Die deutschen Beziehungen zu Russland leben augenblicklich ganz in der Gegenwart, und nach Jahrzehnten der Konfrontation im Kalten Krieg wird vor allem "Normalität" demonstriert. Die Geschichte kommt dabei nur selten in den Blick, und wenn, dann oft bemerkenswert verkürzt. So mahnen deutsche Autoren in der Beutekunstdebatte an, das Völkerrecht zu befolgen – die historische Situation, in der die strittigen Kunstschätze in die Sowjetunion kamen, bleibt in der Regel ausgeblendet. Und wenn in Moskau der 9. Mai als Tag des Sieges über Nazi-Deutschland gefeiert wird, so zeigen selbst unsere besseren Blätter gern drollige Fotos von ordenbehängten Greisen in sentimentaler Festtagsstimmung. Die russische Erregung über die Versetzung eines Ehrenmals für gefallene Rotarmisten in Tallinn gilt uns als bloß politisch inszeniert. Die historische Erfahrung der Jahre 1941 bis 1945, die Empfindlichkeit der Russen bei diesem Thema sind nicht Gegenstand unseres Interesses.