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Die Winkelgeschwindigkeit ist in der Physik eine vektorielleGröße, die angibt, wie schnell sich ein Winkel mit der Zeit um eine Achse ändert. Ihr Formelzeichen ist (kleines Omega). Die SI-Einheit der Winkelgeschwindigkeit ist . Sie spielt insbesondere bei Rotationen eine Rolle und wird dann auch als Rotationsgeschwindigkeit oder Drehgeschwindigkeit bezeichnet. In vielen Fällen, bei denen sich die Richtung der Drehachse im Bezugssystem nicht ändert, reicht die skalare Verwendung als Betrag des Vektors aus.
Die Winkelgeschwindigkeit wird durch einen Pseudovektor dargestellt, der die Drehachse und Schnelligkeit einer Rotationsbewegung angibt. Die Richtung des Vektors ist dabei senkrecht zur Rotationsebene und gibt die Rotationsrichtung an (gemäß der Korkenzieherregel). Seinen Betrag erhält man durch Ableitung des Rotationswinkels nach der Zeit :
.
Der Betrag der Winkelgeschwindigkeit wird bei Vorgängen verwendet, bei denen sich die Drehachse nicht ändert. Die Ursache für eine nicht konstante Winkelgeschwindigkeit ist eine Winkelbeschleunigung. Bei konstanter Winkelgeschwindigkeit vereinfacht sich der Ausdruck zu:
,
wobei der Winkel in der Zeit überstrichen wird.
Die Winkelgeschwindigkeit ist im Gegensatz zur Tangentialgeschwindigkeit unabhängig vom Radius. Die Bahngeschwindigkeit lässt sich dann als Kreuzprodukt aus Winkelgeschwindigkeit und Radiusvektor schreiben:
Obwohl die Kreisfrequenz und die Winkelgeschwindigkeit mit demselben Formelzeichen bezeichnet werden und obwohl sie in derselben Einheit gemessen werden, handelt es sich um zwei verschiedene physikalische Größen.
Die Winkelgeschwindigkeit gibt die Änderungsrate eines geometrischen Winkels an und wird im Zusammenhang von Drehbewegungen verwendet.
Die Kreisfrequenz dagegen ist eine abstrakte Größe im Kontext von Schwingungen.[1] Eine Schwingung kann mathematisch durch einen rotierenden Zeiger dargestellt werden (siehe Zeigermodell). Der Winkel des Zeigers wird als Phase oder Phasenwinkel bezeichnet.[2] Die Änderungsgeschwindigkeit dieses Phasenwinkels ist die Kreisfrequenz. Sie ist also – wie auch die Frequenz – ein Maß dafür, wie schnell eine Schwingung abläuft und hat – abgesehen von der Rotation des gedachten Zeigers – nichts mit einer Drehbewegung zu tun.
Winkelgeschwindigkeit des Sehstrahls
Ebene Bewegung
Der Geschwindigkeitsvektor v eines Teilchens P relativ zu einem Beobachter O kann in Polarkoordinaten zerlegt werden. Die radiale Komponente des Geschwindigkeitsvektors ändert die Richtung des Sehstrahls nicht. Zwischen der tangentialen Komponente und der Winkelgeschwindigkeit des Sehstrahls besteht die Beziehung:
Es ist anzumerken, dass die Winkelgeschwindigkeit des Sehstrahls vom (willkürlich) gewählten Ort des Beobachters abhängt.
Räumliche Bewegung
In drei Dimensionen ist die Winkelgeschwindigkeit sowohl durch ihren Betrag, als auch durch ihre Richtung gekennzeichnet.
Wie im zwei-dimensionalen Fall hat das Teilchen eine Komponente seines Geschwindigkeitsvektors in Richtung des Radiusvektors und eine weitere senkrecht dazu. Die Ebene, die durch den Ursprung geht und in der die senkrechte Komponente des Geschwindigkeitsvektors liegt, definiert eine Rotationsebene, in der das Verhalten des Teilchens für einen Augenblick wie im zwei-dimensionalen Fall erscheint. Die Rotationsachse ist dann senkrecht zu dieser Ebene und definiert die Richtung des Vektors der Winkelgeschwindigkeit. Radius- und Geschwindigkeitsvektor werden als bekannt vorausgesetzt. Es gilt dann:
Auch hier gilt, dass die so berechnete Winkelgeschwindigkeit vom (willkürlich) gewählten Ort des Beobachters abhängt. Eine Anwendung ist die Relativbewegung von Objekten in der Astronomie (siehe Eigenbewegung (Astronomie)).
Winkelgeschwindigkeit bei speziellen Bewegungsansätzen
Bei der Rotation von Körpern können Winkel zur Parametrisierung der Bewegung eingesetzt werden. Im Folgenden wird eine Auswahl häufig genutzter Ansätze beschrieben.
