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Ist Chiphersteller Nvidia dank KI-Boom die neue Jahrhundert-Aktie?

«Die Welt gehört nun Nvidia»: Wird der Chiphersteller zur Jahrhundertaktie?

Die Verheissungen der künstlichen Intelligenz sind der Katalysator der aktuellen Börsen-Hausse. Ein Ende des KI-Booms ist nicht in Sicht, wenige sehen eine Spekulationsblase. Doch es gibt andere Gefahren.

Eflamm Mordrelle 5 min
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Der Nvidia-CEO Jensen Huang zeigt einen Grace-Hopper-Superchip. Solche Prozessoren treiben in Datenzentren KI-Anwendungen an.

Der Nvidia-CEO Jensen Huang zeigt einen Grace-Hopper-Superchip. Solche Prozessoren treiben in Datenzentren KI-Anwendungen an.

Walid Berrazeg / Imago

Fällt der Name «Nvidia», gehen Anlegern die Superlative aus. Der Hersteller von Hochleistungs-Chips ist wegen des Durchbruchs der künstlichen Intelligenz das Unternehmen der Stunde – ohne Nvidia-Technik ist das Betreiben von KI-Anwendungen wie Chat-GPT nicht denkbar. Deshalb ist das Nvidia-Wertpapier gemäss Goldman Sachs die «wichtigste Aktie der Welt». Das «Wall Street Journal» schreibt: «Die Welt gehört nun Nvidia.»

Wurden die letzten Börsenjahre vom iPhone-Hersteller Apple dominiert, sehen viele das Nvidia-Wertpapier als die neue Jahrhundertaktie. Deshalb standen diese Woche die Quartalsergebnisse des Chip-Konzerns im Mittelpunkt des Interesses. «Die Aufmerksamkeit ist so gross wie bei einem Zinsentscheid der US-Notenbank», sagt Philipp Lienhardt, Aktienstratege bei Julius Bär.

Nvidia enttäuschte nicht. Die Zahlen waren herausragend und pulverisierten die hohen Markterwartungen. Im Schlussquartal hat der Tech-Konzern den Umsatz im Jahresvergleich auf 22 Milliarden Dollar verdreifacht, der Nettogewinn war achtmal so gross und erreichte mehr als 12 Milliarden Dollar.

Nvidia bewegt die Weltbörsen

Die Aktien schossen am Donnerstag mehr als 16 Prozent in die Höhe, womit sich der Wert des Chip-Konzerns schlagartig um 277 Milliarden Dollar vergrösserte – das ist der grösste je an einem Handelstag registrierte Wertzuwachs eines Unternehmens. Damit hat Nvidia nun einen Börsenwert von fast 2 Billionen Dollar erreicht und ist hinter Microsoft und Apple fast gleichauf mit Saudi Aramco das drittwertvollste Unternehmen der Welt.

In den letzten zwölf Monaten haben sich die Nvidia-Aktien um 230 Prozent verteuert. Der Kurssprung von dieser Woche verhalf aber nicht nur den US-Indizes S&P 500 und dem Nasdaq zu neuen Allzeithochs, sondern treibt die Börsen weltweit an. Auch der europäische Index Euro-Stoxx 600, der deutsche DAX und der japanische Nikkei erreichten diese Woche neue Höchststände.

Das eindrückliche Gewinnwachstum von Nvidia bestimme nicht nur die Richtung der US-Indizes, sondern habe einen grossen Einfluss auf die Stimmung an den Weltbörsen, stellt Lienhardt fest. Aber auch das sehr hohe Gewicht des Tech-Sektors in vielen Indizes macht den Aufstieg Nvidias spürbar. Im Weltindex MSCI World etwa machen Tech-Werte mehr als 30 Prozent aus.

«Was mit Nvidia und dem Sektor passiert, bewegt daher den ganzen Aktienmarkt», sagt Christian Abuide, Leiter Asset Allocation bei Lombard Odier. So hat das Unternehmen seit Jahresbeginn mehr als 700 Milliarden Dollar an Wert gewonnen und ist für ein Viertel der Avancen des S&P 500 in diesem Jahr verantwortlich, im Nasdaq für mehr als ein Drittel.

Überschwang ist gemäss Abuide dennoch nicht festzustellen. Das Aktienrally sieht er als eine «rationale Reaktion». Schon vor den Nvidia-Zahlen habe es eine breite Hausse in risikoreichen Asset-Klassen gegeben, da sich die Fundamentaldaten verbessern. Die US-Wirtschaft ist unerwartet robust. Anlagen mit KI-Bezug verstärkten diese Dynamik nur. «Nvidia ist nicht die ganze Geschichte», sagt er.

KI soll keine Spekulationsblase sein

Derzeit will niemand von einer Spekulationsblase reden. Der Nvidia-Konzernchef Jensen Huang sagt, generative KI habe einen Wendepunkt erreicht. Die Nachfrage steige weltweit in allen Unternehmen, Branchen und Ländern. Zudem habe KI einen neuen Investitionszyklus ausgelöst. Die Nachfrage nach Chips übersteige das Angebot bei weitem. Der Umsatz soll im laufenden Quartal auf 24 Milliarden Dollar weiterwachsen. Das soll auf unbestimmte Zeit so weitergehen.

