Straßenverkehrsgesetz
I. - Verkehrsvorschriften (§§ 1 - 6g) |
(1) 1Zum Schutz vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde die in Absatz 5 genannten Maßnahmen (Fahreignungs-Bewertungssystem) zu ergreifen. 2Den in Satz 1 genannten Vorschriften stehen jeweils Vorschriften gleich, die dem Schutz
1. | von Maßnahmen zur Rettung aus Gefahren für Leib und Leben von Menschen oder | |
2. | zivilrechtlicher Ansprüche Unfallbeteiligter |
dienen. 3Das Fahreignungs-Bewertungssystem ist nicht anzuwenden, wenn sich die Notwendigkeit früherer oder anderer die Fahreignung betreffender Maßnahmen nach den Vorschriften über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Absatz 1 oder einer auf Grund § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung ergibt. 4Das Fahreignungs-Bewertungssystem und die Regelungen über die Fahrerlaubnis auf Probe sind nebeneinander anzuwenden.
(2) 1Für die Anwendung des Fahreignungs-Bewertungssystems sind die in einer Rechtsverordnung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 Buchstabe b bezeichneten Straftaten und Ordnungswidrigkeiten maßgeblich. 2Sie werden nach Maßgabe der in Satz 1 genannten Rechtsverordnung wie folgt bewertet:
1. | Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern in der Entscheidung über die Straftat die Entziehung der Fahrerlaubnis nach den §§ 69 und 69b des Strafgesetzbuches oder eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet worden ist, mit drei Punkten, | |
2. | Straftaten mit Bezug auf die Verkehrssicherheit oder gleichgestellte Straftaten, sofern sie nicht von Nummer 1 erfasst sind, und besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten jeweils mit zwei Punkten und | |
3. | verkehrssicherheitsbeeinträchtigende oder gleichgestellte Ordnungswidrigkeiten mit einem Punkt. |
3Punkte ergeben sich mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird. 4Soweit in Entscheidungen über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auf Tateinheit entschieden worden ist, wird nur die Zuwiderhandlung mit der höchsten Punktzahl berücksichtigt.
(3) 1Wird eine Fahrerlaubnis erteilt, dürfen Punkte für vor der Erteilung rechtskräftig gewordene Entscheidungen über Zuwiderhandlungen nicht mehr berücksichtigt werden. 2Diese Punkte werden gelöscht. 3Die Sätze 1 und 2 gelten auch, wenn
1. | die Fahrerlaubnis entzogen, | |
2. | eine Sperre nach § 69a Absatz 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches angeordnet oder | |
3. | auf die Fahrerlaubnis verzichtet |
worden ist und die Fahrerlaubnis danach neu erteilt wird. 4Die Sätze 1 und 2 gelten nicht bei
1. | Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 2a Absatz 3, | |
2. | Verlängerung einer Fahrerlaubnis, | |
3. | Erteilung nach Erlöschen einer befristet erteilten Fahrerlaubnis, | |
4. | Erweiterung einer Fahrerlaubnis oder | |
5. | vereinfachter Erteilung einer Fahrerlaubnis an Inhaber einer Dienstfahrerlaubnis oder Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis. |
(4) Inhaber einer Fahrerlaubnis mit einem Punktestand von einem Punkt bis zu drei Punkten sind mit der Speicherung der zugrunde liegenden Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c für die Zwecke des Fahreignungs-Bewertungssystems vorgemerkt.
(5) 1Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat gegenüber den Inhabern einer Fahrerlaubnis folgende Maßnahmen stufenweise zu ergreifen, sobald sich in der Summe folgende Punktestände ergeben:
2Die Ermahnung nach Satz 1 Nummer 1 und die Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 enthalten daneben den Hinweis, dass ein Fahreignungsseminar nach § 4a freiwillig besucht werden kann, um das Verkehrsverhalten zu verbessern; im Fall der Verwarnung erfolgt zusätzlich der Hinweis, dass hierfür kein Punktabzug gewährt wird. 3In der Verwarnung nach Satz 1 Nummer 2 ist darüber zu unterrichten, dass bei Erreichen von acht Punkten die Fahrerlaubnis entzogen wird. 4Die nach Landesrecht zuständige Behörde ist bei den Maßnahmen nach Satz 1 an die rechtskräftige Entscheidung über die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit gebunden. 5Sie hat für das Ergreifen der Maßnahmen nach Satz 1 auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat. 6Bei der Berechnung des Punktestandes werden Zuwiderhandlungen
7Spätere Verringerungen des Punktestandes auf Grund von Tilgungen bleiben unberücksichtigt.
