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Michael E. Dreher: Der Gründer der Auto-Partei ist tot

Michael E. Dreher ist tot: Der Auto-Aktivist mit dem Flammenwerfer

Michael E. Dreher war einer der umstrittensten Politiker der Schweiz: schrill, angriffig und sehr weit rechts – eine Art Vorläufer der heutigen Populisten.

Marc Tribelhorn 4 min
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«Nur ein mobiles Volk ist ein freies Volk»: Michael E. Dreher im Jahr 1996.

«Nur ein mobiles Volk ist ein freies Volk»: Michael E. Dreher im Jahr 1996.

RDB / Getty

Es ist eine Schweizer Skurrilität, über die sich auch das Ausland wunderte: die Existenz der weltweit wohl einzigen Auto-Partei. Die Protesttruppe, die ab 1985 aufs politische Gaspedal drückte, kannte nur ein Thema: «Freie Fahrt für freie Bürger!», oder, wie es ihr Gründer, erster Präsident und Chefideologe Michael E. Dreher in ausgeprägtem Schaffhauser Dialekt ausdrückte: «Volle Pulle!».

Dreher, genannt «Mike», Jahrgang 1944, stolzes Mitglied der Mittelschulverbindung Scaphusia, Studien der Jurisprudenz in Zürich und der Wirtschaft an der HSG, war grossgewachsen und grosstuerisch, immer im feinen Anzug, immer hochtourig unterwegs, auch rhetorisch. Ein Porträt des bayrischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauss hing im Büro des erfolgreichen Unternehmensberaters. Und so teilte der selbsternannte Wilhelm Tell der Motorisierten («Nur ein mobiles Volk ist ein freies Volk») auch aus: gegen die «Waldsterbelüge», gegen den «Verkehrsterror» durch Tempolimiten, Abgasvorschriften, Bussen und zu wenig Parkplätze. Seine Hauptgegner waren «die Roten, Grünen und Frommen», aber auch das Establishment, mit dem er sich überworfen hatte, brachte ihn in Rage: die «bürgerlichen Weichlinge» des Freisinns. Bevor er die Autopartei als «Konsumentenschutzorganisation» ins Leben rief, hatte er in Zürich schon mit einer «Bürgeraktion» auf einen Kollisions- und Krawallkurs gesetzt: gegen die «Filzokratie», das «dekadente» Parlament und den «abgewirtschafteten» Bundesrat.

Denunziation von Feinden

Michael E. Dreher wurde mit simplen Losungen zu einem Anführer für jene, die sich vom Staat enttäuscht oder drangsaliert sahen – und war in der Rückschau eine Art Vorläufer der späteren Rechtspopulisten. Im Parteiblatt «Tacho», das er zehnmal jährlich als Chefredaktor herausgab, lancierte er aggressive Kampagnen oder veröffentlichte Listen von «Autofeinden» und animierte die Leserschaft, weitere Namen zu liefern. Der Schaffhauser schaffte 1987 im Kanton Zürich den Sprung in den Nationalrat und avancierte im Nu zu einem der umstrittensten Politiker des Landes. Die Ein-Thema-Partei war lange auch eine Ein-Mann-Partei. Mit seinem schrillen und karikaturhaften Stil erhielt Dreher viel Medienpräsenz, gerade im Fernsehen, obwohl er ständig über Journalisten ätzte und sie mitunter von Parteiveranstaltungen ausschloss.

Selbsternannter Wilhelm Tell: Nationalrat Dreher nimmt 1991 – gemeinsam mit Altbundesrätin Elisabeth Kopp und ihrem Ehemann Hans W. Kopp – an einer 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft in Bellinzona teil.

Selbsternannter Wilhelm Tell: Nationalrat Dreher nimmt 1991 – gemeinsam mit Altbundesrätin Elisabeth Kopp und ihrem Ehemann Hans W. Kopp – an einer 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft in Bellinzona teil.

Keystone

1991 war die Auto-Partei auf dem Höhepunkt angelangt. Sie zählte rund 12 000 Mitglieder und erreichte bei den eidgenössischen Wahlen einen Anteil von 5,1 Prozent und acht Nationalratssitze. In den Kantonen Aargau, Schaffhausen, Solothurn und St. Gallen kam sie sogar auf über 10 Prozent Wähleranteil. Immer mehr wurde die eigene Kampfzone ausgeweitet. Nicht mehr nur der Individualverkehr musste geschützt werden, sondern die Heimat an sich – vor rot-grünen «Umweltgangstern», «Asylschmarotzern», «Drögelern», Internationalisten und Kunstschaffenden, dieser «Saubande, die unser Land immer wieder in den Dreck zieht», wie es Dreher im Parlament formulierte (er und seine Compagnons waren es denn auch, die 1998 bei Nacht und Nebel die «Shoah»-Skulptur, die der Bildhauer Schang Hutter vor das Bundeshaus platziert hatte, wieder abtransportieren liessen).

Den grössten Skandal provozierte der Anführer der Auto-Aktivisten, als er nach einem Abendessen und – wie er später zu entschuldigen versuchte – «ein paar Gläsern Wein» eine Radikalkur gegen die Grünen und Linken empfahl: «an die Wand nageln und mit dem Flammenwerfer drüber». Da distanzierten sich sogar einige Parteifreunde, beliessen ihn aber weiter auf dem Sessel des Vorsitzenden. Generell habe die Öffentlichkeit ein falsches Bild von ihm, meinte Dreher: «Wenn mich Menschen kennenlernen, dann sagen sie mir, sie hätten gar nicht gedacht, dass ich so nett sei.»

«Blocher sahnt ab»

Die neue thematische Breite führte dazu, dass sich die Auto-Partei 1994 umtaufte, in Freiheits-Partei, nach dem Vorbild der österreichischen Freiheitlichen von Jörg Haider. Und die Namensänderung läutete auch gleich den eigenen Niedergang ein. Nicht einmal Drehers Provokation mit dem Wahlslogan «Das Boot säuft ab» (in Anlehnung an die berüchtigte Wendung «Das Boot ist voll» aus dem Zweiten Weltkrieg) änderte etwas daran. Bei den Wahlen 1995 verlor die Partei, die nunmehr als Hort von Rasern und Rassisten verschrien war, einen Sitz und später gewichtige Mitstreiter wie Ulrich Giezendanner und Roland Borer an die SVP. Die Initiative «Kampf dem Stau», die eine zweite Gotthardröhre forderte und eine sechsspurige Autobahn zwischen Zürich und Bern, scheiterte kläglich noch während der Unterschriftensammlung. Und bei den Wahlen 1999, als die Partei von sieben auf null Nationalratssitze abstürzte, war auch Michael E. Drehers Ende im Bundesparlament gekommen.

Immer für eine PR-Aktion in eigener Sache gut: Michael E. Dreher wirbt vor dem Gotthard-Südportal für die Initiative «Kampf dem Stau».

Immer für eine PR-Aktion in eigener Sache gut: Michael E. Dreher wirbt vor dem Gotthard-Südportal für die Initiative «Kampf dem Stau».

Karl Mathis / Keystone

Seine Diagnose war schon früher klar: «Wir ermüden mit zu vielen Themen, und Christoph Blocher sahnt dann ab.» Tatsächlich hatte die SVP bei ihrem Aufstieg zur straff geführten Volkspartei auch die Auto- und Ausländerpolitik der Autopartei adaptiert – und diese letztlich aufgesaugt. 2001 wechselte dann auch Michael E. Dreher in die Partei Blochers, trat aber politisch nicht mehr gross in Erscheinung. Am letzten Montag ist er 79-jährig verstorben.