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Molière
Giovanni Boccaccio, nach einem zeitgenössischen Stich
Molière
Nach einem Gemälde von Noël Coyql sr
Molière teilt es mit Shakespeare, dass bis auf einige Unterschriften keine Zeile seiner Hand, kein Manuskript, kein Brief auf uns gekommen ist. Trotzdem ist es der unermüdlichen Forschung gelungen, sein Leben bis auf einige Dunkelheiten aufzuhellen. Bekanntlich ist der Name Molière nur ein Pseudonym, das der Schauspieler annahm. Der wirkliche Name unseres Dichters war Poquelin. In der nordfranzösischen Stadt Beauvais waren die Poquelins schon im 15. Jahrhundrt als Tuchweber ansässig. Ende des sechzehnten siedelte der Großvater des Dichters als Tapezierer nach Paris über.
Sein Sohn Jean, der den väterlichen Beruf fortsetzte, heiratete am 27. April 1621 Maria Gressé, die Tochter eines Zunftgenossen, und nach 8 Monaten ward dem Paare ein Sohn geboren, der in der Taufe am 15. Januar 1622 den erbenden Namen Jean erhielt: der spätere Jean-Baptiste Poquelin-Molière.

Dass sein Vater ein engherziger Knauser, seine Mutter dagegen eine vortreffliche und gebildete Frau gewesen sei, wird oft angenommen, ist aber nicht beweisbar. Die Mutter vererbte den Kindern ihre schwache Gesundheit. Jean-Baptiste war 11 Jahre alt, als der Vater, der es zu einigem Wohlstand und zu dem vielbegehrten Amt und Titel eines königlichen Hoftapezierers und Kammerdieners gebracht hatte, Witwer ward.

Als echtes Großstadtkind, das auch später nie ein innigeres Verhältnis zur Natur fand, wuchs der Knabe im innersten Paris auf. Er besuchte wahrscheinlich die Pfarrschule, machte dann bei seinem Vater die Lehre als Tapezierer durch, ward schließlich aber auf das 1618 von den Jesuiten eröffnete Collège de Clermont geschickt, die vornehmste, selbst von königlichen Prinzen besuchte Erziehungsanstalt des Landes. Hier erwarb er sich eine vortreffliche Bildung, studierte später wahrscheinlich Jura, amtierte vielleicht auch kurze Zeit als Advokat und scheint daneben mit Freunden ein wildes Kneipenleben geführt zu haben. Seine Theaterleidenschaft erwachte früh, und als sich die heftige Neigung zu Madeleine Béjart dazugesellte, einer hübschen und auf die Tugendrose keinen Anspruch erhebenden Schauspielerin, war sein Entschluss gefasst. Der entrüstete Vater musste es erleben, dass sein Ältester nach kostspieligem Studium 1643 zu den gerade vom guten Bürgerstande verachteten Komödianten abschwenkte. Aus dem Tapezierersohn Jean-Baptiste Poquelin ward der Schaupieler Sieur de Molière, dessen Name zum erstenmal in einer Urkunde des Jahres 1644 auftaucht. Im Wagemut der Jugend gründete er mit seiner Geliebten Madeleine Béjart und anderen jungen Leuten in Paris eine neue Bühne, das "Illustre Théâtre", aber trotz des hochtönenden Namens konnte sich die Gründung gegen die beiden anderen Pariser Schauspielgesellschaften, die königlichen, im Hotel de Bourgogne spielenden grands comédiens, und die im Théâtre du Marais spielenden petits comédiens, nicht behaupten. Nach knapp eineinhalb Jahren brach das "hochberühmte" Theater zusammen, und die zuletzt noch übrig gebliebenen Mitglieder schlossen sich einer der die Provinz bereisenden Wandertruppen an, deren Leben und Treiben Scarrons "Roman comique" so ungeschminkt schildert. Etwa von 1646 bis 1658 durchzog Molière erst als Mitglied, dann als Autor und Direktor der du Fresneschen Truppe das Land, lernte dabei fast ganz Frankreich kennen und erwarb sich eine gute Theaterpraxis. Das Klima der südlichen Provinzen, die er vorzugsweise durchzog, hat fraglos auch günstig auf sein Brustleiden eingewirkt und dem Dichter wenigstens eine Lebensdauer von etwa 50 Jahren gegönnt.
Im Herbst 1658 machte Molière, besser gerüstet als 14 Jahre vorher, dann einen zweiten Versuch, Paris zu erobern. Er kam jetzt mit eigenen, in der Provinz erprobten Stücken, mit einer darauf eingespielten Gesellschaft, mit einflussreichen Verbindungen und einigem pekuniären Rückhalt nach der Hauptstadt. Es gelang ihm, für seine Gesellschaft den Titel "Truppe des einzigen Bruders des Königs" zu erhalten, ja, er durfte mit ihr schon einige Wochen nach seinem Eintreffen vor dem König spielen. In einer seltsamen Verkennung seiner Fähigkeiten wählte er für diese Vorstellung eine Corneillesche Tragödie und hätte fast alles damit verdorben, wenn er in der Not des Augenblicks nicht noch eine eigene kleine Farce zugegeben hätte.Titelblatt zur Ausgabe 1734
Titelblatt zur Ausgabe 1734
Damit gewann er den König, und in Kürze errang er sich nun auch mit siner erst zwölf, dann 15 ordentliche Mitglieder zählenden Truppe eine feste Position in der Hauptstadt, - wenigstens auf komischem Gebiet. Dass Molière vielen nur als Possenreißer galt, dass auch der König, der ihn sehr schätzte, ihm eine Pension bewilligte und bei seinem ersten Kinde Patenstelle übernahm, von seiner eigentlichen Bedeutung keine Ahnung hatte, sondern ihn mehr als brauchbaren Festarrangeur und Spaßmacher betrachtete, hat den Dichter gewiss oft gekränkt.

