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Weshalb der saudische Waffenhändler Adnan Khashoggi einst in der Schweiz verhaftet wurde | NZZ
Adnan Khashoggi – hier in einer undatierten Aufnahme – pflegte einen ausschweifenden Lebensstil. (Bild: Zuma/Imago)

Adnan Khashoggi – hier in einer undatierten Aufnahme – pflegte einen ausschweifenden Lebensstil. (Bild: Zuma/Imago)

Weshalb der saudische Waffenhändler Adnan Khashoggi einst in der Schweiz verhaftet wurde

1989 verbrachte Adnan Khashoggi, schillernder Waffenhändler, zeitweiliger Multimilliardär und umtriebiger Partylöwe, drei Monate im Bezirksgefängnis Bern. Der kürzlich in Istanbul ermordete Journalist Jamal Khashoggi war sein Neffe – ein Blick zurück.

Marcel Gyr
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Wie immer, wenn Adnan Khashoggi auf Arztvisite in Bern ist, quartiert er sich im April 1989 im Hotel Schweizerhof ein. Irgendwie bekommt die amerikanische Botschaft Wind davon, und es dauert nicht lange, bis beim Bundesamt für Polizeiwesen ein Haftbefehl aus den USA gegen den saudischen Lebemann vorliegt. Die amerikanischen Justizbehörden werfen dem damals 54-jährigen Adnan Khashoggi vor, nach dem Sturz des philippinischen Machthabers Ferdinand Marcos mitgeholfen zu haben, dessen Vermögen und das seiner Ehefrau Imelda auf illegale Weise ins Ausland zu transferieren.

Trumps Deal mit Khashoggi

Während Jahrzehnten wird der Name Adnan Khashoggi – damals noch in der Schreibweise Kashoggi – mit den Begriffen Waffenhändler, Partylöwe oder Frauenheld assoziiert. Der saudische Jetsetter gehört zum Inventar der internationalen Regenbogenpresse, erst recht, als seine erste Frau Soraya eine Scheidungsklage über 2,5 Milliarden Dollar einreicht. Schliesslich wird sie mit 950 Millionen Dollar abgefunden.

Das passt durchaus zu Khashoggis Image, das auch im Titel seiner Biografie Ausdruck findet: «The Richest Man in the World». Ob er tatsächlich der reichste Mann der Welt war, lässt sich allerdings nicht exakt verifizieren. Auf dem Höhepunkt seines Wirkens soll er ein Vermögen zwischen 2 und 4 Milliarden Dollar geäufnet sowie jährlich 120 Millionen Dollar ausgegeben haben.

Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung in Bern befindet er sich allerdings bereits auf dem absteigenden Ast. Zwei Jahre zuvor, 1987, hat Adnan Khashoggi seine legendäre Luxusjacht «Nabila» einem amerikanischen Emporkömmling namens Donald Trump verkaufen müssen. Der heutige US-Präsident brüstete sich damals, er habe den Preis von 70 Millionen auf 30 Millionen Dollar heruntergehandelt.

Als die «Nabila» noch Khashoggis Spielzeug ist, finden dort Partys statt, die zuweilen in Orgien ausgeartet sein sollen. Auf hoher See schliesst Adnan Khashoggi so manch windiges Geschäft ab. Um nationalen Regulierungen zu entgehen, steuere er das Schiff jeweils in internationale Gewässer, heisst es. Seine ursprüngliche Provision von 2 Prozent, die er für die Vermittlung von Waffengeschäften verlangt, steigert er im Laufe seiner Karriere auf 15 Prozent. Das dabei erwirtschaftete Geld parkiert er vorwiegend auf Konten in Liechtenstein und vor allem in der Schweiz, wo er in Gstaad regelmässig Ferien verbringt.

Die «Nabila» ist auch in Bern nicht gänzlich unbekannt. Wenige Jahre vor Khashoggis Verhaftung wird bekannt, dass der damalige Direktor des Tiefenauspitals regelmässig Assistenzärzte auf die Luxusjacht gesandt hat. Dafür hat er sich Honorare von mehreren hunderttausend Franken auf ein persönliches Konto überweisen lassen. Das Berner Wirtschaftsstrafgericht verurteilt den Spitaldirektor wegen Betrugs zu drei Jahren Zuchthaus.

