„Fiale“ – Versionsunterschied

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[[Bild:Aeussere-Fiale_Kathedrale-von-Rheims.png|thumb|180px|Äußere Fiale am Strebewerk der [[Kathedrale von Reims]]]]
'''Fialen''' (von [[Italienische Sprache|italienisch]] ''foglia'', Blatt oder Nadel in der Pflanzenwelt) oder '''Pinakel''' sind schlanke, spitz zulaufende, flankierende Türmchen, die in der [[Gotik|gotischen]] Architektur der Überhöhung von [[Strebewerk|Strebepfeilern]] dienen.


== Gestaltung und Konstruktion ==
'''Fialen''' (von [[Italienische Sprache|italienisch]] ''foglia'', Blatt oder Nadel in der Pflanzenwelt) oder '''Pinakel''' sind aus Stein gemeißelte, schlanke, spitz auslaufende Türmchen, die in der [[Gotik|gotischen]] Architektur der Überhöhung von [[Wimperge]]n und [[Strebewerk|Strebepfeilern]] dienten. Neben dieser [[Ästhetik|ästhetischen]] Funktion haben sie häufig auch eine [[Baustatik|statische]], da sie die Konstruktion durch ihr Gewicht zusätzlich stabilisieren.
Eine Fiale besteht im Normalfall aus drei Teilen: Auf den unteren ''Fuß'' folgt als Hauptteil der meist vier- oder achtseitiger ''Leib'', der in der Regel mit Maßwerk-Blenden verziert sowie über jeder Seite mit einem Giebel versehen ist. Darüber erhebt sich der pyramidenförmige ''Helm'' oder ''Riese'', der an den Kanten meist mit [[Krabbe (Kunstgeschichte)|Krabben]] besetzt und von einer [[Kreuzblume]] bekrönt ist.<ref name=":0">[[Hans Koepf]], [[Günther Binding]]: ''Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar'' (= ''Kröners Taschenausgabe.'' Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X ([https://moodle.unifr.ch/pluginfile.php/975203/mod_resource/content/0/KOEPF%2C%20BINDING%2C%202005%2C%20Bildwoerterbuch%20der%20Architektur.pdf Digitalisat auf moodle.unifr.ch], abgerufen am 4. Januar 2024), S. 182.</ref> Der ''Fuß'' kann fehlen sowie der Übergang vom ''Leib'' zum ''Riesen'' durch eine Wimpergzone bereichert sein. Zur Wasserableitung von den Dächern ist manchmal durch den Leib der Fiale hindurch ein schmaler Schlitz gelegt und vor ihn ein Wasserspeier gesetzt.<ref>Friedrich Kobler: ''Fiale''. In: [[Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte]], Bd. VIII, 1980, Sp. 617–665. ([https://www.rdklabor.de/wiki/Fiale Online auf rdklabor.de], abgerufen am 4. Januar 2024)</ref>


Helm und Riese sind oft ähnlich gestaltet wie die Bekrönung eines [[Wimperg]]s, der manchmal von einem Paar Fialen gerahmt ist.<ref name=":0" />
Fialen bestehen meist aus einem vier- oder achteckigen Schaft bzw. Leib, der häufig eine aus [[Maßwerk]] bestehende Verzierung aufweist und im Mittelteil die Form eines [[Baldachin|Tabernakel]]s hat. Über dem Schaft befindet sich die oft mit einer [[Kreuzblume]] bekrönte, pyramidenförmige Spitze. Manchmal dienen sie auch als Träger von Bildsäulen.


Fialen sind aus [[Werkstein|Werksteinen]] oder Ziegelformsteinen gemauert. Neben der [[Ästhetik|ästhetischen]] Funktion der Bauzier haben Fialen beim gotischen [[Strebewerk]] oder bei Strebepfeilern auch eine zusätzlich wichtige [[Baustatik|statische]] Funktion, da sie als Auflast den seitlichen Schub aus den Strebebögen umleiten.
Frühe gedruckte Informationen über den Entwurf von Fialen finden sich im bei [[Georg Stuchs]] in [[Nürnberg]] erschienenen ''Fialenbuch'' und im ''Büchlein der Fialen Gerechtigkeit'' (1486) von [[Matthäus Roritzer]].

Fialen könne auch als rein verzierende Bekrönungen dienen, etwa von repräsentativen Schildgiebeln, wie beim [[Rathaus Münster]]. Manchmal dienen Fialen auch als Träger von Bildsäulen. [[Datei:Fiale neu 2.jpg|mini|hochkant|Oberer Teil einer Fiale aus der [[Bauhütte]] des Kölner Doms]]
== Fialen in Werkmeisterbüchern ==
Eine wichtige wissenschaftliche Quelle zum [[Entwerfen|Entwurf]] gotischer Fialen sind erhaltene mittelalterliche [[Werkmeisterbücher]]:

* Matthäus Roritzer: ''Büchlein der Fialen Gerechtigkeit'' (1486)<ref>Matthäus Roriczer: ''Puechlein der fialen gerechtikait.'' 1486. ([https://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/15Jh/Roriczer/ror_pu00.html online bei Bibliotheca Augustana]. Ausgabe Trier 1845: [https://books.google.de/books/about/Das_B%C3%BCchlein_von_der_Fialen_Gerechtigke.html?hl=de&id=uSHqAAAAMAAJ online bei Google books] bzw. [https://www.digitale-sammlungen.de/en/view/bsb10048477?page=3 bei MDZ München])</ref>
* Hans Schmuttermayer: ''Fialenbüchlein'' (1489)<ref>[[August Essenwein (Architekt)|August Essenwein]]: ''Hans Schmuttermayers Fialenbüchlein.'' In: [[Anzeiger für Kunde der teutschen Vorzeit|Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit]], Nr. 28, 1881, S. 65–78. ([[s:Hans Schmuttermayers Fialenbüchlein|Wikisource]])</ref><gallery class="center" caption="Bildbeispiele">
Datei:Aeussere-Fiale Kathedrale-von-Rheims.png|Äußere Fiale am Strebewerk der [[Kathedrale von Reims]]
Datei:Ritterkapelle Haßfurt.jpg|Fialenkranz am Chor der [[Ritterkapelle Haßfurt|Ritterkapelle Hassfurt]]
Datei:Münster, Historisches Rathaus, Giebelfiguren -- 2019 -- 3573.jpg|Schmuck-Fialen auf dem Giebel des [[Rathaus Münster|Rathauses von Münster/Westfalen]]
Datei:Spain Andalusia Seville BW 2015-10-23 14-24-17.jpg|Flankierende Fialen an einem Wimperg (Portal von San Miguel, Sevilla)
</gallery>

== Siehe auch ==

* [[Strebewerk]]
* [[Krabbe (Kunstgeschichte)|Krabbe]]
* [[Kreuzblume]]

== Literatur ==

* [[Hans Koepf]], [[Günther Binding]]: ''Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar'' (= ''Kröners Taschenausgabe.'' Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X ([https://moodle.unifr.ch/pluginfile.php/975203/mod_resource/content/0/KOEPF%2C%20BINDING%2C%202005%2C%20Bildwoerterbuch%20der%20Architektur.pdf Digitalisat auf moodle.unifr.ch], abgerufen am 4. Januar 2024), S. 182.
* Friedrich Kobler: ''Fiale''. In: [[Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte]], Bd. VIII, 1980, Sp. 617–665. ([https://www.rdklabor.de/wiki/Fiale Online auf rdklabor.de], abgerufen am 4. Januar 2024)


== Weblinks ==
== Weblinks ==
{{Commonscat|Pinnacles}}
# [http://forschung.gnm.de/ressourcen/bibliothek/01_htm/inc36045.htm Fialenbuch von Georg Stuchs]
{{Wiktionary}}

== Einzelnachweise ==
<references />

{{Normdaten|TYP=s|GND=4809484-5}}


[[Kategorie:Fassade]]
[[Kategorie:Fassadenschmuck]]
[[Kategorie:Gotik]]
[[Kategorie:Architektur der Gotik]]
[[Kategorie:Bauteil (Bauwesen)]]
[[Kategorie:Bauteil (Bauwesen)]]
[[Kategorie:Gotische Skulptur]]
[[Kategorie:Bauteil aus Stein]]

Aktuelle Version vom 26. Februar 2024, 19:15 Uhr

Fiale

Fialen (von italienisch foglia, Blatt oder Nadel in der Pflanzenwelt) oder Pinakel sind schlanke, spitz zulaufende, flankierende Türmchen, die in der gotischen Architektur der Überhöhung von Strebepfeilern dienen.

Gestaltung und Konstruktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Fiale besteht im Normalfall aus drei Teilen: Auf den unteren Fuß folgt als Hauptteil der meist vier- oder achtseitiger Leib, der in der Regel mit Maßwerk-Blenden verziert sowie über jeder Seite mit einem Giebel versehen ist. Darüber erhebt sich der pyramidenförmige Helm oder Riese, der an den Kanten meist mit Krabben besetzt und von einer Kreuzblume bekrönt ist.[1] Der Fuß kann fehlen sowie der Übergang vom Leib zum Riesen durch eine Wimpergzone bereichert sein. Zur Wasserableitung von den Dächern ist manchmal durch den Leib der Fiale hindurch ein schmaler Schlitz gelegt und vor ihn ein Wasserspeier gesetzt.[2]

Helm und Riese sind oft ähnlich gestaltet wie die Bekrönung eines Wimpergs, der manchmal von einem Paar Fialen gerahmt ist.[1]

Fialen sind aus Werksteinen oder Ziegelformsteinen gemauert. Neben der ästhetischen Funktion der Bauzier haben Fialen beim gotischen Strebewerk oder bei Strebepfeilern auch eine zusätzlich wichtige statische Funktion, da sie als Auflast den seitlichen Schub aus den Strebebögen umleiten.

Fialen könne auch als rein verzierende Bekrönungen dienen, etwa von repräsentativen Schildgiebeln, wie beim Rathaus Münster. Manchmal dienen Fialen auch als Träger von Bildsäulen.

Oberer Teil einer Fiale aus der Bauhütte des Kölner Doms

Fialen in Werkmeisterbüchern[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine wichtige wissenschaftliche Quelle zum Entwurf gotischer Fialen sind erhaltene mittelalterliche Werkmeisterbücher:

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Pinnacles – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Fiale – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Hans Koepf, Günther Binding: Bildwörterbuch der Architektur. Mit englischem, französischem, italienischem und spanischem Fachglossar (= Kröners Taschenausgabe. Bd. 194). 4., überarbeitete Auflage. Kröner, Stuttgart 2005, ISBN 3-520-19404-X (Digitalisat auf moodle.unifr.ch, abgerufen am 4. Januar 2024), S. 182.
  2. Friedrich Kobler: Fiale. In: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. VIII, 1980, Sp. 617–665. (Online auf rdklabor.de, abgerufen am 4. Januar 2024)
  3. Matthäus Roriczer: Puechlein der fialen gerechtikait. 1486. (online bei Bibliotheca Augustana. Ausgabe Trier 1845: online bei Google books bzw. bei MDZ München)
  4. August Essenwein: Hans Schmuttermayers Fialenbüchlein. In: Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, Nr. 28, 1881, S. 65–78. (Wikisource)