Er spielte zuerst im Saal des Petit-Bourbon, dann in dem des Palais-Royal. Hier kamen zum erstenmal all die Werke auf die Bühne, auf die noch heute ganz Frankreich stolz ist. Sie warfen ihrem Schöpfer reiche Einkünste ab. Es erlaubte ihm, seinem Hange zum Luxus nachzugeben, und da auch keine literarische Stellung immer günstiger ward, hätte er glücklich sein können, wenn nicht seine Ehe sein Gemüt oft verdüstert hätte. Diese Ehe ist vielleicht das trübste Kapitel in seinem Leben. Er hatte mit den Frauen nie viel Glück gehabt, und die Liebschaften, die er mit Madeleine Béjart und als Direktor mit anderen schönen Schauspielerinnen seiner Truppe unterhalten hatte, mögen ihm den Kopf schwer genug gemacht haben. Der Vierzigjährige verliebte sich mit wilder Leidenschaft in die 19jährige Armande Béjart, die er 1662 heiratete. Nach der offiziellen Version war sie die jüngste Schwester, nach einer immer wieder auftauchenden Behauptung, die nicht kurzerhand abgelehnt werden kann, die Tochter seiner langjährigen Geliebten Madeleine Béjart.

Titelkupfer zur Ausgabe von 1734
Titelkupfer zur Ausgabe von 1734
Zu alledem trat noch Krankheit. Sie hatte ihn schon 1665 schwer befallen. Es ward schlimmer mit ihm, und schon während der Proben zum "Eingebildeten Kranken" fühlte sich der Dichter sehr elend. Vor der vierten Vorstellung des Stückes, am 17. Februar 1673, beschwor ihn seine Frau, sich doch Ruhe zu gönnen und nicht zu spielen. Er antwortete: "Wie kann ich das? Fünfzig Arbeiter, die nichts als ihren Tagelohn besitzen, sind zur Stelle; was sollen sie tun, wenn ich nicht spiele?" So fand die Vorstellung statt, aber der "Eingebildete Kranke", der da auf der Bühne in dem noch heute von der "Comédie-Française"
aufbewahrten Lehnstuhl saß, war ein wirklich Kranker, der bei dem Worte "Juro" einen Krampfanfall bekam und ihn mühsam dem Publikum zu verbergen trachtete. Man schaffte ihn nach der Vorstellung in einer Chaise nach Hause, wo einem bösen Hustenanfall ein starker Bluterguss folgte. Der Priester, nach dem man schickte, erschien nicht rechtzeitig. Zwei fromme Schwestern jedoch, die Almosen sammelnd während der Fastenzeit nach Paris gekommen waren und in des Dichters Hause Aufnahme gefunden hatten, weilten am Sterbebett. In ihren Armen verschied Molière, in dem Blut erstickend, das ihm aus dem Munde quoll.