(6) 1Die nach Landesrecht zuständige Behörde darf eine Maßnahme nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 oder 3 erst ergreifen, wenn die Maßnahme der jeweils davor liegenden Stufe nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 oder 2 bereits ergriffen worden ist. 2Sofern die Maßnahme der davor liegenden Stufe noch nicht ergriffen worden ist, ist diese zu ergreifen. 3Im Fall des Satzes 2 verringert sich der Punktestand mit Wirkung vom Tag des Ausstellens der ergriffenen
1. | Ermahnung auf fünf Punkte, | |
2. | Verwarnung auf sieben Punkte, |
wenn der Punktestand zu diesem Zeitpunkt nicht bereits durch Tilgungen oder Punktabzüge niedriger ist. 4Punkte für Zuwiderhandlungen, die vor der Verringerung nach Satz 3 begangen worden sind und von denen die nach Landesrecht zuständige Behörde erst nach der Verringerung Kenntnis erhält, erhöhen den sich nach Satz 3 ergebenden Punktestand. 5Späteren Tilgungen oder Punktabzügen wird der sich nach Anwendung der Sätze 3 und 4 ergebende Punktestand zugrunde gelegt.
(7) 1Nehmen Inhaber einer Fahrerlaubnis freiwillig an einem Fahreignungsseminar teil und legen sie hierüber der nach Landesrecht zuständigen Behörde innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Seminars eine Teilnahmebescheinigung vor, wird ihnen bei einem Punktestand von ein bis fünf Punkten ein Punkt abgezogen; maßgeblich ist der Punktestand zum Zeitpunkt der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung. 2Der Besuch eines Fahreignungsseminars führt jeweils nur einmal innerhalb von fünf Jahren zu einem Punktabzug. 3Für den zu verringernden Punktestand und die Berechnung der Fünfjahresfrist ist jeweils das Ausstellungsdatum der Teilnahmebescheinigung maßgeblich.
(8) 1Zur Vorbereitung der Maßnahmen nach Absatz 5 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei Erreichen der jeweiligen Punktestände nach Absatz 5, auch in Verbindung mit den Absätzen 6 und 7, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln. 2Unabhängig von Satz 1 hat das Kraftfahrt-Bundesamt bei jeder Entscheidung, die wegen einer Zuwiderhandlung nach
1. | § 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Strafgesetzbuches, | |
2. | den §§ 316 oder 323a des Strafgesetzbuches oder | |
3. | den §§ 24a oder 24c |
ergangen ist, der nach Landesrecht zuständigen Behörde die vorhandenen Eintragungen aus dem Fahreignungsregister zu übermitteln.
(9) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Entziehung nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 haben keine aufschiebende Wirkung.
(10) 1Ist die Fahrerlaubnis nach Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 entzogen worden, darf eine neue Fahrerlaubnis frühestens sechs Monate nach Wirksamkeit der Entziehung erteilt werden. 2Das gilt auch bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis, wenn zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verzichtes mindestens zwei Entscheidungen nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c gespeichert waren. 3Die Frist nach Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, beginnt mit der Ablieferung des Führerscheins nach § 3 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit dessen Satz 4. 4In den Fällen des Satzes 1, auch in Verbindung mit Satz 2, hat die nach Landesrecht zuständige Behörde unbeschadet der Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis zum Nachweis, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederhergestellt ist, in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen.
