Chinesischer Adel
Der Adel im Kaiserreich China unterlag einer mehrtausendjährigen Wandlung. Früher als in Europa bildete sich ein Feudalwesen, eine sesshafte Verwaltung und schließlich ein Staatswesen heraus, welches die Kultur und Sozialstruktur des Reiches prägte. Trotz innerer und äußerer Umbrüche blieben typische Ausprägungsformen gleich, etwa das Patriarchat, die Primogenitur zahlreicher Titel oder die Zentralgewalt des obersten Herrschers und seines Hofes. Erst mit der Abschaffung des Kaiserreichs wurde die gesellschaftliche Machtstellung des chinesischen Adels gebrochen.
Übersicht
BearbeitenÜblicherweise werden chinesische Titel wie folgt in europäische Titel übertragen und umgekehrt:
- huáng (
皇帝 , Huángdì) – Kaiser - wáng (
王 , wáng) – Prinz/König - gōng (
公爵 , gōngjué) – Herzog - hóu (
侯爵 , hóujué) – Markgraf - bó (
伯爵 , bójué) – Graf - zǐ (
子爵 , zǐjué) – Vicomte - nán (
男爵 , nánjué) – Baron
Die letzten fünf dieser Adelsränge werden als Wujue (
Geschichtlicher Hintergrund: Zhouli
BearbeitenDas Adelssystem Chinas bildete sich im 1. Jahrtausend v. Chr. während der Zhou-Dynastie heraus. Anhänger des Konfuzius kodifizierten in dem Werk über die Riten der Zhou (
Historische Grundlage für das konfuzianische Zhōulǐ waren das feudale Belohnungssystem (
Das System des Zhōulǐ teilte neben den Adligen (
Das Zhōulǐ unterschied ferner vier Klassen von Nichtadeligen: die Gelehrten, Handwerker, Bauern und Händler. Dieses Klassensystem war durchlässig, erlaubte also einem Händlersohn, Handwerker zu werden.
Wang
BearbeitenDer Titel des Wang (
Unter der Qin-Dynastie wurden die alten Adelsbezeichnungen, auch die des Wang abgeschafft, ab der Han-Dynastie war der Titel des Wang der höchste Adelstitel unterhalb des Huangdi. Zunächst wurden Vertrauenspersonen des Huangdi zu Wang ernannt, doch nach der ersten Rebellion gegen die Han wurde die Position des Wang ausschließlich[3] mit Verwandten des Han-Huangdi besetzt. Dies änderte sich in der Zeit der Südlichen und Nördlichen Dynastien, wo im Norden häufig der Titel Wang mitsamt einem regionalen Lehen für militärische Verdienste vergeben wurde. Ab der Zeit der Sui und Tang-Dynastie wurde der Titel Wang in verschiedenen Abstufungen und fast nur an Verwandte des Huangdi vergeben.[1]
In der westlichen Übersetzung wird der Titel üblicherweise bis zur Zhou-Dynastie mit dem eines Königs (von China) übersetzt, in den Epochen danach mit dem eines Prinzen (englisch: prince), selbst wenn es sich nicht um einen tatsächlichen Verwandten oder gar Thronfolger des Huangdi handelt.
Gong
BearbeitenDer Titel des Gong (
Ab der Han-Dynastie war der Titel des Gong der zweithöchste Adelstitel unterhalb des Wang und Huangdi; Söhne eines Wang außerhalb der Erbfolge stiegen in diese Klasse ab. Je nachdem, wie eng verwandt ein Gong mit dem Huangdi verwandt war, gab es weitere subtile Abstufungen in der Rangfolge. Gongs hatten ab der Han-Dynastie nur noch selten eine direkte feudale Machtfunktion, sondern waren meist zu Höflingen (auch
In der westlichen Übersetzung wird der Titel Gong üblicherweise mit dem eines Herzogs (englisch: duke) übersetzt.
Gongzi/Gongzhu
BearbeitenDie Bezeichnung Gongzi (
Alle weiblichen Mitglieder der kaiserlichen Familie mit Ausnahme der Ehefrau des Huangdi (die Huanghou) konnte allgemein als Gongzhu (
Hou
BearbeitenIn der westlichen Übersetzung wird der Titel des Hou (
Bo, Zi und Nan
BearbeitenIn der westlichen Übersetzung wird der Titel des Bo (
Die drei niedrigeren Ränge wurden aufgrund der Mehrdeutigkeit ihrer Silben nur mit zusätzlichen Bezeichnern gebraucht, wie etwa gemeinsam mit dem Namen oder als Vollform des Titels (县子 etwa für den Vicomte während der Yuan-Dynastie). Beispielsweise wird die Silbe
Diese drei Ränge kamen nach der Zhou-Zeit für etwa 500 Jahre aus dem Gebrauch, fanden jedoch ab der Zeit der Nördlichen und Südlichen Dynastien wieder allgemein Anwendung.[1]
Kaiser von China
BearbeitenVor Qin Shihuangdi waren die Begrifflichkeiten Huang (
Alle Herrscher mit dem Anspruch auf die Gesamtherrschafts über China trugen nach Ende der Qin-Dynastie den Titel des Huangdi, bis zur Abdankung des Puyis 1912. Dynastien, die aus Fremdherrschern hervorgingen, wie etwa die Yuan-Dynastie der Mongolen, trugen den Titel des Huangdi neben ihren fremdländischen Titeln. Wie auch in Europa, etwa bei Päpsten und Gegenpäpsten, war es nicht unüblich, dass mehrere Huangdi gleichzeitig amtieren konnten.