Es gibt aber auch Stimmen, die davor warnen, dass eine Mischung aus Gier und Angst, etwas zu verpassen, die Investoren auf eine wahllose Jagd nach allem, was mit KI zu tun hat, geschickt hat. Parallelen zur Dotcom-Ära zur Jahrtausendwende werden gezogen, als alle Aktien, die einen Bezug zum Internet hatten, hochgejubelt wurden, um danach abzustürzen.

Doch gemäss Philipp Lienhardt hinkt der Vergleich zur Dotcom-Zeit. «Damals gab es nur Visionen, die Unternehmen machten kaum Umsatz oder Gewinn.» Nvidia sei das Gegenteil, die Firma mache riesige Umsätze und sei hochprofitabel. «Von einer Spekulationsblase kann nicht die Rede sein», sagt er. Zudem sei die Aktienbewertung angesichts des hohen Wachstums nicht exorbitant.

Für den Aktienexperten Lienhardt ist KI mehr als ein Hype. «Die ganze Welt rüstet mit KI-Technik auf, in den Datenzentren wird massiv ausgebaut», sagt er. Zudem werde die Entwicklung auch durch ein ganzes Ökosystem, in dem auch Amazon, Google oder Microsoft eine grosse Rolle spielten, vorangetrieben. Diese gehören mitunter zu den weltweit wichtigsten Anbietern von Cloud-Diensten, die essenziell für die Nutzung rechenintensiver KI-Anwendungen sind.

«Der Umzug in die öffentliche Cloud ist eine Grundvoraussetzung für die künftige Nutzung von generativer KI, da diese auf zugängliche Daten angewiesen ist», sagt Brice Prunas, Fondsmanager eines auf KI spezialisierten Fonds beim Vermögensverwalter Oddo BHF. Alle grossen Cloud-Anbieter konnten jüngst starke Anstiege ihrer Umsätze im Cloud-Geschäft verzeichnen. Das ist ein Hinweis, dass sich KI auch dank der dafür nötigen technischen Infrastruktur verbreitet.

Es überrascht nicht, dass die grossen Cloud-Anbieter die grössten Abnehmer von Nvidia-Technik sind. Das KI-relevante Geschäft für Chips für Rechenzentren hat sich bei Nvidia verfünffacht. Doch auch wenn die grossen Tech-Kunden sehr wichtig sind, wird die Kundenbasis gleichzeitig immer breiter, denn in immer mehr Branchen wird in Hardware für KI-Anwendungen investiert.

Eigene Kunden könnten Nvidias Party verderben

Ganz vom Weltgeschehen abgekoppelt sind die KI-Profiteure indes nicht. So ist der Machtkonflikt der USA mit China auch für Nvidia ein Problem, weil die US-Regierung im Herbst die Exportkontrollen für die leistungsfähigsten Server-Chips verschärft hat.

KI-Chips spielen auch im militärischen Kräftemessen der beiden Mächte eine wichtige Rolle. Die USA haben kein Interesse, ihren Vorsprung abzugeben. Der Preis der Handelsbeschränkungen für Nvidia sind signifikant geringere Einnahmen aus China. Es ist offen, ob der Verkauf von speziellen, weniger leistungsfähigen Chips nach China, die nicht unter die Beschränkungen fallen, den Trend ändern kann.

Es gibt aber auch Skeptiker, die dem ungestümen Wachstum nicht trauen, wie der Investor George Soros. Er hat bereits Ende letzten Jahres seine Nvidia-Position reduziert. Aber auch der an der Wall Street vielbeachtete Marktkommentator Ed Yardeni sieht Risiken. So könnten Kunden viel mehr Nvidia-Chips bestellen und horten, als sie wirklich brauchten. Doppelte Bestellungen mit anschliessender Stornierung seien ein wiederkehrendes Problem in der Halbleiterindustrie, schreibt er. Die Chip-Branche gilt grundsätzlich als sehr zyklisches Geschäft.

Technologisch scheint Nvidias Vorsprung derzeit zwar gesichert . Doch gemäss Lienhardt kommt das grösste technologische Risiko nicht von Konkurrenten wie AMD oder Intel, sondern dann, wenn Nvidias grösste Kunden selbst beginnen, in grosser Menge hochleistungsfähige KI-Chips herzustellen. Microsoft, Alphabet und Meta haben alle damit begonnen, ihre eigenen KI-Chips zu entwickeln, um weniger abhängig zu sein.

Auch der Erfolg an sich könnte Nvidia zum Verhängnis werden. Denn mittlerweile muss das Unternehmen die Markterwartungen sehr deutlich übertreffen, um nicht zu enttäuschen. Angesichts der hohen finanziellen Vergleichsbasis wird das immer schwieriger. Zudem dürfte sich irgendwann das rasante Wachstum normalisieren. Insofern könnte das Nvidias letztes stratosphärisch gutes Ergebnis gewesen sein. Doch das hat man schon in früheren Quartalen geglaubt.