Botho Strauß

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Botho Strauß fotografiert von Oliver Mark, Uckermark 2007

Botho Strauß (* 2. Dezember 1944 in Naumburg) ist ein deutscher Schriftsteller und Dramatiker. Er gehörte vor allem in den 1970er bis 1990er Jahren zu den erfolgreichsten und meistgespielten zeitgenössischen Dramatikern auf deutschsprachigen Bühnen.

Botho Strauß fotografiert von Oliver Mark in seinem Wald in der Uckermark, 2007

Botho Strauß ist Sohn des Chemikers, Pharmazeuten und Medizinpublizisten Eduard Strauss, der 1950 nach der Enteignung aus der DDR flüchtete.[1] Nach dem Schulbesuch in Remscheid und Bad Ems[2][3] studierte er einige Semester Germanistik, Theatergeschichte und Soziologie in Köln und München und brach das Studium ohne Abschluss ab. Zwischen 1967 und 1970 war er Journalist bei der Zeitschrift Theater heute. Anschließend war er bis 1975 Dramaturg an der Schaubühne am Halleschen Ufer. Danach etablierte er sich als freier Schriftsteller.

Botho Strauß lebt heute in Berlin und in der Gemeinde Oberuckersee in der Uckermark.[4] Er hat mit der Rundfunkautorin Manuela Reichart[5] den 1988 geborenen Sohn Simon, der als Theaterkritiker und Schriftsteller tätig ist.

Werke und Bewertungen

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Strauß’ Erstlingswerke wurden von der Kritik positiv aufgenommen. So schrieb Marcel Reich-Ranicki am 10. August 1977 in der FAZ: „Denn was er schon kann, zeugt von Talent. Was ihm noch fehlt, lässt sich erlernen. Dieser Mann ist eine große Hoffnung unserer Literatur. Vielleicht wird von ihm der Roman seiner Generation kommen.“

Eine kontroverse Diskussion löste in der Literaturwissenschaft sein Roman Der junge Mann (1984) aus. Im Jahre 1985 publizierte er sein erstes längeres Gedicht (75 Seiten): Diese Erinnerung an einen, der nur einen Tag zu Gast war. Es berührt, in vielfältigen Strophenformen und Versmaßen gefasst, alle Formen des gesellschaftlichen Miteinanders der Menschen. Es ist der Versuch eines lyrischen Ichs, seine Position neu zu definieren. Im Jahre 1987 erhielt er den Bayerischen Literaturpreis (Jean-Paul-Preis)[6] zur Würdigung des literarischen Gesamtwerks.

Neben Theaterstücken hat Strauß Kurzgeschichten und Bücher mit Essays und Aphorismen verfasst. Darin setzt er sich auch mit naturwissenschaftlichen und philosophischen Fragen auseinander: Mit Fragen der Technik und der Evolution; so in Beginnlosigkeit (1992). Seit Ende der 1980er Jahre geriet er aufgrund seiner demokratie- und zivilisationskritischen Essays – allen voran Anschwellender Bocksgesang,[7] veröffentlicht 1993 im Spiegel – unter Kritik. Sätze wie, „dass ein Volk sein Sittengesetz gegen andere behaupten will und dafür bereit ist, Blutopfer zu bringen, das verstehen wir nicht mehr und halten es in unserer liberal-libertären Selbstbezogenheit für falsch und verwerflich“, wurden unter anderem von Ignatz Bubis scharf kritisiert. Später relativierte Bubis seine Kritik.[8][9] Der Essay wurde von Heimo Schwilk und Ulrich Schacht als Impuls und Basis genommen, um zusammen mit 25 weiteren Autoren[10] ihren programmatischen Sammelband Die selbstbewusste Nation zu erstellen.[11]

Lob und Kritik erschienen auch 2004 – anlässlich seines 60. Geburtstags – in der deutschen und internationalen Presse. Im Februar 2006 veröffentlichte Strauß: Der Konflikt (in Der Spiegel). 2005/2006 wurde in Paris und Berlin sein Stück Die Schändung uraufgeführt. 2006 erschienen seine 41 Kalendergeschichten (Mikado) im Hanser Verlag. Fünf Kalendergeschichten wurden mit acht Kreidezeichnungen von Neo Rauch im Verlag Kleinheinrich (Münster) in einer limitierten Auflage (180 Exemplare) unter dem Titel Der Mittler zusätzlich veröffentlicht. 2007 erschien seine erste Novelle: Die Unbeholfenen.