In der westlichen Übersetzung wird der Titel Huangdi üblicherweise mit Kaiser von China (englisch Emperor) übersetzt, die wörtliche Bedeutung wird etwa mit erhabener Göttlicher umschrieben.[4]
Tianzi
BearbeitenDer Titel des Tianzi (
Kaiserliche Familie
BearbeitenWenn der Vater eines amtierenden Huangdi noch lebte, erhielt dieser den Titel Tai Shang Huang (
Die Hauptgemahlinnen des Huangdi wurden als Huanghou (
Der Kronprinz wurde mit Huang Taizi (
Es war üblich, dass den Nachfolgern und Erben von gestürzten Dynastien von der darauffolgenden Dynastie Adelstitel und Apanage gewährt wurde. Somit konnten die einstigen Kaiserfamilien weiterhin ihre vom Himmel begünstigten Vorfahren verehren und der Nachwelt gegenüber repräsentieren. Auch die Republik China gewährte dem letzten regierenden Kaiser bis 1924 Wohnrecht in der Verbotenen Stadt.
Weitere Titel und Verdienstadel
BearbeitenIm südlichen Staate Chu herrschte eine andere höfische Kultur als im unmittelbaren Machtbereich der Zhou, sodass das nördliche Rangsystem dort erst während der Han-Dynastie verankert wurde. Insbesondere die legalistische Qin- und auch die frühe Han-Dynastie vergaben noch Positionen nach dem Vorbild der Chu.
Die Titel in Chu wurden hauptsächlich für Verdienste und Leistungen vergeben und waren nicht erblich. Beispiele hierfür waren unter anderem: Tonghou (
Der allgemeine Titel Jun (
Später vergaben Kaiser für verdienstvolle Leistungen spezielle Titel, die oft mitsamt einer dafür geschaffenen höfischen oder sogar verantwortungsvollen Position an eine Person gebunden waren, beispielsweise der Titel des Generalprotektor der westlichen Provinzen (
Erblicher Verdienstadel
BearbeitenNur sehr wenige Familien erhielten für ihre Verdienste um das Reich das Recht, ihren Status als Mitglieder des Hochadels in vollem Umfang weiterzuvererben. Bekannt hierfür sind insbesondere die Nachfahren des Konfuzius: Mitglieder der Familie Kong erhielten den erblichen Titel Hóu der Weisheit (衍聖
Ba Wang
BearbeitenPersonen, die souveräne Macht ohne einen regulären Adelstitel ausübten, etwa als Gouverneur oder Statthalter, wurden als Bawang (霸王, bàwáng – „Gewaltherrscher, Tyrann“) bezeichnet. Die chinesische Geschichtsforschung verwendet auch den Begriff des Hegemons. Ein Beispiel hierfür ist Xiang Yu.
Mandarine
BearbeitenAb der Tang-Dynastie kamen die Mandarine (
Rückwirkende Änderungen
BearbeitenAdelige konnten rückwirkend, insbesondere postum, in höhere und niedrigere Ränge ab- oder aufsteigen, etwa in Folge kaiserlicher Dekrete. Die postume Änderung ist vergleichbar, aber auch oft subtiler als die europäischen Praktiken der Heiligsprechung oder Damnatio memoriae und bedeutet für die moderne Geschichtsforschung, dass nachträglich überarbeitetes Quellenmaterial mit kritischem Blick auf Verfasser und Bearbeiter gewertet werden muss.
Anerkennung außerchinesischer Titel
BearbeitenSouveräne Monarchen oder Häuptlinge außerhalb des chinesischen Reiches wurden meist als Wang bezeichnet, auch in der Zeit ab der Han-Dynastie, als Wang bereits nicht mehr der Titel des Souveräns in China war. Dies folgte aus dem postulierten Machtanspruch des Huangdi und Tianzi, Oberherr über alle Wang zu sein.
Das moderne Chinesisch verwendet hingegen die wörtliche Übersetzung der Adelsformen für ausländische Monarchen, so galt etwa Viktoria als
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b c d e f China knowledge: Chinese History, wu jue
五 爵 The Five Titles of Nobility (englisch) - ↑ a b c Klaus Flessel: Geschichte, Zhou-Zeit. In: Roger Goepper (Hrsg.): Das Alte China. ISBN 3-572-00868-9, S. 54–65.
- ↑ Mit zwei Ausnahmen: Wang Mang und Cao Cao
- ↑ a b Klaus Flessel: Geschichte, Qin-Zeit. In: Roger Goepper (Hrsg.): Das Alte China. ISBN 3-572-00868-9, S. 66–71.
- ↑ Endymion Wilkinson: Chinese History: A Manual. Harvard 2000. ISBN 9780674002494. S. 108–110. Digitalisat