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China umgarnt die Osteuropäer mit der «neuen Seidenstrasse» | NZZ

China umgarnt die Osteuropäer mit der «neuen Seidenstrasse»

Ein Gipfeltreffen in Budapest zeigt, wie China und sechzehn Länder in Zentral- und Südosteuropa zusammenrücken wollen. Aber einiges läuft nicht so, wie die Chinesen es sich vorstellen.

Matthias Benz, Wien
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Ministerpräsident Orban (r.) empfängt seinen chinesischen Amtskollegen Li Keqiang. (Bild: Laszlo Balogh / Reuters)

Ministerpräsident Orban (r.) empfängt seinen chinesischen Amtskollegen Li Keqiang. (Bild: Laszlo Balogh / Reuters)

Für das kleine Ungarn mit seinen 10 Mio. Einwohnern ist es ein grosser Bahnhof. An diesem Montag und Dienstag ist das Milliardenreich China zu Gast: Ministerpräsident Orban empfängt in Budapest seinen chinesischen Amtskollegen Li Keqiang, und zum Gipfeltreffen stossen die Regierungschefs weiterer 15 Staaten aus Zentral- und Südosteuropa dazu. Seit fünf Jahren trifft man sich regelmässig im «16 plus 1»-Format. Es soll das wirtschaftliche – und damit auch das politische – Zusammenrücken fördern.

Distanzierung von «Brüssel»

In Budapest wurden die Chancen des gegenseitigen Austausches erneut beschworen. Aus chinesischer Sicht geht es vor allem darum, sich mit dem Projekt der «neuen Seidenstrasse» («One belt, one road») neue Handels- und Investitionsmöglichkeiten auch in Zentral- und Südosteuropa zu erschliessen. So soll ein Strang der neuen Route vom griechischen Hafen Piräus mittels einer neuen Bahnverbindung über Belgrad nach Budapest reichen. Li Keqiang bekräftigte am Montag, dass chinesische Staatsbanken milliardenschwere Kredite für solche Vorhaben bereitstellen werden. In den sechzehn Partnerländern – elf davon östliche EU-Mitglieder wie Polen oder Ungarn, fünf davon Nicht-EU-Staaten auf dem Balkan – hofft man auf chinesisches Geld und neue Handelschancen.

Dass sich die Länder Zentral- und Südosteuropas an China anlehnen wollen, leuchtet zunächst aus wirtschaftlichen Gründen ein. Die Region ist beim Handel stark auf den EU-Binnenmarkt ausgerichtet. Die Einbindung in die europäischen Wertschöpfungsketten hat zwar vor allem in den ehemals sozialistischen Transformationsländern der östlichen EU stark zum wirtschaftlichen Aufstieg beigetragen. Aber grundsätzlich ist es nicht falsch, sich zusätzliche Handelsmöglichkeiten im aufstrebenden Asien zu erschliessen.

Politisch kommt es zumindest einigen Regierungen im östlichen Europa gelegen, wenn sie eine gewisse Distanzierung von «Brüssel» signalisieren können. Die Spannungen zwischen den östlichen und den westlichen EU-Ländern haben jüngst wegen der Flüchtlingskrise und anderer Konflikte zugenommen. Politiker wie Orban schätzen zudem, dass die Investoren aus China keine kritischen Fragen zu Rechtsstaat, Demokratie und Zivilgesellschaft stellen. Man habe genug davon, von westlichen Ländern in diesen Dingen belehrt zu werden, bekräftigte Orban jüngst.

Mehr Worte als Taten

Bei allen Beteuerungen ist der gegenseitige Austausch allerdings noch nicht sehr weit gediehen. Der Warenhandel der Region Zentral- und Südosteuropa mit China hat zwar in den letzten Jahren zugenommen, aber die EU bleibt für sie mit grossem Abstand der wichtigste Wirtschaftsraum. Die chinesischen Investitionen in der Region belaufen sich laut offiziellen Angaben zwar auf insgesamt rund 6 Mrd. bis 8 Mrd. $. Aber das ist zum einen wenig gemessen an den privaten ausländischen Direktinvestitionen in der Region (allein in Polen belaufen sie sich auf 200 Mrd.$), zum andern investieren die Chinesen auch deutlich mehr in europäischen Kernländern wie Deutschland. Schliesslich verblassen die chinesischen Gelder im Vergleich mit den umfangreichen Fördermitteln für Infrastruktur- und Wirtschaftsprojekte, die die «neuen Mitgliedsstaaten» aus den EU-Strukturfonds erhalten. Allein die Visegrad-Länder Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn beziehen in der Förderperiode 2014 bis 2020 insgesamt 150 Mrd. €.

Probleme mit EU-Regeln

Die grossen chinesischen Pläne für eine «neue Seidenstrasse» stossen immer wieder auf Hürden in der Region. Die grösste besteht wohl darin, dass in der EU für staatliche Infrastrukturprojekte öffentliche Ausschreibungen vorgeschrieben sind. Dies läuft den Vorstellungen der Chinesen entgegen. Sie sind es gewohnt, ihre Projekte in bilateralen Abkommen zu regeln. Geschenke werden keine gemacht: Chinesische Staatsbanken stellen wohl Kredite bereit, aber die Ausführung der Bauprojekte will man möglichst chinesischen Firmen vorbehalten. Bei öffentlichen Ausschreibungen lässt sich jedoch nicht garantieren, dass chinesische Unternehmen zum Zug kommen. Das erklärt, warum China bisher hauptsächlich auf dem Balkan und weniger in östlichen EU-Ländern investiert hat. In Serbien etwa greifen die EU-Ausschreibungsregeln nicht, und man kann sich dort auch nicht auf umfangreiche Gelder aus den EU-Strukturfonds verlassen.

Die Schwierigkeiten zeigen sich am Beispiel der neuen Bahnstrecke zwischen Belgrad und Budapest, die ein zentraler Bestandteil der «neuen Seidenstrasse» in der Region werden soll. Für den ungarischen Teil will die chinesische Exim Bank 85% der geplanten Kosten von 550 Mrd. Ft. (2,1 Mrd. Fr.) mit Krediten vorfinanzieren. Der Baustart dürfte sich aber bis Ende 2020 verzögern, weil Ungarn wegen der Ausschreibungsregeln mit der EU-Kommission in Konflikt geraten ist. Das Bauprojekt hätte offenbar freihändig an ein chinesisches Unternehmen vergeben werden sollen. Am Montag hat Budapest nun eine öffentliche Ausschreibung lanciert. Man darf gespannt sein, ob dieses Mal der Spagat zwischen chinesischen Interessen und europäischen Regeln gelingen wird.