In seinem Essay: Der Maler löst den Bann (Der Spiegel, 30/2008) setzt er sich mit den „übermalten Fotos“ von Gerhard Richter auseinander. Durch die Kooperation mit Neo Rauch und die Bearbeitung von „übermalten Fotos“ von Gerhard Richter hat Strauß sein schriftstellerisches Werk auch auf die aktuelle Malerei bezogen. Eine Fortsetzung folgte 2009 in einer Kooperation mit Thomas Demand: Zu Fotografien der deutschen Geschichte seit 1945, die der bildende Künstler in der Neuen Nationalgalerie Berlin ausstellt, lieferte Botho Strauß unveröffentlichte Texte als Bildlegenden.[12]

Anfang April 2009 wurde am Bayerischen Staatsschauspiel Strauß’ neues Stück Leichtes Spiel. Neun Personen einer Frau von Dieter Dorn uraufgeführt. Dazu schreibt Gerhard Stadelmaier in der FAZ: „Das große Weiberwelttheater. Uraufführungen von B.S. sind die Feste des Theaters. Der Leichtnehmer Dorn ist der kongeniale Regie-Partner des Dramatikers Strauß, der das Schwerste leicht nimmt, weil er es nicht löst, sondern in der Schwebe hält …“[13] Das Stück Groß und klein wurde 2011 in englischer Übersetzung von der Sydney Theatre Company in der Hauptrolle mit Cate Blanchett aufgeführt; die Inszenierung kam 2012 nach Europa und war bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen, den Wiener Festwochen, am Théâtre de la Ville Paris sowie am Londoner Barbican zu sehen.[14] 2014 gab der Schriftsteller und Humorist Heinz Strunk, der Strauß als den „Autor seines Lebens“ bezeichnet, eine Sammlung seiner Erzählungen unter dem Titel Der zurück in sein Haus gestopfte Jäger heraus.[15]

Am 2. Oktober 2015 veröffentlichte der Spiegel die Glosse Der letzte Deutsche von Strauß. In dieser beklagt er angesichts der Flüchtlingskrise in Europa 2015 das aus seiner Sicht bevorstehende Ende der deutschen Geistesgeschichte.[16] In einem Interview mit Deutschlandradio bewertete der frühere Präsident des PEN-Zentrums Deutschland, Johano Strasser, die Glosse als eine aus kleinen Verbeugungen vor rechten, populistischen Strömungen bestehende Schrift.[17] Richard Kämmerlings sah in dem Text vor allem eine Provokation, die eine geistige, rein ästhetisch definierte Tradition als filternden Katalysator für alles Negative der Nationalgeschichte beschwört und in einen Traum vom unschuldigen Deutschland resultiert.[18] Der Schriftsteller Martin Mosebach verteidigte Strauß gegen diese Vorwürfe und sah in der Glosse weniger eine Abwehr gegen Migranten als eine Klage über den kulturellen Zustand Deutschlands und ein eigenschaftslos gewordenes Volk, das keine Verbindung zu seiner Vergangenheit hat. Den deutschen Feuilletons warf er vor, sich auf Strauß eingeschossen zu haben.[19]

Seine Werke werden in zahlreichen Sprachen publiziert. Im Frühjahr 2018 wechselte Strauß vom Hanser Verlag zu Rowohlt.[20] Strauß gibt selten Interviews und zeigt sich nicht vor der Kamera. Für einen Beitrag zu seinem 75. Geburtstag in der 3sat-Sendung Kulturzeit lud er ein Fernsehteam in sein Haus in der Uckermark.[21]

Er ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland.

