Ein sichtlich gerührter König Frederik betritt in Uniform und mit feuchten Augen um 15 Uhr den Balkon von Schloss Christiansborg. Ein Meer von jubelnden Menschen, rot-weiße Fähnchen schwenkend, begrüßt ihn. Er wischt sich eine Träne aus den Augen. Dieser Moment krönt seine jahrzehntelange Vorbereitung auf dieses Amt.
Louise und Andreas erleben diesen historischen Moment für Dänemark live ganz vorne mit. Seit den frühen Morgenstunden stehen sie in der Januarkälte direkt vor dem Balkon, von dem aus Frederik wenige Stunden später seine erste Rede als neuer Regent an das Volk halten wird. Beide haben sich erst am Morgen kennengelernt, erzählen sie. Andreas, der sich eine dänische Flagge umgebunden hat, habe für diesen großen Tag sogar den Geburtstag seines Vaters sausen lassen.
Die Nachricht von der Abdankung sei ein Schock gewesen, sagt Louise, wie für fast alle Dänen. Auch Andreas habe es nicht kommen sehen. Aber er habe großen Respekt vor dem Schritt und vor der Königin.
Es war der große Knall am Silvesterabend: Königin Margrethe II. verkündete zur Überraschung ihres Volkes ihre Abdankung. Am 14. Januar übergibt sie den Thron an ihren Sohn Frederik. Es ist das erste Mal seit etwa 900 Jahren, dass das passiert.
Eingefleischte Royalisten warten in der Kälte
Kopenhagen hat sich für den großen Tag herausgeputzt. Dänische Fahnen wehen an den Häusern, über den Einkaufsstraßen und am berühmten Nyhavn. Gebäude strahlen in Rot und Weiß. An Häuserwänden, in Schaufenstern und auf Anzeigetafeln lässt man den neuen König hochleben. Schaufensterpuppen tragen sogar Kronen – natürlich aus Pappe und Plastik.
Am frühen Sonntagmorgen sind die Straßen Kopenhagens noch wie leer gefegt, eine goldene Sonne geht auf, der Himmel ist klar. Minusgrade sorgen für rote Ohren und kalte Finger. Trotzdem versammeln schon die ersten Royalisten vor Christiansborg, um den besten Platz zu ergattern. Sie sitzen auf Campingstühlen, eingehüllt in Decken und mit Thermoskannen in den Händen.
Die heimlichen Stars sind eine kleine Vierergruppe in roten Umhängen, mit Zeptern und Kronen. Reporter wollen sie filmen, Leute fotografieren mit ihren Handys. Seit etwa 8.30 Uhr stehen Charlotte, Karina, Maria und René vor Christiansborg, wo unter anderem das Parlament untergebracht ist. Bis 15 Uhr wollen die vier durchhalten. Was sie zu Frederik sagen? Er werde ein guter König, sagen die vier. Und Karina fügt hinzu: "Er wird das Königshaus moderner machen."
"Frederik als König wird toll", finden auch Pernille, Helle und Isa. Die drei stehen ebenfalls seit den frühen Morgenstunden mit den anderen eingefleischten Königstreuen zusammen. Nach der Neujahrsansprache der Königin war für sie klar, dass sie ganz vorn dabei sein müssten. Er werde anders sein, volksnah – und das werde er auch bleiben, sagen sie über Frederik: "Er geht mit der Zeit." Von Mary sind die drei Damen besonders begeistert. "Sie ist kein Snob", sagt Helle, sondern volksnah und engagiert. Das schätzen die Dänen an ihrer neuen Königin.
Kopenhagen bereitet sich auf den historischen Tag vor
Sogar eine australische Familie ist dabei. Susan, Leon und ihre beiden Kinder Lucas und Dane leben seit zwei Jahren in Dänemark. Susan hat Frederik sogar schon die Hand geschüttelt, erzählt sie stolz. Auch sie freuen sich über den neuen König. "Er ist wunderbar", sagt Susan. Und natürlich sind sie besonders stolz auf Mary, schließlich kommt sie aus Australien und wird als erste Australierin Königin. "Das ist schon etwas Besonderes."
Nach und nach strömen immer mehr Menschen auf den Platz. Sie haben Fähnchen im Gepäck, tragen goldene Pappkrönchen und Plastikdiademe. Einige haben Lautsprecherboxen dabei und trinken Dosenbier, andere holen sich lieber etwas Heißes von Verkaufswagen.
Am Samstagnachmittag wurden hier noch die letzten Vorbereitungen getroffen: Lautsprechertürme werden einem Soundcheck unterzogen, damit die ersten Worte des neuen Königs gut zu hören sind. Ein paar hundert Meter weiter stehen mobile Toiletten für die Menschenmassen bereit. Zäune werden aufgestellt, Kranwagen arbeiten in den Straßen, Kameras für die Fernsehübertragung des historischen Ereignisses stehen bereit. Soldaten proben noch einmal ihre Schritte und Bewegungen, werden genau inspiziert, ob auch alles sitzt.
Der große Moment in Kopenhagen rückt inzwischen näher. Auch vor dem Schloss Amalienborg, wo die königliche Familie wohnt, haben sich Hunderte Schaulustige versammelt.
