platten-Produzenten Clement Coxsone Dodd, bei dem gerade Prince Buster reüssiert. Dodd zeigt sich allerdings wenig angetan, so dass Dekker kurzerhand dessen Erzrivalen Duke Reid bei Treasure Isle besucht, der zum Ärger des 20-Jährigen aber auch nicht mit den Scheinen wedelt. Zum Glück ist mit Leslie Kong noch ein dritter Studiobesitzer im Geschäft, der Dekker nach massiven Überredungskünsten seines Künstlers Derrick Morgan ("Moon Hop") für sein Beverley's-Label unter Vertrag nimmt. Trotzdem sollte es aufgrund von Kongs hohen Ansprüchen noch zwei Jahre andauern, bis Dekkers Debütsingle "Honour Your Father And Mother" das Sonenlicht der drittgrößten Karibikinsel erblickt.
Der Song erscheint wie auch die folgenden "Sinners Come Home" und "Labour For Learning" noch unter seinem Geburtsnamen Dacres. Als er sich für Dekker entscheidet, purzeln prompt die Hits: "King Of Ska", aufgenommen mit der Backingband The Cherrypies (die später als The Maytals Erfolge feiern), entwickelt sich zu einem frühen Dekker-Klassiker. Kurz darauf formiert er mit Wilson James und Easton Barrington Howard seine Backingband The Aces, mit denen er über 20 Nummer 1-Platzierungen einspielt. Darunter auch sein wohl größter Hit "Israelites" von 1968, das es als erstes Reggae-Stück an die Spitze der englischen Charts schafft (D: Platz eins, USA: neun) und fünf Millionen Kopien absetzt.
Textlich schlägt Dekkers "Israelites" erstmals explizit politische Töne an, nachdem er zuvor, dem Unterhaltungsanspruch der Zeit Folge leistend, zumeist religiöse und moralische Themen verarbeitet. Der im jamaikanischen Englisch-Dialekt Patois vorgetragene Song gilt bis heute als Hymne der Befreiung für unterdrückte Völker. Die Israeliten stehen bei Dekker metaphorisch für das auserwählte Volk der Schwarzen, die auf Jamaika ihre eigene Leidensgeschichte unter der Knechtschaft der kolonialistischen Sklaventreiber ertragen müssen. Dekker singt von einem Mann, der von Frau und Kind verlassen wird, da er nicht mehr für sie sorgen kann. Somit muss er sich mit Diebstählen über Wasser halten und befürchtet nun, einmal so zu enden wie Bonnie und Clyde.
Ein rauher Stoff, der sich hervorragend als Blaupause eignet für die harten Jungs von den Straßen Kingstons, den Rude Boys, zu deren Hymne sich "Israelites" ebenso rasant entwickelt. Etwas langsamer im Tempo als die frühen Ska-Rhythmen, ist der Song ein Klassiker des Rocksteady-Genres, das von Mitte 1966 bis etwa Mitte 1968 seine Hochzeit hat. Bereits 1967 setzt Dekker den rauflustigen Ghettokids mit "007 (Shanty Town)" ein musikalisches Denkmal, was ihn nebenbei auch bei den englischen Mods unsterblich machen sollte. Den Hunger nach derlei Pöbelsongs stillt Dekker weiter mit "Rude Boy Train" und "Rudie Got Soul".
Ende der 60er Jahre ist Dekker auf dem Zenit seiner Karriere angelangt und siedelt wie vor ihm bereits Laurel Aitken nach England über. Er erhält die Auszeichnung "Golden Trophy" für den besten Sänger Jamaikas zwischen 1963 und 1969 gleich fünf Mal. Der Song "It Mek" stützt seinen Erfolg und erreicht die Top 10 in Deutschland und England. 1972 sorgt er noch einmal für Furore mit der Coverversion des Jimmy Cliff-Songs "You Can Get It If You Really Want" aus dem erfolgreichen Film "The Harder They Come". Anschließend verblasst der Stern des Pioniers, während Bob Marley als Galionsfigur des Reggae zum weltweiten Superstar aufsteigt. Damit einher geht der unerwartete Tod von Dekkers engem Vertrauten und musikalischen Partner Leslie Kong, der, wie später Dekker selbst, an einem Herzinfarkt stirbt.
1975 schafft der Sänger nach einigen Anläufen mit "Sing A Little Song" mal wieder einen Single-Hit. Anschließend erscheinen seine Platten fast nur noch auf Jamaika. Als 1977 das 2 Tone-Fieber um die englischen Ska-Bands Specials, Madness und Selecter ausbricht, gibt das Punklabel Stiff dem Oldie eine neue Chance. Sein '80er Album "Black & Dekker", eine Kollektion alter Hits in neuen Rockversionen, findet allerdings keine Käufer. Ein Jahr darauf erscheint "Compass Point". Diesmal präsentiert Dekker neue Songs, die Robert Palmer produziert, denen aber das gleiche Schicksal beschieden ist.
Dem künstlerischen Tiefpunkt folgt der kommerzielle: 1984 muss sich Dekker bankrott erklären. Drei Jahre später erscheint mit "Official Live & Rare" der Mitschnitt eines Londoner Livekonzerts. Plattenfirmen zeigen dennoch kaum Interesse an Dekker. Erst als die Firma Maxell den Song "Israelites" 1990 in einer Kassettenwerbung (harr) verwendet, kommt der Jamaikaner zu neuen Ehren. Im Livesektor längst wieder ein gefragter Mann, veröffentlicht Desmond Dekker 1993 gemeinsam mit vier Mitgliedern der Specials-Originalbesetzung das Album "King of Kings".
Es folgen das Studioalbum "Moving Out" (1996) und unzählige Compilations mit seinen frühen Glanzleistungen. In der Universität Leeds absolviert Desmond Dekker am 11. Mai 2006 seinen letzten Auftritt. Zwei Wochen später stirbt er in seinem Haus in Surrey, England an einem Herzinfarkt. Nach Angaben seines Managers habe es keine Anzeichen für den plötzlichen Tod gegeben.
Zum dreizehnten Todestag und im Rahmen der 50-Jahr-Feier des Labels Trojan tauchen im Frühjahr 2019 elf schön abgemischte Aufnahmen aus dem Jahre 1973 auf, die zuvor nie veröffentlicht waren. "Pretty Africa" umfasst neben Reggae-, Rocksteady- und Ska-Titeln eine lockere, gelungene Coverversion des Paul Simon-Songs "Was A Sunny Day".
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