Komponenten von Euler-Winkeln in der z-y'-x″ Konvention
Im Fahrzeug- oder Flugzeugbau wird die Orientierung des fahrzeugfesten Systems relativ zum erdfesten System in Euler-Winkeln angegeben. Genormt sind drei aufeinander folgende Drehungen. Zuerst um die z-Achse des Systems g (Gierwinkel), dann um die y-Achse des gedrehten Systems (Nickwinkel) und schließlich um die x-Achse des körperfesten Koordinatensystems (Wank/Rollwinkel).
Die Winkelgeschwindigkeit des körperfesten Systems ergibt sich aus den Winkelgeschwindigkeiten um diese Achsen.
Der aufgesetzte Punkt bezeichnet die Zeitableitung. Diese Basis ist nicht orthonormal. Die Einheitsvektoren können jedoch mit Hilfe von Elementardrehungen berechnet werden.
Komponenten von Euler-Winkeln in der z, x', z" Konvention
In der Standard-x-Konvention (z, x', z"), siehe Abb. 4, wird zunächst mit dem Winkel α um die raumfeste z-Achse gedreht, dann mit dem Winkel β um die x-Achse in ihrer Lage nach der ersten Drehung (x'-Achse, im Bild die N-Achse) und schließlich mit dem Winkel γ um die z-Achse in deren Lage nach den beiden vorherigen Drehungen (Kurzzeichen z″, im Bild die Z-Achse).
Bezeichnen die Einheitsvektoren die raumfeste Standardbasis (blau in Abb. 4), dann lautet die Winkelgeschwindigkeit bezüglich der raumfesten Basis
In der bewegten Basis (rot in Abb. 4) ergibt sich gleichbedeutend:
benutzt werden. Bei einer gemeinsamen Rotation dieser Basisvektoren mit variablen Winkeln φ und θ entsteht die Winkelgeschwindigkeit
Mit ihr berechnen sich die Raten der Basisvektoren, beispielsweise gemäß
Winkelgeschwindigkeitstensoren
Definition des Winkelgeschwindigkeitstensors
Das Kreuzprodukt der Winkelgeschwindigkeit mit dem Ortsvektor kann als Vektortransformation des Ortsvektors durch den Winkelgeschwindigkeitstensor angesehen werden.
Denn eine reine Drehung von Vektoren wird durch orthogonale Tensoren, das sind orthogonale Abbildungen von Vektoren auf Vektoren, dargestellt: , siehe Bild. Darin ist Q der orthogonale Tensor mit der Eigenschaft (1 ist der Einheitstensor) und ist der Vektor auf den der feste Vektor abgebildet wird. Zeitableitung ergibt:
Der hier auftretende Winkelgeschwindigkeitstensor Ω ist schiefsymmetrisch (Ω┬=−Ω) wegen
Winkelgeschwindigkeitstensor und Winkelgeschwindigkeit
Jeder schiefsymmetrische Tensor W besitzt einen dualen Vektor mit der Eigenschaft für alle . Dieser duale Vektor ist beim Winkelgeschwindigkeitstensor die Winkelgeschwindigkeit:
Winkelgeschwindigkeitstensor bei rotierenden Vektorraumbasen
Aus den Raten von Vektoren einer Vektorraumbasis, die eine Starrkörperrotation ausführt, kann der Winkelgeschwindigkeitstensor direkt berechnet werden.
Denn der Tensor , in dem die Basisvektoren spaltenweise eingetragen sind, ist nach Voraussetzung invertierbar: Darin stehen det und die senkrechten Striche für die Determinante, deren Ungleichheit mit null die Invertierbarkeit garantiert. Im Fall einer gemeinsamen Starrkörperrotation der Basisvektoren folgt:
Umgekehrt gilt: Wenn die Zeitableitung eines Tensors G multipliziert mit seiner Inversen G−1 schiefsymmetrisch ist, dann können die Spaltenvektoren des Tensors als rotierende Basis aufgefasst werden. Im Fall, dass die Vektoren eine Orthonormalbasis bilden, ist der Tensor G orthogonal und es ergibt sich die schon erwähnte Beziehung
Exponential des Winkelgeschwindigkeitstensors
Bei konstanter Winkelgeschwindigkeit ist der Winkelgeschwindigkeitstensor ebenfalls konstant. Dann kann bei gegebenen Anfangswert G(t=0) über die Zeit integriert werden mit dem Ergebnis:
Denn die ersten vier Potenzen von Ω berechnen sich mit der BAC-CAB-Formel zu
für k = 1,2,3,.... (keine Summen) Mit der Definition Ω0 := 1 kann das Exponential exp des Winkelgeschwindigkeitstensors mit der Taylorreihe ermittelt werden:
Die letzte Gleichung stellt einen orthogonalen Tensor dar. Wenn Ω nur als schiefsymmetrischer Tensor ohne das Kreuzprodukt definiert wird, lässt sich das auf Drehungen in n Dimensionen verallgemeinern.
Winkelgeschwindigkeit des starren Körpers
Die Winkelgeschwindigkeit eines starren Körpers ist eindeutig, d. h. unabhängig von der Wahl des Ortes der Drehachse und bezüglich der Addition kommutativ, d. h. Winkelgeschwindigkeiten können wie (polare) Vektoren summiert werden.
