laut.de-Biographie
Kraftklub
Dem Anti-Intellektualismus im deutschen Pop wird 2010 ein neues Fohlen geworfen: Kraftklub aus der Sachsenstadt Chemnitz (die die fünf Bandmitglieder immer noch lieber Karl-Marx-Stadt nennen – "die hässlichste Stadt der Welt") gewinnen beim öffentlich-rechtlichen Nachwuchswettbewerb New Music Award den Pokal. Was sie mit den 10.000 Euro Preisgeld vorhaben? "Equipment kaufen und 'ne Biermaschine". Womit bereits einiges über die Herkunft die Anfangzwanziger gesagt ist.
Ort der Bandwerdung ist tatsächlich ein Fitnessstudio. Aus adoleszenter Verzweiflung über mangelnde Attraktivität beim anderen Geschlecht gehen Felix (Rap), Karl (Gitarre/Gesang), Till (Bass), Steffen (Gitarre) und Max (Drummer) ins örtliche McFit – Muskeln müssen her, um sich in der Diskothek gegen konkurrierende Hools durchsetzen zu können.
"Dann haben wir für unsere Atzen im Fitnesscenter bisschen Musik gemacht. Damit die was zum Pumpen haben", erklärt Band-Sprachrohr und HipHop-Zögling Felix. Er, der früher als Bernd Bass in Chemnitz erste Erfahrungen als MC gesammelt hatte, stößt zwischen Hanteln und Laufbändern auf die Mitglieder der Schülerrockband Neonblocks (seit 2006). Als Tribut an den Initiationsort sowie in Negation des allgegenwärtigen Denglisch nennt man sich Kraftklub.
Zugleich werden mögliche Ressentiments gegen eine womöglich rechtsideologische Konnotation einfach nonchalant vom Tisch gewischt: "Politik ist fürn Arsch", antwortet Felix im Mixery Raw Deluxe-Interview lakonisch auf die Frage nach phonetisch ähnlich klingenden Formationen aus dem rechten Spektrum wie Störkraft, Kraftschlag oder Kraftgewitter.
Ganz im Gegenteil uniformieren sich die fünf Musiker nebst DJ auf der Bühne auch noch. In Polohemden, Collegejacken und Hornbrillen treten sie auch beim New Music Award auf (Sieger 2008 waren Bonaparte). Die Live-Performance des Rock-Rap-Crossovers, den Kraftklub selbstironisch-neologistisch "Randie Pop" nennen, zieht das Publikum schnell auf ihre Seite und sichert den Sieg.
Als wirklich neu entpuppt sich der musikalische Ansatz ihrer ersten EP "Adonis Maximus" allerdings nicht. Was die Chemnitzer als Mixtur aus Indierock und Sprechgesang bezeichnen, klingt auf dem 2010er Release dann doch eher nach bodenständiger Proberaumschreinerei mit Ehrerbietungen an die Hives hinten und einem K.I.Z.-Fan als MC vorne. Oder anders: Audiolith-Acts wie Frittenbude oder Electrorap-Stars wie Deichkind bleiben hier immer in Hörweite.
So ergehen sich Kraftklub in Songs wie "Scheissindiedisko" in tumbem Fäkalhumor ("In der Indiedisco riecht's nach Scheißhaus, und alle stehen nur rum"), der den prototypischen Indierocker am Beispiel der Killers zum Feindbild verfemt. Die implizite Selbstironie – schließlich bezeichnet das Band-Backup von Rapper Felix seinen Sound als Indierock – wirkt dabei ein wenig steifhüftig und bleibt hinter den Provokationen der HipHop-Punkidole K.I.Z. zurück.
Aber damit scheinen Kraftklub vorerst zufrieden. Ihr erdig-dreckiger Pubrock wuchert mit eingängigen Akkordfolgen, ihre Lyrics kommen rotzig-atzig-frontal, und letztendlich möchte man ja vor allem eines: in die BRAVO, auf die Bühne, die Leute zum Tanzen bringen und hinterher vielleicht doch mal ein Mädchen abschleppen. Dass die Formel aufgeht, beweisen Splash- und Rock am Ring-Auftritte und Touren mit Beatsteaks, Fettes Brot und Casper ebenso wie ein Signing beim Stuttgarter HipHop-Label Chimperator (Maeckes, Plan B, Kaas) und, seit Anfang 2011, bei der Universal-Alternative-Rock-Abteilung Vertigo.
Ach ja, bis zu Stefan Raabs Bundesvision Song Contest 2011 (neben Juli und Jennifer Rostock) hat das Sextett es ebenfalls geschafft. Der Traum vom Rock'n'Roll-Leben braucht anscheinend immer noch kein Abitur – auch wenn Frontmann Bernd die Hochschulreife in der Tasche hat und weiß: "Wenn ich anfangen will zu studieren, dann kann ich das später immer noch machen. Dann kann ich BWL studieren und in die Wirtschaft gehen. Aber ich würde mich ärgern, wenn ich es nie versucht hätte." Er spricht ein großes Wort gelassen aus: "Mit K" geht im Januar 2012 auf eins in Deutschland.
Mit dem Nachfolger lässt man sich angemessen Zeit. Von nichts kommt nichts. Dafür kommen Kraftklub im Frühjahr 2014 aus dem Nichts: Und zwar über den Maskenband-Gag In Schwarz, der nichts anderes im Schilde führt, als das zweite Studioalbum anzukündigen, das denselben Namen trägt und im September 2014 erscheint.
Nach der Live-Scheibe "Randale Live" ist das 2017 erscheinende Album "Keine Nacht für Niemand" das vorerst letzte lautere Lebenszeichen der Band. In der Folge macht zunächst Felix Brummer unter seinem echten Nachnamen Kummer einige Schlagzeilen. Dann treten auch noch die blonden Schwestern der Kummer-Brüder auf den Plan.
Die Band kommt erst während der Pandemie wieder zusammen, um an neuer Musik zu arbeiten. 2022 erscheint "Ein Song reicht", der das neue Album "Kargo" ankündigt. Endlich ist auch konzerttechnisch wieder Licht am Ende des Tunnels und so kündigt die Band ihre Albumtour für November/Dezember an. Das Mitte 2020 beschlossene "Wiedervereinigung 2"-Konzert mit Casper und K.I.Z. in Berlins Zitadelle Spandau, von der sämtliche Ticket-Erlöse komplett an die Crews der beteiligten Bands gehen sollen, findet mit zweijähriger Verspätung am 28. Mai 2022 statt und ist sofort ausverkauft.
2 Kommentare mit 2 Antworten
Frage: meintet Ihr da oben eventuell Stahlgewitter? Kraftgewitter finde ich nämlcih nirgends.
Selten eine so voreingenommene "neutrale" Beschreibung mit so hart aus dem Kontext gerissenen Zitaten gelesen... Ihr seid auf der ersten Seite von Google wenn man Kraftklub sucht, lasst sowas doch nicht den Azubi machen!
Unvoreingenommen sieht anders aus.
Äh und was soll das Rumgepöbel gegen Azubis? Bisschen mehr Anstand bidde.