Eine »übliche« Wirtschaftskrise zeichnete sich schon 2019 ab. Doch Corona und Krieg in der Ukraine taten ein Übriges. Jetzt wackeln auch noch die Banken. Thomas Walter zum Stand der Dinge
Seit dem Corona-Jahr 2020 steigen in Deutschland und anderen Ländern die Preise. Die Rohstoffpreise stiegen ziemlich genau ab April 2020. Dies geschah zuerst wegen der Corona-Pandemie, die weltweit zu Produktionsausfällen führte und die Zulieferung behinderte. Im März 2021 havarierte das Containerschiff »Ever Given« im Suezkanal und blockierte diesen tagelang. Allein dieser Zwischenfall führte weltweit zu monatelangen Staus auf den Häfen der Welt. Zuvor hatte dieses Schiff schon 2019 ein anderes Schiff im Hamburger Hafen gerammt. Die Lieferketten sind wegen Kostengründen höchst angespannt.
Mit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine ging es weiter. Die Verknappung wichtiger Güter und die Preisschocks schwächten die Kaufkraft vor allem der Löhne. Es gibt auch Mitnahmeeffekte, wenn Unternehmen die Preise stärker erhöhen, als ihre Kosten wegen der teuren Importe gestiegen sind.
Wirtschaftliche Schwierigkeiten
Die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten zwingen Haushalte und Unternehmen dazu, ihr Geld, das sie bei den Banken haben, abzuheben. Die Banken hatten das bei ihnen angelegte Geld in Immobilien und in Unternehmens- und Staatsanleihen investiert. Doch deren Wert sinkt jetzt im Zuge der wirtschaftlichen Probleme.
So wurde die Silicon Valley Bank (SVB) im Silicon Valley, dem Tal der High-Tech-Firmen, zahlungsunfähig. Als ihre Kunden – High-Tech-Firmen des Silicon Valleys – von der Krise getroffen ihre Gelder abziehen wollten, konnte die SVB dies nicht mehr finanzieren. Zum einen waren die Anleihen im Wert gesunken, zum anderen fanden sich keine neuen Geldgeber, welche die Zahlungsunfähigkeit hätten überbrücken können.
Staat hilft
Der US-Staat eilte zu Hilfe. Die Geldeinlagen wurden in eine neue Staatsbank ausgelagert und voll vom Staat garantiert. Die Einlagensicherung rechnet wegen der Rettung mit 20 Milliarden Dollar Verlust. Dieser Betrag soll auf die Banken umgelegt werden. Auch Großbritannien schützte seine Firmen, die Konten bei der SVB hatten. Die SVB hat inzwischen Konkurs angemeldet und wird derzeit an eine andere Bank verkauft.
Die Krise hat Europa erreicht. Der Schweizer Staat organisierte eine Rettung seiner Banken per »Notrecht«. Die große UBS schluckte die vor der Pleite stehende Credit Suisse. Zur besseren Verdauung steuerte die Regierung 9 Milliarden Franken Kredit bei, weitere 100 Milliarden über die Schweizer Zentralbank (Schweizer Nationalbank, SNB) und diese selbst noch einmal 100 Milliarden Franken Kredit. Sicherheiten muss UBS für diese Kredite nicht hinterlegen. Der linke Finanzexperte Fabio de Masi schreibt: »Die Banker vom Zürcher Paradeplatz, die bei jeder Gelegenheit mehr Markt, weniger Staat und mehr Eigenverantwortung einfordern, baten die Schweizer Nationalbank einzugreifen, um ihre Kurse zu stützen.« Ähnlich schon Marx vor 150 Jahren: »Die Regierung soll für die Verluste der privaten Kapitalisten aufkommen. Diese Art von Kommunismus, bei der das Risiko ganz beim Staat liegt, scheint für die Kapitalisten recht attraktiv zu sein.« Die Gewerkschaften rechnen damit, dass bis zu 17 000 Stellen durch die Bankenfusion verloren gehen.
Zentralbanken helfen
Dass die Zentralbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinsen anheben, hilft den Banken ebenfalls. In der Eurozone erhalten Banken jetzt höhere Zinsen auf ihre Guthaben, die sie bei der EZB haben. Sie nutzen aber ihre Marktmacht. Sie geben diese höheren Zinsen nicht an die Sparer:innen weiter, sondern kassieren die Differenz als Profit. Höhere Zinsen machen auch Kredite an Haushalte, Unternehmen und Staaten teurer. Die Banken verlangen jetzt höhere Kreditzinsen, während sie die Sparer:innen weiterhin mit den niedrigen Zinsen abspeisen.
Der Staat hilft nicht nur Banken. Dem Galeria-Kaufhof-Konzern lieh der Staat während der letzten beiden Jahren 680 Millionen Euro. Das Geld ist jetzt zum großen Teil verloren.