Eindeutigkeit
Der starre Körper möge um eine beliebige Achse rotieren. Es wird gezeigt, dass die Winkelgeschwindigkeit unabhängig ist von der Wahl des Bezugspunkts, durch den die Achse führt. Dies bedeutet, dass die Winkelgeschwindigkeit eine unabhängige Eigenschaft des rotierenden starren Körpers ist.
Der Ursprung des Laborsystems ist in O, während O1 und O2 zwei Punkte auf dem starren Körper mit den Geschwindigkeiten bzw. sind. Angenommen die Winkelgeschwindigkeit relativ zu O1 bzw. O2 sei bzw. Da Punkt P und O2 jeweils nur eine Geschwindigkeit haben, gilt:
Die beiden obigen Gleichungen ergeben:
Da der Punkt P (und damit ) beliebig wählbar ist, folgt daraus:
Die Winkelgeschwindigkeit des starren Körpers ist somit unabhängig von der Wahl des Bezugspunkts der Drehachse. In Kraftfahrzeugen kann somit die Gierrate unabhängig vom Einbauort des Gierratensensors gemessen werden.
Kommutativität
Obwohl Drehungen im Allgemeinen in ihrer Reihenfolge nicht vertauscht werden dürfen, ist die Kommutativität der Addition bei der Winkelgeschwindigkeit gegeben. Es spielt keine Rolle, in welcher Reihenfolge die Komponenten der Winkelgeschwindigkeit oder ganze Winkelgeschwindigkeitsvektoren addiert werden (anders als bei Drehungen, siehe Bild).
Mathematisch wird das mit der Tensorrechnung nachgewiesen, denn Drehungen können mit orthogonalen Tensoren beschrieben werden, von denen zwei, Q1,2, gegeben seinen. Mit den Definitionen
für k = 1, 2 berechnet sich die Geschwindigkeit eines Vektors , der durch Drehung aus dem festen Vektor hervorgeht, zu:
Bei umgekehrter Reihenfolge der Rotationen, ergibt sich analog die im Allgemeinen andere Geschwindigkeit
Diese Identitäten gelten bei beliebig großen Rotationen. Berechnung der Geschwindigkeiten im Zustand Q1,2 = 1 liefert die Winkelgeschwindigkeiten am Ort Dann ist und die obigen Gleichungen spezialisieren sich zu
Somit ist die Kommutativität der Addition der Winkelgeschwindigkeiten erwiesen.
Anwendungen und Beispiele
Die Winkelgeschwindigkeit tritt in vielen Gleichungen und Anwendungsfällen der Physik, der Astronomie oder der Technik auf.
Ein Himmelskörper, der sich in einer Entfernung R von der Erde mit Geschwindigkeit senkrecht zur Sehlinie bewegt, zeigt am Himmel eine scheinbare Winkelgeschwindigkeit . Bei Meteoren (Sternschnuppen) kann sie bis zu 90° pro Sekunde ausmachen, sehr nahe Kleinplaneten oder Kometen können sich am Himmel einige Grad pro Stunde bewegen. Bei Sternen wird die Winkelgeschwindigkeit in Winkelsekunden pro Jahr angegeben und Eigenbewegung genannt.
Nach dem dritten Kepler’schen Gesetz verhalten sich die Quadrate der Umlaufzeiten T der Planeten wie die dritten Potenzen der großen Halbachsen a ihrer Bahnen. Die Winkelgeschwindigkeiten verhalten sich demnach wie („Kepler-Rotation“). Gemäß dem zweiten Kepler’schen Gesetz ist die Winkelgeschwindigkeit eines Planeten auf einer elliptischen Umlaufbahn in Bezug auf die Sonne vom jeweiligen Abstand abhängig und variiert somit längs der Bahn. Sie ist am größten, wenn der Planet sich im Perihel befindet, und am kleinsten, wenn er sich im Aphel befindet.
Bei der Rotation eines starren Körpers um eine ortsfeste Achse ist die Winkelgeschwindigkeit ω im Gegensatz zur Geschwindigkeit v vom Radius unabhängig. Seine Rotationsenergie und sein Drehimpuls sind Funktionen seiner Winkelgeschwindigkeit.
Die Winkelgeschwindigkeit eines Rotors in einem Elektromotor, der sich konstant mit 3.000 Umdrehungen pro Minute dreht, beträgt
Bei solchen Angaben von Drehzahlen werden auch Einheiten wie und verwendet, siehe dazu den Artikel Drehzahl.
Sei die Kreisfrequenz der harmonischen Schwingung eines Pendels mit der Amplitude. Dann berechnet sich die Winkelgeschwindigkeit des Pendels als Funktion der Zeit:
Bei Flugzeugen oder Pkw werden die Winkelgeschwindigkeiten in Komponenten des fahrzeugfesten Koordinatensystems angegeben. Entsprechend den x-, y-, z-Komponenten spricht man von Roll/Wankgeschwindigkeit, Nickgeschwindigkeit, Giergeschwindigkeit. Näheres dazu findet sich