Adnan Khashoggi mit seinem Sohn vor dem Hotel Palace in Gstaad, Ende Dezember 1976. (Bild: Bertrand Laforet / Gamma-Rapho / Getty)

Adnan Khashoggi mit seinem Sohn vor dem Hotel Palace in Gstaad, Ende Dezember 1976. (Bild: Bertrand Laforet / Gamma-Rapho / Getty)

Das Licht der Welt erblickte Adnan Khashoggi 1935 in Mekka, als ältester Sohn des Leibarztes von König Abdelaziz ibn Saud, dem Staatsgründer Saudiarabiens. Die Familie stammt ursprünglich aus der Türkei. Adnan ist der Onkel des Journalisten Jamal Khashoggi, der am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul auf grausame Weise getötet werden wird. Ebenfalls ein Neffe ist der Ägypter Dodi al-Fayed, der letzte Liebhaber von Prinzessin Diana.

Als äusserst umgänglich und belesen beschreibt der Berner Fürsprecher Ralph Zloczower Adnan Khashoggi. Zloczower, später Präsident des Schweizerischen Fussballverbandes, vertritt ihn während des Auslieferungsverfahrens der USA, das etwas mehr als drei Monate dauert.

Selbst im Bezirksgefängnis Bern lässt es sich der schillernde Waffenhändler gut gehen – jedenfalls so gut wie möglich. Als Auslieferungshäftling profitiert er von einem etwas weniger strengen Regime, als es für die anderen Gefangenen gilt. Das Mittagessen lässt er sich vom Hotel Schweizerhof in die Gefängniszelle bringen. Selbst auf einen Butler muss er nicht verzichten, der ihm täglich das Bett macht, die Zelle reinigt und für andere Handreichungen zur Verfügung steht. Auch der damalige Berner Untersuchungsrichter Alexander Tschäppät – später Nationalrat und Stadtpräsident – schaut regelmässig beim prominenten Insassen vorbei. Die beiden sollen sich gut verstanden haben.

In seinem Gepäck hatte Adnan Khashoggi immer auch traditionelle arabische Kleider (Aufnahme von 1978). (Bild: Zuma/Imago)

In seinem Gepäck hatte Adnan Khashoggi immer auch traditionelle arabische Kleider (Aufnahme von 1978). (Bild: Zuma/Imago)

243 Seiten umfasst das Auslieferungsbegehren der amerikanischen Justizbehörde, das von der Schweiz weitgehend bewilligt wird. Am 19. Juli 1989 liefert die Eidgenossenschaft Adnan Khashoggi schliesslich in die USA aus. Da hilft es auch nicht, dass der Saudi sich rühmt, die früheren Präsidenten Richard Nixon, Jimmy Carter und Ronald Reagan persönlich zu kennen. Oder dass er wenige Jahre zuvor geholfen haben soll, in der Iran-Contra-Affäre die hoch geheimen Waffenlieferungen der USA an Iran in die Wege zu leiten.

Auslieferung in der 1. Klasse

Immerhin lässt es sich Adnan Khashoggi nicht nehmen, für seine Auslieferung nach New York einen Swissair-Flug mit sieben Sitzen in der 1. Klasse zu buchen: für sich selber, seinen Anwalt Zloczower, seinen Butler, seinen Masseur, seinen persönlichen Sekretär sowie zwei Polizisten der Kantonspolizei Bern.

Noch auf dem New Yorker JFK-Flughafen werden Khashoggi von zwei FBI-Beamten Handschellen angelegt, und er wird ins Metropolitan-Gefängnis gebracht. Doch zehn Tage später lebt er bereits wieder standesgemäss. In seinem Luxusapartment im Olympic Tower an der Fifth Avenue in Manhattan steht er unter Hausarrest und trägt als einer der ersten Häftlinge elektronische Fussfesseln. Rund ein Jahr später spricht ein Geschworenengericht in New York sowohl Imelda Marcos wie auch Adnan Khashoggi von allen Vorwürfen frei; der frühere Diktator Ferdinand Marcos ist noch während des Strafverfahrens gestorben.

Eine Weile lang erhält der Fürsprecher Zloczower noch Neujahrskarten von seinem früheren Mandanten zugeschickt, bis der Kontakt abbricht. Adnan Khashoggi zieht sich nach einer Parkinson-Erkrankung weitgehend aus dem öffentlichen Leben zurück und stirbt im Juni 2017 in London.

Blick zurück. Schweizer Episoden

Jede Woche beleuchtet die NZZ ein historisches Ereignis. Alle Beiträge der Serie finden Sie hier.

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