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Zu nett: «Spiegel»-Chefredaktor Klaus Brinkbäumer muss gehen | NZZ

Zu nett: «Spiegel»-Chefredaktor Klaus Brinkbäumer muss gehen

Deutschlands bekanntestes Nachrichtenmagazin kommt nicht zur Ruhe. Jetzt soll ein Team um Steffen Klusmann vom «Manager Magazin» den Auflagenrückgang bremsen. Es ist der vierte Wechsel an der Spitze in zehn Jahren.

Marc Felix Serrao, Berlin
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Chefwechsel beim «Spiegel» in Hamburg. (Bild: Imago)

Chefwechsel beim «Spiegel» in Hamburg. (Bild: Imago)

«Der Spiegel» bekommt einen neuen Chefredaktor: Amtsinhaber Klaus Brinkbäumer wird durch den Redaktionsleiter des «Manager Magazins», Steffen Klusmann, ersetzt. Das gab der Spiegel-Verlag an diesem Mittwoch bekannt. Der 52-jährige Klusmann soll die Redaktion demnach von 2019 an im Team leiten. Ihm zur Seite stehen künftig der Reporter Ullrich Fichtner, 53, und Barbara Hans, 37, Chefredaktorin der Online-Redaktion. Das Trio solle «die Chancen nutzen, die eine neue Zusammenarbeit von Print und Online bietet», teilte Verlagsgeschäftsführer Thomas Hass mit. In den kommenden Wochen sollen die designierten Chefs die künftige Redaktionsstruktur ausarbeiten und intern vorstellen.

Die Allzweckwaffe von Gruner + Jahr

Der Volkswirt Klusmann ist quasi eine interne Lösung. Das «Manager Magazin» gehört zur Spiegel-Gruppe. Am Heft ist auch der Hamburger Verlag Gruner + Jahr beteiligt, dem wiederum 25,5 Prozent der Anteile des «Spiegels» gehören. Man kennt sich also. Bei Gruner + Jahr gilt Klusmann als Allzweckwaffe. Das «Manager Magazin» leitet er seit knapp fünf Jahren, zuvor war er unter anderem Chefredaktor der «Financial Times Deutschland» – bis zu ihrem Ende. Nach der Erfahrung dort dürfte den Mann kaum noch etwas ins Wanken bringen.

Brinkbäumers Abgang ist indes keine Riesenüberraschung. Schon im März hatte ein Hamburger Medienjournalist gemeldet, dass man sich beim «Spiegel» Gedanken über einen Chefredaktorswechsel mache. Die Geschäftsführer der Mitarbeiter-KG, die bis heute 50,5 Prozent der Anteile des Verlags hält, sondierten den Markt nach geeigneten Kandidaten, hiess es. Der Bericht löste in der Redaktion erhebliche Unruhe aus.

Brinkbäumers Kritiker sollen dem 51-Jährigen vorgeworfen haben, dass er die Reform des Hauses nicht mit der nötigen Willensstärke betreibe. Print- und Online-Redaktionen arbeiten beim «Spiegel» zwar enger zusammen als früher, aber es sind nach wie vor getrennte Welten mit unterschiedlichen Gehaltsstrukturen und Kulturen. Dazu kommt der Rückgang der Auflage. Gedruckte Medien verlieren überall Leser, aber beim «Spiegel» ist die Entwicklung dramatisch. Im zweiten Quartal lag die harte Auflage (Einzelverkauf plus Abonnements) nur noch bei rund 530 000 Exemplaren. Das entspricht einem Minus von fast acht Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Wer braucht eine zweite «Zeit»?

Die Ursachen des Niedergangs sind vielfältig. Ein Grund könnte das schwammige Selbstbild sein. Viele Redaktoren des «Spiegels» halten ihr Heft für ein linksliberales Intellektuellenblatt, das im Zweifelsfall wie eine zweite «Zeit» daherkommen sollte: eher feminin, eher grün, eher vegan. Das allerdings steht im Widerspruch zum historisch gewachsenen Markenkern. «Der Spiegel» war, bei allem Anspruch, immer Boulevard: schnell, stark in der Recherche und im Zweifelsfall eher laut als leise. Das Heft war immer links, aber nie auf diese verträumt-verschmuste «Zeit»-Weise.

Brinkbäumer habe Eigenschaften, die einen angenehmen Kollegen, aber nicht unbedingt einen guten Chefredaktor ausmachten, hört man aus der Redaktion. Der hochgewachsene Journalist sei im Umgang nett und sanft. Daran, dass er mal gebrüllt hätte, kann sich niemand erinnern. Wohl auch aufgrund solcher Eigenschaften hat sich Brinkbäumer lange in der zweiten Reihe der Chefredaktion halten können. Er gehörte dem Leitungsgremium seit 2011 an, erst als Textchef, später als stellvertretender Chefredaktor. Aus dieser Warte sah er mehrere Vorgesetzte kommen und gehen. Auf Stefan Aust war 2008 eine Doppelspitze aus Mathias Müller von Blumencron und Georg Mascolo gefolgt; die Herren konnten sich nicht auf eine gemeinsame Print-Online-Strategie einigen und mussten beide gehen. 2013 folgte Wolfgang Büchner, der das Ganze vergeblich unter dem Titel «Spiegel 3.0» versuchte und schon im darauffolgenden Jahr entlassen wurde. Anfang 2015 stieg Brinkbäumer dann auf.

Kandidatin ohne Lobby

Der scheidende Chefredaktor war nun nicht mehr die nette Nummer zwei, sondern derjenige, der selbst unangenehme Entscheidungen fällen musste. Hierfür habe ihm die Härte gefehlt, sagt einer, der das Haus kennt. Treibende Kraft hinter Brinkbäumers Abgang sei Spiegel-Geschäftsführer Thomas Hass gewesen. Doch auch die zwei Redaktoren, die im einflussreichen fünfköpfigen Führungsgremium der Mitarbeiter-KG sitzen, hätten sich nicht für ihn eingesetzt. Brinkbäumer habe eine der beiden Personen, Susanne Amann, zwar erst kürzlich zur Co-Chefin des Wirtschaftsressorts befördert, wohl in der Hoffnung, sie für sich einzunehmen. Doch der Plan sei gescheitert. Intern soll vor allem Amann den Unwillen über den mangelnden Reformeifer des Chefredaktors artikuliert haben.

Die Frau an der Spitze der KG sei auch der Grund, weshalb eine andere Journalistin des «Spiegels» keine Chance gehabt habe aufzurücken. Christiane Hoffmann, stellvertretende Leiterin des Hauptstadtbüros, wäre von aussen betrachtet eigentlich auch eine Kandidatin für den Chefredaktorsposten gewesen. Die 51-jährige frühere «FAZ»-Korrespondentin ist in Berlin bestens vernetzt, und sie hat dem Vernehmen nach die nötige Härte. Allerdings habe sie sich stets von dem informellen Frauennetzwerk der Redaktion ferngehalten, weshalb ihr nun die Unterstützung gefehlt habe.

Was aus Klaus Brinkbäumer wird, ist offen. In der Mitteilung des Verlags heisst es, man führe mit ihm «Gespräche über eine neue Aufgabe».