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Jeff Bezos und Co.: Micky Beisenherz über die Muckis der Supermilliardäre | STERN.de
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M. Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier Ich pumpe, also bin ich: Die Muckis der Supermilliardäre

Amazon-Chef Jeff Bezos und seine Verlobte Lauren Sánchez
Amazon-Chef Jeff Bezos und seine Verlobte Lauren Sánchez 
© Paul Morigi/Getty Images / AFP
Supermilliardäre pumpen nach ihrem Vermögen nun ihre Muskeln auf. Leider eifern ihnen auch bei uns viele Topmanager nach.
Von Micky Beisenherz

Narzissmus ist eine Wiese, auf der die interessantesten Blumen blühen. Ein anschauliches Beispiel dafür entdeckte ich vor wenigen Tagen, als sich der Amazon-Gründer Jeff Bezos mit seiner neuen Frau für ein Magazin ablichten ließ. Im Truck. Er mit Cowboyhut hinterm Steuer. Lauren Sánchez mit kopulationsfreudigem Blick eng an ihn geschmiegt. Wie Barbie und Ken aus einer Parallelwelt der Autoteilelieferanten.

Blickfang dieses Bildes ist der beeindruckend aufgepumpte Bizeps des Endfünfzigers. Für einen Augenblick glaubt man fast, hier sitzt Vin Diesels kräftigerer Bruder Probe für den nächsten Teil von "Fast & Furious".

Männer kommen Zeit ihres Lebens nie vom Schulhof runter

Was ist nur aus den Milliardären geworden? Warum sind die plötzlich alle so fit? Mark Zuckerberg stählt sich mit Brazilian Jiu-Jitsu. Richard Branson wakeboardet von Privatinsel zu Privatinsel. Und Elon Musk versucht es zunächst einmal mit Abnehmspritzen, um sich so in Form zu bringen, dass er gegen Zuckerberg im medial gestreamten Käfigkampf nicht direkt abstinkt. Dass zwei Multimilliardäre es ernsthaft für eine gute Idee halten, sich in aller Öffentlichkeit was auf die Fresse zu hauen, bestätigt eher noch die Theorie: Vor allem Männer kommen Zeit ihres Lebens nie vom Schulhof runter.

Nerds wie Bezos oder Zuckerberg überwinden gerade ihr vergangenes, damals chronisch unbeschlafenes Schlaffi-Ich und muskeln sich eine neue Identität zurecht. Als könnte man die Vergangenheit wie das Eisen im Gym biegen. Nach Abschluss der Vermögens- kommt die Bodybuildung: "Ich pumpe, also bin ich."

Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier

Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.

Lange war es Bezos beschieden, seinem Wesen gerecht ein Dasein als Kurzarmhemden tragender Haarkranz zu fristen. So wie damals, als er sein Päckchen-Kalifat in einer Garage in Seattle startete. Dann, so um die 50, setzte die Transformation ein. Da wird morgens nicht mehr zuerst der Dow Jones gecheckt, sondern der Fitnesstracker. Wahrscheinlich sieht sogar Bill Gates längst aus wie Wolverine; wir haben es nur noch nicht mitbekommen.

Topmanager stehen um 4.30 Uhr für ihren Morgenlauf auf

Das, was wir auf der Spitze des Affenfelsen beobachten, findet auch auf anderen Ebenen statt: Topmanager stehen um 4.30 Uhr für ihren Morgenlauf auf, trainieren für den Marathon oder bewegen mit dem Personal Trainer den BMI in hulksche Klassen. Wer mit dem Muskeltonus eines Panthers durch sein gläsernes Büro streift, bei dem stellt sich die Frage nach der Leistungsfähigkeit nicht. Hier geht es um Zähigkeit, Leidensfähigkeit, Ausdauer. Werte, die den Manager auszeichnen sollen. Ist ein über dem Brustmuskel gespannter Hemdknopf nicht viel aussagekräftiger als eine laffe Visitenkarte? Jeder ist unter dem Anzug sein eigener Clark Kent.

Da wirkt der sich anbahnende US-Präsidentschaftswahlkampf wie eine groteske Antithese: Jene, die sich um das Topmanagement der freien Welt bewerben, sind keine drahtigen Dynamiker, sondern ein fettleibiger Cheeseburgerschwamm von Ende 70 und ein 81-jähriger pergamentener Opa, der zusehends so planlos durch die Gegend läuft wie ein außer Kontrolle geratener Staubsaugeroboter. Biden macht zwar einen deutlich besseren Job als viele seiner fitten Vorgänger, aber wen interessiert das in der Meme-o-kratie noch?

Aber ist es für normale Arbeitnehmende nicht auch tröstlich zu wissen: Wenn ich um sechs Uhr aufstehen muss, ist der Chef schon seit anderthalb Stunden auf, quält sich und verflucht sein Leben. Das macht das Gehalt nicht höher, aber es relativiert die eigene Unfreiheit.

Ja, ein jeder hat sein Päckchen zu tragen. Reich allerdings wird nur der, für den es Tausende andere tun.

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