Donald Trump hat auf dem Weg zu einer weiteren Präsidentschaft nicht nur Amtsinhaber Joe Biden und die Demokraten als Kontrahenten, auch eine Reihe von früheren Kabinettsmitgliedern und Beratern des Republikaners will nicht, dass ihr ehemaliger Chef erneut ins Weiße Haus einzieht. "Kein Präsident hat jemals mehr öffentliche Gegner angezogen, die früher zu seinem inneren Kreis gehörten", stellte die "Washington Post" zu Beginn dieser Woche fest. Und der US-Sender CNN konstatierte bereits Anfang Oktober: "Niemand in der US-Politik – und schon gar kein Präsident aus der jüngeren Vergangenheit – hat eine so umfangreiche Liste mit hochrangigen Verbündeten, die zu Feinden geworden sind."
Knapp ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl am 5. November 2024 kann Trump sich dennoch berechtigte Hoffnung auf eine zweite Amtszeit machen. Seine Mitbewerber um die Kandidatur der Republikaner sind seit Monaten weit abgeschlagen, und im Wettlauf mit Biden liegt der 77-Jährige in den meisten Umfragen gleichauf oder sogar vorn. Umso größer ist die Sorge der Abtrünnigen aus dem Trump-Lager.
"Es ist für mich unbegreiflich, dass Trump so viel Unterstützung hat"
"Was ist in diesem Land los, dass auch nur ein einziger Mensch glaubt, dieser Typ wäre noch ein guter Präsident, obwohl er die Dinge gesagt und getan hat, die er gesagt und getan hat?" zitierte die "Washington Post" Trumps ehemaligen Stabschef John Kelly. "Es ist für mich unbegreiflich, dass er so viel Unterstützung hat." Kelly, ein pensionierter Vier-Sterne-General, räumte resigniert ein, er wisse nicht, was er tun solle oder tun könne, um den Menschen zu helfen, den Ex-Präsidenten auf seine Weise zu sehen.
"Ich bin rausgegangen und habe den Leuten die schrecklichen Dinge erzählt, die er über verwundete Soldaten gesagt hat, und es hat nicht einmal einen halben Tag nachgewirkt. Sein Generalstaatsanwalt Bill Barr hat sich geäußert, und nicht einmal ein halber Tag Nachwirkung. Wenn überhaupt, dann sind seine Zahlen gestiegen", klagte Kelly. "Ich denke, wir befinden uns in unserem Land in einer gefährlichen Zone."
Die "Washington Post" hat nach eigenen Angaben mit 16 ehemaligen Trump-Beratern gesprochen, von denen einige anonym bleiben wollten. Die Interviews hätten gezeigt, dass sich die Befragten darüber Gedanken machten, wie sie Trumps Kandidatur im Jahr 2024 durchkreuzen können, ob sie sich untereinander abstimmen können oder sollten und ob ihre Stimmen überhaupt von Bedeutung seien.
Bereits im Januar 2022 berichtete CNN über eine Telefonkonferenz von rund drei Dutzend früheren Mitgliedern der Trump-Administration, die von ihrem Ex-Chef enttäuscht seien und sich Sorgen wegen seines Einflusses auf die Republikanische Partei und die Nation machten. In der Konferenz hätten die Beteiligten nach Strategien gesucht, wie sie den ehemaligen Präsidenten daran hindern könnten, den demokratischen Prozess zu untergraben, schrieb CNN unter Berufung auf mehrere Teilnehmer. Die Beratung habe allerdings nicht viel mehr als die Erkenntnis gebracht, dass man sich nicht sicher sei, wie es weitergehen soll, und dass man weit zurückliege hinter den Bemühungen von Trump und seinen Verbündeten, die Weichen für die Zwischenwahlen 2022, die Präsidentschaftswahl 2024 und darüber hinaus zu stellen.
Ranghöchstes Mitglied der Gruppe war demnach John Kelly. Außerdem hätten unter anderem die ehemaligen Kommunikationsdirektoren des Weißen Hauses, Alyssa Farah Griffin und Anthony Scaramucci, die frühere Beraterin für Heimatschutz und Terrorbekämpfung von Trumps Vizepräsident Mike Pence, Olivia Troye, und der Ex-Direktor der Behörde für Cyber- und Infrastruktursicherheit, Chris Krebs, teilgenommen.
Dass US-Präsidenten gelegentlich auch aus den eigenen Reihen attackiert werden, ist nicht ungewöhnlich. So klagten Angehörige des Stabes von Barack Obama darüber, dass dieser nicht über sensible Angelegenheiten in seiner eigenen Regierung Bescheid gewusst habe – wie Probleme bei der Einführung des Online-Marktplatzes für seine Gesundheitsreform "Obamacare" und die Überwachung ausländischer Staatsoberhäupter, darunter auch Angela Merkel, durch die National Security Agency. Obamas Vorgänger George W. Bush wurde von seinem jahrelangen Pressesprecher Scott McClellan vor allem wegen der US-Invasion im Irak heftig kritisiert.
Was Trump von Obama, Bush und anderen US-Präsidenten unterscheide, sei die hohe Anzahl der früheren Mitarbeitenden, die sich gegen ihn ausgesprochen haben, sagte der Historiker Douglas Brinkley der "Washington Post". Außerdem sei ihre Kritik an dem Republikaner besonders heftig.
Wer die prominentesten dieser Abtrünnigen sind und wie hart ihr Urteil über Donald Trump ausfällt, erfahren Sie in der Fotostrecke oben.
Quellen: "Washington Post", CNN, CNN, CNN, "FiveThirtyEight", "The Hill", NBC, "Tagesspiegel", "USA Today"