[UA = Uraufführung; EA = Erstaufführung]

  • Volker Hage: Der Sinn für Vermissen. In: ders.: Schriftstellerporträts. Wallstein, Göttingen 2019, ISBN 978-3-8353-3557-8
  • Helga Arend: Botho Strauß. Literatur kompakt. Hrsg. von Gunter E. Grimm. Tectum, Marburg 2014, ISBN 978-3-8288-3327-2.
  • Helga Arend: Mythischer Realismus – Botho Strauß’ Werk von 1963 bis 1994. Wissenschaftlicher Verlag, Trier 2009, ISBN 978-3-86821-192-4.
  • Heinz Ludwig Arnold (Hrsg.): text + kritik, Zeitschrift für Literatur. Heft 81: Botho Strauß. 1984, ISBN 3-88377-162-7.
  • Thomas Assheuer: Tragik der Freiheit. Von Remscheid nach Ithaka. Radikalisierte Sprachkritik bei Botho Strauß. Transcript Verlag, Bielefeld 2014, ISBN 978-3-8376-2759-6.
  • Hans Peter Balmer: Condicio humana oder Was Menschsein besage. Moralistische Perspektiven praktischer Philosophie. readbox unipress, Münster 2018, ISBN 978-3-95925-067-2, S. 344–382.
  • Dirk Michael Becker: Botho Strauß: Dissipation. Die Auflösung von Wort und Objekt. Bielefeld 2004, ISBN 3-89942-232-5.
  • Geum Hwan Choo: Intertextualität in Botho Strauß’ Dramen anhand ausgewählter Stücke und Inszenierungen. München 2006.
  • Andreas Englhart: Im Labyrinth des unendlichen Textes. Botho Strauß’ Theaterstücke 1972–1996. De Gruyter, Berlin 2000, ISBN 3-484-66032-5.
  • Diana Florea, Simone Gottschlich, Anita Gröger, Alexandra Ludäscher, Irena Shikida (Hrsg.): AugenBlicke – Multiperspektivischer Zugang zum Werk von Botho Strauß. Königshausen & Neumann, Würzburg 2013, ISBN 978-3-8260-5118-0.
  • Pia-Maria Funke: Über das Höhere in der Literatur. Ein Versuch zur Ästhetik von Botho Strauß. 1996, ISBN 3-8260-1159-7.
  • Ralf Havertz: Der Anstoß. Botho Strauß’ Essay „Anschwellender Bocksgesang“ und die Neue Rechte. Eine kritische Diskursanalyse. 2 Bände. Traktor, Berlin 2008, ISBN 978-3-9811991-2-3 und ISBN 978-3-9811991-4-7.
  • Eva C. Huller: Griechisches Theater in Deutschland: Mythos und Tragödie bei Heiner Müller und Botho Strauß. Weimar / Köln 2007.
  • Peter Kapitza (Hrsg.): Botho Strauß. In: Fachdienst Germanistik. Sprache und Literatur in der Kritik deutschsprachiger Zeitungen. Nr. 1, Iudicium, München 2015, S. 12–16 (Zusammenfassung der Rezensionen zu Herkunft).
  • Christoph Kappes: Schreibgebärden – zur Poetik und Sprache bei Thomas Bernhard, Peter Handke und Botho Strauß. Würzburg 2006.
  • Marcin Nowak: Das „Leben in Scheidung“. Conditio humana im Werk von Botho Strauß. Dresden / Wrocław 2006, ISBN 3-934038-56-5 und 83-7432-107-5.
  • Thomas Oberender (Hrsg.): Unüberwindliche Nähe. Texte über Botho Strauß. Theater der Zeit, Berlin 2004, ISBN 3-934344-43-7.
  • Sascha Prostka: Implodierte Weltlichkeit. Botho Strauß und die literarisch-ästhetische Kritik der Globalisierung. Dissertation Universität Göteborg. Tectum Wissenschaftsverlag, Marburg 2018.
  • Franziska Regner: „Horchendes Verlauten“. Globale Resonanzräume in den Prosatexten von Botho Strauß. Dissertation, Universität Mannheim, 2008
  • Sebastian Schauberger: Permanenz der Urbilder. Mythische und biblische Anspielungen bei Botho Strauß. Dissertation, Universität Bielefeld, 2000 (Online, 670 kB).
  • Volker Hage: Liebe der ersten Nacht. Der erotische Erzähler Botho Strauß. In: ders.: Propheten im eigenen Land. dtv, München 1999, ISBN 3-423-12692-2
  • Jürgen Schröder: Who’s Afraid Of…? Botho Strauß und die deutsche Nachkriegsliteratur. In: Robert Weninger, Brigitte Rossbacher (Hrsg.): Wendezeiten – Zeitenwenden. Positionsbestimmungen zur deutschsprachigen Literatur 1945–1995. Stauffenburg Verlag, Tübingen 1997, S. 215–231.
  • Natascha Siouzouli: Wie Absenz zur Präsenz entsteht. Botho Strauß inszeniert von Luc Bondy. Transcript, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89942-891-9.
  • Nadja Thomas: Der Aufstand gegen die sekundäre Welt: Botho Strauss und die „Konservative Revolution“ (= Epistemata – Würzburger wissenschaftliche Schriften. Reihe Literaturwissenschaft). Königshausen & Neumann, Würzburg 2003, ISBN 978-3-8260-2693-5.
  • Philippe Wellnitz: Botho Strauß en dialogue avec le théâtre. Autoréférentialité théâtrale dans Trilogie du revoir, Grand et petit, Kalldewey, farce. Orizons, Paris, 2010, ISBN 978-2-296-08764-4.
  • Stefan Willer: Botho Strauß zur Einführung. Junius, Hamburg 2000, ISBN 3-88506-317-4.