Da kein Priester ihm das Sakrament gereicht hatte, ward die kirchliche Beisetzung erst abgelehnt: man gewährte sie nur denjenigen Schauspielern, die vor dem Ende ihrem "sündhaften Beruf" reuevoll entsagt hatten. Schließlich ward auf einen Wink von oben das christliche Begräbnis vom Erzbischof doch unter der Bedingung bewilligt, dass es nachts, ohne Pomp und ohne besondere kirchliche Feier stattfinde. Am 21. Februar abends war der Dichter begraben; man nimmt jedoch an, dass die Leiche auf geheime kirchliche Ordre unmittelbar nach der Bestattung aus der geweihten Erde wiederentfernt und nach einem anderen Teil des Friedhofes gebracht wurde, wo die Selbstmörder und die ungetauften Kinder ruhten. Die Molièresche Truppe überwand die durch den Tod ihres Leiters veranlasste Krise und vereinigte sich 1680 mit den königlichen Schauspielern vom Hotel de Bourgogne. Aus dieser vom König gewünschten Verschmelzung der beiden Pariser Theater - das Maraistheater hatte seine Vorstellungen inzwischen eingestellt - ging die noch heute blühende Comédie-Française hervor, die also mit Fug ihren Ursprung auf Molière zurückführt.

Aus: "Geschichte der Weltliteratur" von Carl Busse.

Der eingebildete Kranke
Der Eingebildete Kranke Der Eingebildete Kranke Le Malade Imaginaire, 1673.
Von Molière (Jean-Baptiste Poquelin).

« Bei den Preisen kann es sich ja bald keiner mehr leisten, krank zu sein!»

Der Inhalt

Herr Argan bildet sich ein, krank zu sein. Allen verkehrten Anordnungen der quacksalbernden Ärzte unterwirft er sich geduldig und führt sie aufs Genaueste aus. Ohne diese eingebildete Krankheit würde Argan, wenn auch ein beschränkter, doch gutmütiger Hausvater sein. So aber wird er zum Tyrannen seiner Tochter Angelique und zum Werkzeug seiner erbschleichenden zweiten Frau Belinde. Von dem Doktor Purgon und dem Apotheker Fleurant wird er übers Ohr gehauen. Er weiß das und wagt in seiner Einbildung nicht, dagegen aufzutreten. Seine Frau will er prüfen, indem er sich tot stellt, doch abergläubisch meint er sofort wieder, dass das Totspielen seiner Gesundheit schädigen könnte.

Immerhin hat er als Scheintoter seine Frau durchschaut, und er erlaubt nunmehr Angelique, ihren Geliebten Cleante zu heiraten. Der Ärzten wird übel mitgespielt. Argans Bruder Beralde beruhigt den Eingebildeten durch das Possenspiel einer Doktorpromotion.

Aus: "Führer durch das Schauspiel" von Leo Melitz.

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«Molière allein hat mehr als eine Akademie geleistet. »
Johann Gottfried Herder

Zu lesen


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Der eingebildete Kranke / Die Gaunereien des Scappino.



Zum Verstehen



rororo monographie über Molière



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Der eingebildete Kranke im Volltext auf englisch
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