Margrethe II. übergibt an Frederik – und verschwindet durch die Tür
Mit Kronen auf dem Kopf und Luftballons warten auch Jannie, Joan und Dorthe mit den Kindern Mira, Clara und Olivia. Für die Kinder ist es ein besonderer Tag, erklärt Dorthe. "Sie werden drei Monarchen sehen: Margrethe, Frederik und irgendwann Christian." Alle seien große Royalisten und freuten sich auf das neue Königspaar. Die Abdankung von Margrethe sei zwar auch für sie ein großer Schock gewesen. Aber sie habe 52 Jahre lang einen großartigen Job gemacht. "Sie soll ihren Ruhestand genießen." Das finden auch Olivia (10) und Clara (9). "Margrethe hat auch ein Recht auf eine schöne Zeit", sagt die Neunjährige.
Inzwischen haben sich graue Wolken vor den strahlenden Himmel gezogen. Ein paar Hundert Meter weiter sind die Straßen rund um den Kongens Nytorv voller Menschen. Hier werden Frederik, Mary und Margrethe später mit einem Oldtimer und einer Kutsche nach Christiansborg fahren, vorbei an jubelnden Dänen.
Kurz nach 13.30 Uhr ist es dann endlich so weit: Mary und Frederik rollen in einer alten Limousine an den Menschen vorbei. Das Paar winkt, lächelt und lacht. Wenige Minuten später folgt die Kutsche der Noch-Königin, vor ihr eine Reiterstaffel. Auch sie lächelt und winkt dem Volk zu. Es ist das letzte Mal, dass sie dies als Königin tut.
Auf Christiansborg wird dann der historische Moment vollzogen – ohne Pomp und Prunk, ohne Reichsapfel und Zepter, wie man es von den britischen Royals kennt. Um 14 Uhr tritt der sogenannte Staatsrat zusammen, bestehend aus dem Ministerpräsidenten, Ministern, dem Regenten und dem Kronprinzen. Hier unterschreibt Margrethe ihre Abdankungserklärung. Rechts von ihr sitzt Frederik, neben ihm der künftige Kronprinz, sein Sohn Christian. Mit einem Federstrich wird Frederik König.
Margrethe II. stehen die Emotionen ins Gesicht geschrieben. Mit einer Handbewegung übergibt sie den Stuhl, auf dem sie 52 Jahre lang im Staatsrat saß, an ihren Sohn. "Gott schütze den König", sagt das nun ehemalige Staatsoberhaupt und verschwindet durch die Tür.
"Hurra!", ruft das Volk
Dreimal muss Ministerpräsidentin Mette Frederiksen anschließend den neuen König vor dem Volk proklamieren, so sieht es die konstitutionelle Monarchie des Landes vor. "Ihre Majestät, Königin Margrethe II. hat abgedankt. Es lebe Seine Majestät König Frederik X.", ruft sie vom Balkon des Schlosses Christiansborg, gefolgt von einem neunfachen "Hurra!". Das Volk stimmt mit ein, Hurra-Rufe schallen durch Kopenhagen.
Frederik X. tritt nun vor das Mikrofon.
Hunderttausende müssen sich vor Christiansborg und den umliegenden Straßen versammelt haben, um die Rede zu hören. Teilweise gibt es kein Durchkommen mehr, noch Hunderte Meter weiter stehen junge Familien, Paare, Teenager und ältere Damen dicht gedrängt, halten Smartphones in die Höhe.
"Meine Mutter, Ihre Majestät Königin Margrethe II. hat Dänemark 52 Jahre lang regiert", beginnt der neue König seine kurze Ansprache. "Für alle Zeiten wird sie als außergewöhnliche Regentin in Erinnerung bleiben." Das Volk jubelt.
"Heute wird der Thron weitergegeben. Meine Hoffnung ist es, ein vereinigender König von morgen zu werden."
König Frederik: "Ich werde alle Unterstützung brauchen"
"Es ist eine Aufgabe, der ich mich mein ganzes Leben lang gewidmet habe. Es ist eine Verantwortung, die ich mit Respekt, Stolz und großer Freude übernehme. Ich werde mich bemühen, das Vertrauen, das mir entgegengebracht wird, in die Tat umzusetzen. Ich werde alle Unterstützung brauchen, die ich von meiner geliebten Frau, von meiner Familie, von Ihnen und von dem, was größer ist als wir, bekommen kann."
Die Menschen jubeln und rufen, schwenken den Dannebrog. Auch einige australische Flaggen sind zu sehen. Diese Szenen machen deutlich, wie beliebt das dänische Königshaus bei seinem Volk ist und welche Bedeutung es für sie hat.
"Ich blicke in die Zukunft und weiß, dass ich nicht allein bin."
Frederik der X. schließt mit seinem Wahlspruch: "Verbunden, verpflichtet, für das Königreich Dänemark".
Als der der neue König längst vom Balkon getreten ist, stehen Zehntausende immer noch davor und vor Amalienborg, wo sich Frederik und seine Familie später den Massen zeigen werden. Doch die meisten Dänen gehen nach Hause, manche mit einem Glas Sekt in der Hand. Papierfähnchen liegen im Dreck auf dem nasskalten Kopfsteinpflaster.
Um 18 Uhr endet dieser historische Tag für Dänemark mit einem großen Knall: Über dem Vergnügungspark Tivoli im Herzen der Stadt wird ein gigantisches Feuerwerk gezündet, das größte in der Geschichte des Parks.
Dänemark hat einen neuen König. Für das Land beginnt eine neue Ära. Die von Frederik X..