Fassung aufgrund des Vierten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 12.07.2021
Inkrafttreten | Änderungsgesetz | Ausfertigung | Fundstelle |
---|---|---|---|
28.07.2021 | Viertes Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften | 12.07.2021 | |
05.12.2014 | Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes, der Gewerbeordnung und des Bundeszentralregistergesetzes | 28.11.2014 | |
01.05.2014 | Fünftes Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze | 28.08.2013 | |
09.12.2010 | Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Kraftfahrsachverständigengesetzes | 02.12.2010 |
ermächtigung § 1kAusnahmen § 1lEvaluierung § 2Fahrerlaubnis und Führerschein § 2aFahrerlaubnis auf Probe § 2bAufbauseminar bei Zuwiderhandlungen innerhalb der Probezeit § 2cUnterrichtung der Fahrerlaubnis-
behörden durch das Kraftfahrt-
Bundesamt § 3Entziehung der Fahrerlaubnis § 4Fahreignungs-
Bewertungssystem § 4aFahreignungsseminar § 4bEvaluierung § 5Verlust von Dokumenten und Kennzeichen § 5a(weggefallen) § 5bUnterhaltung der Verkehrszeichen § 6Verordnungs-
ermächtigungen § 6aGebühren § 6bHerstellung, Vertrieb und Ausgabe von Kennzeichen § 6cHerstellung, Vertrieb und Ausgabe von Kennzeichen-
vorprodukten § 6dAuskunft und Prüfung § 6eFühren von Kraftfahrzeugen in Begleitung § 6fEntgelte für Begutachtungsstellen für Fahreignung § 6gInternetbasierte Zulassungsverfahren bei Kraftfahrzeugen
Rechtsprechung zu § 4 StVG
2.806 Entscheidungen zu § 4 StVG in unserer Datenbank:
- VG Düsseldorf, 01.09.2022 - 6 K 4721/21
Stadt Düsseldorf darf "Auto-Posen" nach derzeit geltendem Recht nicht verbieten
- VGH Hessen, 07.02.2023 - 2 B 1699/22
Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Fahreignungsbewertungssystem nach Erreichen ...
- VGH Bayern, 03.09.2024 - 11 CS 24.1400
Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem, Durchlaufen ...
- BVerwG, 18.06.2020 - 3 C 14.19
Das Tattagprinzip des Fahreignungs-Bewertungssystems wird durch das ...
Zum selben Verfahren:
- VGH Bayern, 06.10.2017 - 11 CS 17.953
Rechtswidriger Entzug der Fahrerlaubnis
- VGH Bayern, 18.06.2019 - 11 BV 18.778
Begrenzung des Tattagprinzips durch absolutes Verwertungsverbot
- VG München, 27.04.2017 - M 6 S 16.5923
Abgabe des Führerscheins bei der Fahrerlaubnisbehörde - Antrag auf Anordnung der ...
- VG München, 28.02.2018 - M 6 K 16.5922
Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem
- VGH Bayern, 06.10.2017 - 11 CS 17.953
- OVG Nordrhein-Westfalen, 25.11.2020 - 16 B 854/20
Verringerung des Punktestandes - Kenntniserlangung der Behörde i. S. d. § 4 Abs 6 ...
Zum selben Verfahren:
Querverweise
Auf § 4 StVG verweisen folgende Vorschriften:
- Straßenverkehrsgesetz (StVG)
- IV. - Fahreignungsregister
- VI. - Fahrerlaubnisregister
- § 50 (Inhalt der Fahrerlaubnisregister)
- VII. Gemeinsame Vorschriften, Übergangsbestimmungen
- § 65 (Übergangsbestimmungen)
- Bundeszentralregistergesetz (BZRG)
- Das Zentralregister
- Rechtswirkungen der Tilgung
- § 52 (Ausnahmen)
Redaktionelle Querverweise zu § 4 StVG:
- Strafprozeßordnung (StPO)
- Allgemeine Vorschriften
- Ermittlungsmaßnahmen
- § 111a (Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis)
- Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
- Verfahren
- Besondere Vorschriften für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen
- § 80 II 1 Nr. 3 [Aufschiebende Wirkung, vorläufiger Rechtsschutz] (zu § 4 VII 2)