StandpunkteTerror-Versteher Hintergrund:
Verständnis für alles und jedenvon Dirk Maxeiner
und Michael Miersch Tookie Williams war ein "Kinderbuchautor" und Clarence Ray ist ein "kranker Greis". So werden der kürzlich Hingerichtete und der nächste Todeskandidat in Kaliforniens Gefängnissen den Lesern eines Internetportals für Kinder vorgestellt. Warum die beiden verurteilt wurden wird nur am Rande erwähnt. Auch von ihren Opfern und deren Hinterbliebenen ist keine Rede. Ausführlich wird dagegen erklärt, dass Kaliforniens Gouverneur Schwarzenegger ein ziemlich mieser Typ ist. Wenn Mörder ihrem Tun obendrein ein politisches oder religiöses
Mäntelchen überstülpen, können sie sich vor Verständnis
kaum noch retten. Das war schon in den siebziger Jahren so, als sich
die Intellektuellen heftige Sorgen um deutsche Terroristen machten. Die
meisten ihrer Opfer, darunter etliche Menschen die zufällig im Weg
standen, blieben anonym. Auch bei freigelassenen Geiseln gehört es mittlerweile zum guten Ton, Freundlichkeiten über die Kidnapper zu äußern. Susanne Osthoff gab in ihren schwer verständlichen Statements allen möglichen Faktoren Schuld und Mitschuld an ihrer Entführung - außer den Entführern selbst. Manfred Chrobog berichtete zwar, die Entführung hätte begonnen "mit einer schweren Schießerei, bei der unser Fahrer um ein Haar ums Leben gekommen wäre." Aber - Schwamm drüber - im Grunde seien er und die anderen Geiseln "anständig" behandelt worden. Er lobte die Gastfreundschaft der Banditen und schildert die Entführung als "sehr interessante Erfahrung". Alles halb so schlimm, und wer wird denn diesen edlen Wilden einen Vorwurf machen, wenn sie sich nicht an bürgerliche Gesetze halten. Ist es das "Stockholm-Syndrom", wie Psychologen die Identifikation von Opfern mit ihren Peinigern nennen (benannt nach einem spektakulären Geiselraub in Schweden)? Es sind jedoch nicht allein Betroffene, die diesen beklemmend milden Blick auf die Täter werfen. Die sozialpädagogische Sicht auf Gewaltverbrecher, die in den siebziger Jahren aufkam, scheint nun endgültig allgemeinverbindlich geworden zu sein. "Denn wir sind die Guten, die Allesversteher," bringt es der Publizist Richard Herzinger diese Haltung auf den Punkt. Wenn eine Geisel mal aus der Rolle fällt, wird sie öffentlich zurechtgewiesen. So geschah es dem im Irak entführten Australier Douglas Wood, der nach der Befreiung auf seine Kidnapper schimpfte. In einem Teil der australischen Presse wurde er dafür als übler Rüpel dargestellt. Auch Judea Pearl, der Vater von Daniel Pearl, dem 2002 von pakistanischen Islamisten der Kopf abgeschnitten wurde, weigert sich in den Verständnis-Chor einzustimmen. Er kritisiert den moralischen Relativismus, der sich in den westlichen Gesellschaften breit macht. Der Unterschied zwischen Terroristen und Freiheitskämpfern sei nur eine Frage der Betrachtung, lautet das populäre Mantra dieses Relativismus. Pearl wirft Steven Spielberg vor, diese Denkart in seinem Film "München" zu verbreiten. Spielberg verkenne, dass es eine zivilisatorische Notwendigkeit sei, dass Übeltäter mit Konsequenzen rechen müssen. Stattdessen können sie in der westlichen Welt heute auf jeder Menge Verständnis zählen. Mit Ausnahme von Vergewaltigung, Kindesmord und Kindesmissbrauch spielt die öffentliche Begleitmusik das Lied vom bedauernswerten Täter, der das eigentliche Opfer sei, weil er schlechte Eltern hatte, im Sandkasten gehänselt wurde oder sich gegen die Überlegenheit der Ungläubige, Christen und Juden wehren muss. So wird Tookie Williams zum Kinderbuchautor und islamistische Kopfabschneider zu Widerstandkämpfern. Öffnen wir also unser weites Herz: Mao war ein sensibler Dichter, Radovan Karadzic Schriftsteller und der Ex-Koch Idi Amin war der verkannte Witzigmann Ugandas. Tja und hätte die Wiener Kunstakademie den jungen Adolf Hitler nicht abgewiesen, hätte der auch nicht so schlechte Laune bekommen.
Copyright © 1996-2007 Dirk Maxeiner und Michael Miersch. |
|||