ZEIT ONLINE : Herr Beucker, die Opposition und viele Medien fordern den Rücktritt von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Wie sehen Sie das, ist er noch zu halten?

Pascal Beucker: Es sieht so aus. Die Mehrheit der Bevölkerung steht hinter ihm , wie Umfragen zeigen. Und auch seine Partei hält ihm die Treue, was letztlich für einen Politiker ausschlaggebend ist. Es kommt weniger auf die Schwere eines Fehlers oder Vergehens an, sondern darauf, wie seine Partei damit umgeht und wie wichtig er für seine Partei ist. Sein Parteichef Seehofer hat das ja auch genauso auf den Punkt gebracht: Er ist zu beliebt, als dass man ihn fallen lassen könnte. Sprich: Seine Popularität ist die Grundlage für die Loyalität seiner Partei. Eine kühle Kosten-Nutzen-Rechnung.

ZEIT ONLINE : Aber wie weit kann diese Loyalität gehen? Hat er durch die Plagiats-Affäre nicht seine Glaubwürdigkeit verloren?

Beucker: Er ist schwer beschädigt, keine Frage. Aber es gibt auch andere Fälle, bei denen Politiker sehr wohl unbeschadet aus der Affäre rauskommen. Ich erinnere nur an Roland Koch, den früheren hessischen Ministerpräsidenten. Der war in der Bevölkerung wesentlich unbeliebter als Guttenberg. Koch hat damals die Öffentlichkeit belogen im Zusammenhang mit der Spendenaffäre und den angeblichen "jüdischen Vermächtnissen". Trotz Rücktrittsforderungen haben seine Partei und der kleine Koalitionspartner an ihm festgehalten. Die nächste Landtagswahl hat er dann mit absoluter Mehrheit gewonnen. Jetzt ist die Aufregung noch groß über Guttenberg, aber die wird sich mit der Zeit legen.

ZEIT ONLINE : Es sei denn …

Beucker: Es kann natürlich sein, dass er in Bredouille kommt, wenn sich tatsächlich herausstellen sollte, dass er einen Ghostwriter bei der Doktorarbeit hatte. Es kann auch gefährlich für ihn werden, sollte er angeklagt werden.

ZEIT ONLINE : Wie bewerten Sie Guttenbergs Verteidigungsstrategie? Inzwischen räumt er immerhin Fehler ein – und verzichtete auf den Titel, bevor ihm die Universität den aberkannte.

Beucker: Das Problem ist, er hat bisher immer nur das zugegeben, was sich nicht mehr bestreiten ließ. Am Anfang wies er die Vorwürfe pauschal als "abstrus" zurück . Außerdem hat er versucht, die Ebenen zu vermischen: Er deutete zum Beispiel an, angesichts des Kriegs in Afghanistan und der toten deutschen Soldaten gäbe es wichtigeres als ein paar Fehler in der Doktorarbeit. Mit so einer Begründung muss ich auch jeden Ladendieb laufen lassen. Das war mehr als suboptimal – und wurde gefährlich für ihn. Was er jetzt macht, halte ich für sehr geschickt. Er gibt sich einerseits reumütig, verschärft aber anderseits die Stimmung gegen die angeblich bösen Medien, die ihn jagen würden. Das kommt bei großen Teilen der Bevölkerung gut an, gerade bei den Nicht-Akademikern.

ZEIT ONLINE : Ist das eine gängige Verteidigungsstrategie: Sich selbst zum Opfer stilisieren?

Beucker: Durchaus. Zu Guttenberg erinnert an andere Unionsgrößen. An Franz Josef Strauß oder Helmut Kohl. Wenn man daran denkt, wie letzterer sich im Untersuchungsausschuss zur Parteispendenaffäre gerechtfertigt hat. Kohl hat SPD und Grünen vorgeworfen, das Volk zu verraten. Das war eine klassische Vorwärtsoffensive. Man greift die Gegner an, schimpft auf die Medien.