Notarhaftung – und die Kollegialgerichtsrichtlinie
Im Bereich der Amtshaftung kann sich der Amtsträger im Regelfall auf die allgemeine Richtlinie berufen, dass einen Amtsträger in der Regel kein Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat1.
Die so genannte Kollegialgerichtsrichtlinie greift jedoch nicht ein,
- wenn das Gericht eine gesetzliche Bestimmung „handgreiflich falsch“ ausgelegt hat, ferner,
- wenn und soweit es für die Beurteilung des Falles wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen hat oder
- sich bereits in seinem rechtlichen Ausgangspunkt von einer rechtlich verfehlten Betrachtungsweise nicht hat freimachen können2.
Jedenfalls Letzteres lag in dem hier vom Bundesgerichtshof beurteilten Streitfall einer Notarhaftung vor. Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt seiner Beurteilung einer Amtspflichtverletzung des Beklagten die bereits seit langer Zeit gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den bürgerlich-rechtlichen Kriterien der Abgrenzung der privaten von der unternehmerischen Vermögensverwaltung3 übersehen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Mai 2020 – III ZR 58/19
- siehe dazu zB BGH, Urteile vom 21.02.2019 – III ZR 115/18, WM 2019, 801 Rn.20; vom 02.08.2018 – III ZR 466/16, VersR 2019, 28 Rn. 24; vom 07.09.2017 – III ZR 618/16, BGHZ 215, 344 Rn. 25; vom 06.02.1997 – III ZR 241/95, NVwZ 1997, 1243, 1245; und vom 06.02.1986 – III ZR 109/84, BGHZ 97, 97, 107; jew. mwN↩
- BGH, Urteile vom 21.02.2019; vom 02.08.2018; und vom 06.02.1997; jew. aaO↩
- siehe insbesondere bereits BGH, Urteile vom 25.04.1988 – II ZR 185/87, BGHZ 104, 205, 208; und vom 23.09.1992 – IV ZR 196/91, BGHZ 119, 252, 256↩