Für eine staatliche Rettung schon zu groß
Die neue UBS hat eine Bilanzsumme, die doppelt so hoch ist wie das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz. Diese Bank ist nicht mehr »too big to fail« (zu groß für eine Pleite), sondern »too big to bail« (bail-out = retten). Sollte die UBS selbst straucheln, dann wird sie zu groß sein, um noch einmal wie 2008 vom Schweizer Staat gerettet werden zu können. Michael Hüther vom unternehmensnahen Institut iw macht sich schon Sorgen. Rechnen die Schweizer etwa damit, notfalls von der Europäischen Zentralbank gerettet zu werden?
Zu dieser Bankenzwangsehe UBS-Credit Suisse drängten wohl auch die USA. Die USA »kicked the shit out of the Swiss«, wie es hieß. Die USA fürchteten eine Rückansteckung ihrer Banken, sollte die Credit Suisse nicht rasch gerettet werden. Für die Bankenrettung ist es allerdings ein schlechtes Omen, dass die USA schon seit längerem gegen die UBS ermitteln wegen Verdachts auf Umgehung der Sanktionen gegen Russland.
Alle diese staatlichen Rettungsmaßnahmen rufen nach einer Vergesellschaftung der Banken. Das Kapital lebt natürlich gut mit Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren.
Finanzkrise
Wie immer in solchen Fällen wissen inzwischen alle Experten, welche Fehler und kriminelle Akte diese Banken begangen haben und deshalb in die Krise gerieten. Zum Ritual gehört auch das erstaunte Entsetzen, dass die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wieder völlig versagt haben. Im Neoliberalismus war die staatliche Regulierung teilweise privatisiert und an private Wirtschaftsprüfungsgesellschaften übergeben worden. Unternehmen müssen sich regelmäßig von einer solchen Gesellschaft ihrer Wahl, einer Art TÜV für Unternehmen, ein »Testat« ausstellen lassen. Der Stempel unter dem Testat der Prüfgesellschaft PwC im Falle der Credit Suisse war noch nicht trocken, da war die Credit Suisse schon pleite. »Frisch geprüft in den Abgrund« titelte dazu die FAZ. Bei der SVB hatte die Prüfgesellschaft KPMG bis zuletzt die Buchhaltung »testiert«. Weil das gar zu peinlich ist, wurde jetzt wohl die Prüfgesellschaft EY von der Aufsicht mit einer Strafe belegt, weil sie die Firma Wirecard bis in die Pleite hinein brav »testierte«.
Auch deutsche Banken wanken
Auch deutsche Banken wackeln. Seit dem Kollaps der Silicon Valley Bank und dem Beginn der Bankenkrise haben die Aktien der Deutschen Bank und der Commerzbank ein Fünftel ihres Wertes eingebüßt.
Die Krise ist nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch und psychologisch. Bundeskanzler Olaf Scholz wandelte sich zum Finanzberater und stellte der Deutschen Bank eine gute Bonität aus, als deren Aktien nach unten rauschten. Ein routinemäßiges Treffen beim Finanzministerium mit Bankenvertretern wäre fast abgesagt worden aus Angst, das könnte von den Märkten als Krisensitzung verstanden werden. Trotz Bankenkrise erhöhen die Zentralbanken weiter die Zinsen. Würden sie den Zinsanstieg zu schnell stoppen, könnte das als Panik der Zentralbanken verstanden werden.
Auf Twitter toben Psycho-Kriege. Während »Leerverkäufer« auf sinkende Aktien der Deutschen Bank wetteten und deshalb entsprechende Nachrichten twitterten, twitterten die Anhänger der Deutschen Bank nur Gutes. Durch den Kurseinbruch der Deutschen Bank haben die Leerverkäufer 100 Millionen Euro mit ihren Wetten gewonnen.
Krisendepression
Politiker:innen und Ökonom:innen beruhigen, immer mit dem Zusatz, »nach jetzigem Stand der Dinge«. Gerald Braunberger von der FAZ mahnt seine konservativen Kollegen. Diese sollten sich von der reinen Marktwirtschaft verabschieden und staatliche Bankenrettung als die neue Marktwirtschaft begreifen. Sein FAZ-Kollege Rainer Hank äußert Verständnis dafür, dass marktliberale Ökonomen Diktatoren wie Pinochet gut fanden. Er will die Demokratie »einhegen«. Vorbild ist wohl Macron in Frankreich. So soll die »Freiheit« gerettet werden.
Ausblick
Der Ausblick ist trübe. USA und Europa sind am Rand einer Rezession, einem Rückgang der wirtschaftlichen Tätigkeit. Langfristig wird sich das weltweite Wirtschaftswachstum weiter abschwächen. Der Welthandel hält kaum mehr mit der Weltproduktion mit. Bisher wuchs er stärker als die Produktion, doch die Globalisierung kommt an ihr Ende, wenn jetzt die Weltwirtschaft in feindselige imperialistische Blöcke zerfällt. Es besteht die Gefahr, dass die wirtschaftlichen Krisen noch mehr in militärische Konflikte umschlagen. Umso wichtiger ist die Gegenwehr der Arbeiter:innen, wie sie in verschiedenen Ländern zu beobachten ist.
Bildquelle: wikipedia, Ank Kumar
Schlagwörter: Bankenkrise, Europäische Zentralbank, Finanzkrise, Staat, Zentralbanken