Einzelnachweise

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  1. Reinhard Pabst: Dieser Herr wohnt hier nicht mehr. Lokaltermin in Bad Ems: Was die kleine Kurstadt mit der großen Vergangenheit über die Herkunft von Botho Strauß verrät. In: FAZ, 22. Dezember 2014, S. 11
  2. rowohlt-Theaterverlag :: Strauß, Botho. In: rowohlt-theaterverlag.de. Archiviert vom Original am 8. März 2014; abgerufen am 8. März 2014.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.rowohlt-theaterverlag.de
  3. über seine Jugend in Bad Ems veröffentlichte Strauß im Herbst 2014 einen Bericht: Herkunft, Hanser Verlag
  4. Hubert Spiegel: Zu Besuch bei Botho Strauß: Der alte Junge. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 23. September 2019]).
  5. Verdachtsdebatte um Simon Strauß und die Rechte (Memento vom 24. November 2018 im Internet Archive) auf br.de vom 17. Januar 2018, abgerufen am 4. April 2019 (archivierte Version)
  6. Träger des Jean-Paul-Preises (Memento vom 27. Juni 2015 im Internet Archive), Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst.
  7. Anschwellender Bocksgesang. In: Der Spiegel. Nr. 6, 1993, S. 202–207 (online).
  8. Wegbereiter wie Nolte. Ignatz Bubis erläutert seine Intellektuellen-Schelte. In: Der Spiegel. Nr. 16, 1994 (online).
  9. Anschwellender Bocksgesang. (Memento vom 5. August 2007 im Internet Archive) Technische Universität Dresden, 1993.
  10. Martin Doerry: Lehrmeister des Hasses. In: Der Spiegel. Nr. 42, 1994 (online).
  11. FOCUS Online: Die „neuen“ Rechten.
  12. Nationalgalerie (Memento vom 9. September 2009 im Internet Archive).
  13. Gerhard Stadelmaier: Das große Weiberwelttheater. Botho Strauß in München. FAZ, 6. April 2009, abgerufen am 21. Februar 2012. Siehe auch: Christopher Schmidt: Die neunfache Frau. Süddeutsche Zeitung, 3. April 2009, abgerufen am 21. Februar 2012.
  14. Cate Blanchett spielt Botho Strauß. (Memento vom 6. Oktober 2014 im Internet Archive) Rowohlt-Theaterverlag, 28. November 2011.
  15. FOCUS Online: Heinz Strunk über den „Autor seins Lebens“. Abgerufen am 7. Mai 2022.
  16. Der letzte Deutsche. In: Der Spiegel. Nr. 41, 2015 (online).
  17. Johano Strasser zum „Spiegel“-Artikel – Botho Strauß zündelt wieder.
  18. Richard Kämmerlings: Deutsche Überlieferung? Eine Antwort auf Botho Strauß. via www.welt.de, 6. Oktober 2015;.
  19. Botho Strauß’ Flüchtlingskulturstreit – „Etwas problematisch zu finden, wird als rassistisch gebrandmarkt“.
  20. Botho Strauß in Zukunft bei Rowohlt. buchmarkt.de, 26. Januar 2017, abgerufen am 28. Januar 2017.
  21. Botho Strauß. In: 3sat. Kulturzeit, 28. November 2019, abgerufen am 30. Mai 2023.