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Gisant – Wikipedia

Gisant

Fachterminus für die plastische Gestaltung eines liegenden Toten auf einem Sarkophag oder Kenotap

Gisant [ʒiˈzɑ̃] (französisch „Liegender“, deutsch auch Liegefigur) ist der kunstgeschichtliche Fachterminus für die plastische Gestaltung eines liegenden Toten auf einem Sarkophag oder Kenotaph. Im indischen und ostasiatischen Kulturraum wurden bereits im 4./5. Jahrhundert der ins Nirwana eingegangene Buddha, aber auch der Hindu-Gott Vishnu-Narayana als Liegefiguren dargestellt.

Die Grabplatte Rudolfs von Schwaben (nach 1080) im Merseburger Dom ist die älteste figürliche Bronzegrabplatte des Mittelalters.

Geschichte

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etruskischer Sarkophag aus Cerveteri (um 510 v. Chr.)
 
Phönizischer Sarkophag aus Cádiz (5. Jh. v. Chr.)

Bereits auf etruskischen und römischen Grabmälern bzw. Wandmalereien werden Verstorbene liegend dargestellt, jedoch nicht als Tote, sondern in ähnlicher Weise wie bei einem Gastmahl (Symposion): Der Oberkörper ist auf einen angewinkelten Arm gestützt, der Kopf mit geöffneten Augen ist dem Betrachter zugewendet.

Die beiden anthropomorphen phönizischen Sarkophage aus Cádiz zeigen hingegen den Typus einer echten Liegefigur. Während der Kopf mit geschlossenen Augen vollplastisch gearbeitet ist, ruhen die als Flachrelief gearbeiteten Arme und Hände auf dem Körper.

Mittelalter

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Der Ursprung der mittelalterlichen Liegefiguren (gisants) ist in der Forschung umstritten: Einige sehen antike Einflüsse, andere sind der Ansicht, die ältesten mittelalterlichen Exemplare lägen geographisch und ikonographisch viel zu weit von den wenigen erhaltenen antiken Darstellungen entfernt.

Frühestes bekanntes Beispiel einer mittelalterlichen Liegefigur ist das Grabmal des Gegenkönigs Rudolfs von Schwaben im Merseburger Dom (nach 1080), wo der Tote – wie aufrecht stehend – in einem Hochrelief aus Bronze und mit den Reichsinsignien in seinen Händen auf der Grabplatte dargestellt ist. Diesem vergleichbar ist die etwas spätere und künstlerisch entwickeltere Grabplatte des vermeintlichen Sarkophages für den Sachsenherzog Widukind in der Stiftskirche Enger (nach 1100).

Aus den frühen Reliefbildnissen entwickelt sich dann im Lauf der Zeit eine immer vollplastischer werdende Darstellungsweise.

Renaissance

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Seit der Renaissance taucht der römisch-etruskische Typus wieder auf (vgl. Gisant des Philippe Chabot), bleibt jedoch gegenüber der mittelalterlichen Liegefigur auf Einzelfälle beschränkt.

Entwicklung

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Gisants in liegender Haltung (Eleonore von Aquitanien und Heinrich II.) in der Abteikirche von Fontevraud

Die frühesten mittelalterlichen Gisants stellen die betreffende Figur noch so dar, als ob sie stünde (erkennbar u. a. am fehlenden Kopfkissen). Später wurden die geehrten Verstorbenen dann wie auf einem Bett liegend dargestellt, aber oft so als ob sie noch lebten (erkennbar an den geöffneten Augen oder an Tätigkeiten). Alle Toten dieser Epoche werden nicht im tatsächlichen Lebensalter zum Zeitpunkt ihres Ablebens, sondern in der Blüte ihrer Jahre gezeigt.

Bei frühen Darstellungen ruhen die Füße des Toten manchmal auf einer Steinplatte, dann auf einer Konsole oder einem Kissen; später ist oft ein Hund zu Füßen der Liegefigur zu sehen – er symbolisiert die eheliche Treue des oder der Verstorbenen. Bei Männern findet sich anstelle des Hundes häufig ein Löwe als Symbol der Stärke bzw. der weltlichen Macht des Toten.

Ab dem 14. Jahrhundert ließen sich die männlichen Verstorbenen auf ihren Sarkophagen in einigen Fällen auch in einer sehr realistischen Weise als gerade Entschlafener (z. B. mit eingefallenen Augen), als Verwesende oder gar als Skelett darstellen. Der französische Fachbegriff für eine derartige Darstellungsweise lautet transi – ein Begriff, der im Deutschen nur selten gebraucht wird. Bei Frauen ist diese Darstellungsweise unüblich.

Beispiele

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Grabplatte Widukinds (nach 1100) in der Stiftskirche Enger
 
Grabmal der Prinzessin Elisabeth Michailowna Romanowa (1855) in der Russisch-Orthodoxe Kirche von Wiesbaden

Deutschland

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Einige bedeutende Epitaphaltäre seien auch genannt:

Frankreich

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Gisant Ludwigs von Sancerre in der ehemaligen Abteikirche und heutigen Kathedrale von Saint-Denis (15. Jh.)
 
Die Gisants des bretonischen Herzogs Franz II. und seiner 2. Ehefrau Marguerite de Foix zählen zu den schönsten ihrer Art.
 
Grabmal von François Michel Le Tellier de Louvois, Kriegsminister Ludwigs XIV. im Hôtel-Dieu von Tonnerre, Burgund

Katalonien

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  • 13. Jahrhundert
    • Grabmal des Wilhelm de Jordan, Elne, Roussillon
  • 14. Jahrhundert
 
Gisant von Tello Pérez de Meneses in der Kirche San Tirso in Sahagún

Portugal

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Österreich

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Liegefiguren Erzherzog Karls II. und seiner Gattin Erzherzogin Maria Anna von Bayern auf Kenotaph, Habsburger Mausoleum, Basilika Seckau

Literatur

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  • Johan Huizinga: Herbst des Mittelalters. Studien über Lebens- und Geistesformen des 14. und 15. Jahrhunderts in Frankreich und in den Niederlanden. Drei Masken Verlag, München 1924.
  • Kurt Bauch: Das mittelalterliche Grabbild. Figürliche Grabbilder des 11. bis 15. Jahrhunderts in Europa. De Gruyter, 1976, ISBN 3-11-004482-X.
  • Philippe Ariès: Studien zur Geschichte des Todes im Abendland. dtv, München 1986, ISBN 3-423-04369-5.
  • Philippe Ariès: Geschichte des Todes. dtv, München 2005, ISBN 3-423-30169-4.
  • Philippe Ariès: Bilder zur Geschichte des Todes. Hanser-Verlag, München / Wien 1984, ISBN 3-446-13911-7.
  • Barbara Tuchman: Der ferne Spiegel. Das dramatische 14. Jahrhundert. Claasen-Verlag, Düsseldorf 1980, ISBN 3-546-49187-4.
  • Mark Duffy: Royal Tombs of Medieval England. History Press, London 2003, ISBN 0-7524-2579-X.
  • Hans Körner: Grabmonumente des Mittelalters. Primus-Verlag, Darmstadt 1997, ISBN 3-89678-042-5.
  • Françoise Baron: Le médecin, le prince, les prélats et la mort. L’apparition du transi dans la sculpture française du Moyen Âge Cahiers archéologiques, Numéro 51. Paris, Picard, 2006, S. 125–158.
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Commons: Gisant – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien