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Yves Tumor – laut.de – Band

Porträt

laut.de-Biographie

Yves Tumor

"I just want to make sure people are not getting lazy". Nein, langweilig wird es mit Yves Tumor ganz sicher nicht. Das beginnt schon bei der Herausforderung, einen Rastlosen zu beschreiben, der sich der ständigen Veränderung und Innovation verschrieben hat. Einen Avantgardisten und Nach vorne-Denker, der sich jeder Kategorisierung verwehrt, der nicht in Genres oder Strukturen arbeitet, sondern alle (musikalischen) Mittel heiligt, die zur eigenen Erzählung dienen. Die Spurensuche ist mühselig.

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Und sie führt fast ausschließlich über die Musik. Interviews oder andere relevante Informationen abseits der Musik reduziert Tumor bewusst gen Null - er will weder sich noch seine Kunst erklären. Nicht einmal über seinen bürgerlichen Namen, der wohl Sean Bowie lautet, gibt es definitive Klarheit. Nur so viel gilt als gesichert: Geboren in Miami, aufgewachsen in Knoxville, Stationen in Los Angeles' experimenteller Szene und später in verschiedenen Kreativzentren Europas (u.a. Leipzig, Berlin, Turin).

Angefangen in den Zehnerjahren kreiert Tumor zahlreiche Pseudonyme wie Bekelé Berhanu, Shanti oder TEAMS, unter denen er progressive und teils radikale Noise- und Ambient-Mixtapes veröffentlicht. Eine Vielschichtigkeit, die sich wenig später unter dem A.k.a. Yves Tumor bündelt. Auf der erfolglosen Suche nach einer geeigneten Plattform veröffentlicht er im Frühjahr 2016 zunächst das Quasi-Debüt "When Man Fails You" kurzerhand selbst. Darauf zu finden ist unter anderem "Limerence", ein frühes und extrem filigranes Schlüsselwerk in Tumors Karriere.

Es ist auch die Zeit, in der Tumor im Berliner Technountergrund verkehrt. Er spielt auf den Labelnights von PAN Records im Berghain körperbetonte und energetische Live-Performances und provoziert Moshpits, die auf derartigen Veranstaltungen gewiss nicht zum Tagesgeschäft gehören. Tumor nutzt die Gunst der Stunde und releast im Herbst 2016 über PAN sein gemeinhin als Debüt wahrgenommenes Album "Serpent Music" (das heute leider nicht mehr auf Streamingplattformen zu finden ist). Es strotzt vor Innovationskraft und Radikalität. Sobald man sich an eine Struktur oder einen Rhythmus klammert, bricht Tumor umgehend damit. Zwischen Ambient und Field Recordings finden sich Versatzstücke aus Industrial, Trip Hop und Soul, "The Feeling When You Walk Away" ist nicht weniger als ein astreiner Pop-Song. Auf dem Cover liegt Tumor mit geschlossenen Augen in einem Sarg.

Das Album findet genre- und spartenübergreifend Beachtung. Tumor spielt daraufhin beispielsweise ein denkwürdiges Liveset bei einer Runway-Show von Hood By Air in Los Angeles, auch andere zeitgeistige Modemarken wie Acne Studios verwenden seine Musik für den Laufsteg. Ohnehin spielt Mode eine entscheidende Rolle in der Gesamtästhetik des Künstlers. Er kleidet sich betont androgyn und expressionistisch, benutzt Perücke und Make-Up und kokettiert gezielt mit weiblicher Sexualität. Wer allerdings Assoziationen zum André 3000 der frühen 2000er knüpft, verkennt den queeren Anspruch, den Tumor unausgesprochen erfüllt.

2017 folgt der nächste Meilenstein. Yves Tumor signt bei der britischen Independent-Instanz Warp Records. Wie zum Protest veröffentlicht er etwa zeitgleich zur Verkündung des Signings sein drittes Album "Experiencing The Deposit Of Faith" über seine eigenen Kanäle als Free-Download. Das Werk lässt sich in der Nachbetrachtung als Abschluss seiner Frühphase einordnen. Fast ohne Vocals wirkt der soulige Ambient des Albums wie der versöhnliche Abschied an die alten Tagen. Eine größere Zeit steht unmittelbar bevor.

Was darauf folgt, mag sich (zunächst) nach dem typischen Majorlabel-Einmaleins anhören. Yves Tumor öffnet seine Kunst für weitere, meist zugänglichere Einflüsse. Die Konsequenz: Auf dem Folgealbum mit dem erneut wunderbaren Titel "Safe In The Hands Of Love" singt, croont oder spricht Tumor mal mit natürlicher, mal mit verzerrter Stimme auf vielen der Songs. Insbesondere die Leadsingle "Noid" ließ Fans der ersten Stunde aufhorchen. Einer der experimentierfreudigsten Produzenten veröffentlicht plötzlich einen makellosen Pop-Rock-Song. Unterdessen gräbt Tumor inhaltlich tiefer denn je: "They call it a sickness / PTSD, depression / Safe in the hands of love / That’s where I feel the pressure of / 911, 911, 911 / Can't trust 'em".

Im Gesamtkontext hat die komplexe Platte trotzdem wenig mit den üblichen Maßstäben von Zugänglichkeit gemein. Tumor vermengt Alternative Rock-Elemente mit Drone und Industrial, R'n'B mit Breakbeats und Dream Pop. Nur, um in nächsten Moment wieder eine unberechenbare Wendung zu nehmen, die den Hörer konsequent fordert und überrascht. Das Album hinterlässt Kritiker wie Fans nachhaltig begeistert.

Tumors Werke sind also nicht nur musikalische Grenzgänge, sondern auch explizit politisch und clever. Im April 2020 erscheint mit "Heaven To A Tortured Mind" der zweite Longplayer auf Warp Records. Tumor wagt darauf einmal mehr den Schritt zur großen Geste - vergisst dabei aber nicht, unzählige stilistische Fährten zu legen und sich großzügig in der Musikgeschichte zu bedienen. Der Opener trägt den programmatischen Titel "Gospel For A New Century" und öffnet mit Hip Hop-Drums und gewaltigen Bläsern, bevor schwere Riffs einsetzen. Im dazugehörigen Video, das an die Ästhetik von Arca "Mutant" erinnert, kommentiert ein Nutzer treffend: "This is what would happen if Prince was into Marilyn Manson aesthetics".

Die Weiterentwicklung von Tumor geht atemlos weiter, auf "Praise A Lord Who Chews But Which Does Not Consume (Or Simply, Hot Between Worlds)", veröffentlicht im März 2023, haben es ihm Wave, Rock und sogar etwas Grunge angetan. Das sitzt nicht alles immer, man wünschte sich aber mehr solcher Künstler, die die Musik als Tuschekasten begreifen, an dem sie sich frei bedienen.

Es ist Aufgabe des Hörers, all diese Fäden und Referenzen zusammenzuführen. Yves Tumor hat sich derweil bereits in jungen Jahren einen festen Platz in vorderster Reihe musikalischer Avantgardisten erspielt.

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Surftipps

  • Resident Advisor

    Gigs und Club-Auftritte.

    https://www.residentadvisor.net/dj/yvestumor
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    Infos zur und neben der Musik.

    https://www.instagram.com/yvestumor/?hl=de
  • Warp Records

    Artistpage auf der Seite des ikonischen Indie-Labels.

    https://warp.net/artists/91433-yves-tumor

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