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Zweiter Akt eines Schattenspiels | NZZ

Zweiter Akt eines Schattenspiels

Auch die restlichen Siemens-Gasturbinen sollen auf der annektierten Krim angekommen sein. Ein Hütchenspiel mit russischen Firmen machte die Lieferung trotz Sanktionen möglich.

Benjamin Triebe, Moskau
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Die Turbinen (unter der blauen Folie) wurden mit Schiffen geliefert. (Reuters)

Die Turbinen (unter der blauen Folie) wurden mit Schiffen geliefert. (Reuters)

Die Affäre um Erdgasturbinen des deutschen Industriekonzerns Siemens auf der Krim spitzt sich zu. Wie die Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag mit Verweis auf Fotoaufnahmen berichtete, sind höchstwahrscheinlich zwei weitere Turbinen auf die von Moskau annektierte Halbinsel verschifft worden. Ein russisches Gemeinschaftsunternehmen mit Mehrheitsbeteiligung von Siemens hatte insgesamt vier Turbinen ausgeliefert. Siemens bestätigte am Montag den Transport der ersten zwei Turbinen, der jedoch gegen den Willen des Konzerns stattgefunden habe. Die vier Turbinen sind zentral für den Bau von zwei Kraftwerken auf der Krim; westliche Sanktionen hätten eine Lieferung eigentlich verhindern sollen.

Zwei Firmen mit demselben Namen

Auf Grundlage des ersten Transports hat Siemens am Dienstag vor einem Moskauer Wirtschaftsgericht Anzeige gegen zwei Firmen mit dem identischen Namen – Technopromexport (TPE) – eingereicht. Die TPE-Unternehmen unterscheiden sich durch ihre Rechtsform, sind aber an derselben Anschrift gemeldet und beide Töchter des staatlichen Konzerns Rostec, in dem eine Vielzahl von Industriefirmen gebündelt ist. Rostec wird von keiner Aufsichtsbehörde kontrolliert und untersteht direkt Präsident Wladimir Putin.

Nun klärt sich, wie genau die Turbinen auf die Krim gelangen konnten: Die erste TPE bestellte bei dem Joint Venture Siemens Gas Turbines Technologies die vier Turbinen, die vorgeblich für ein geplantes Kraftwerk auf dem russischen Festland gedacht und damit nicht von EU-Sanktionen betroffen waren. Diese TPE war schon in der Sowjetzeit als Konstrukteurin von Kraftwerken im In- und Ausland tätig. Unter anderem baute sie das Wasserkraftwerk am ägyptischen Assuan-Staudamm. Das Unternehmen erhielt die Turbinen, wurde aber im Frühjahr 2017 für zahlungsunfähig erklärt.

Bankrott zur Verschleierung

Hier kommt die zweite TPE ins Spiel. Sie wurde 2014 gegründet, ist Bauherrin der Kraftwerke auf der Krim und hat die Siemens-Turbinen höchstwahrscheinlich der ersten TPE abgekauft oder sie aus der Insolvenzmasse übernommen. Mit dieser Zwischenstation sollte das Geschäft verschleiert und vielleicht auch Siemens geschützt werden, denn der Konzern hatte in seinen Lieferverträgen der ersten TPE jede Verwendung der Turbinen zur Stromerzeugung für die Krim untersagt. Die insolvente TPE ist noch nicht abgewickelt und deshalb zusammen mit ihrer Schwestergesellschaft Ziel der deutschen Klage. In Russlands gelenkter Justiz dürfte das Drängen auf Rückgabe der Turbinen oder Kompensation aber wenig Erfolg haben.

Nach offizieller russischer Darstellung wurden vier Turbinen ohne Herkunftsangabe auf dem Sekundärmarkt erworben und umgerüstet; angeblich handelt es sich um russische Produkte. Die Baukosten für die Krim-Kraftwerke, die zur Stabilisierung der Stromversorgung auf der Halbinsel benötigt werden, sollen sich laut hiesigen Medien auf 71 Mrd. Rbl. (1,1 Mrd. Fr.) belaufen, der Kaufpreis der Siemens-Turbinen auf umgerechnet 123 Mio. Fr. Zudem soll die zweite TPE die Kraftwerke nicht nur errichten, sondern auch betreiben.

Sie können Benjamin Triebe, Wirtschaftskorrespondent für Russland, den Kaukasus und Zentralasien, auf Twitter folgen.