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Maxeiner und Miersch: Standpunkte. Thema Weltgipfel
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Wortmarke Maxeiner und Miersch

Standpunkte

Weltgipfel

Hintergrund:
Auf dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung rückt der Zusammenhang zwischen Armut und Umweltverschmutzung in den Vordergrund. Westliche Wachstumskritiker haben damit ein Problem.

 

Wachstum ist die Antwort

von Michael Miersch

Die medial anschwellende Hintergrundmusik zum Weltgipfel in Johannesburg tönt genauso düster wie vor Rio, Kyoto und jeder beliebigen Klima-, Artenschutz- oder Walfangkonferenz: Wasserknappheit, Tropenwaldverlust, Ressourcenschwund und, und, und. Man hat man sich daran gewöhnt, dass der Zweckpessimismus den Ton angibt und der seit dreißig Jahren für todkrank erklärte Planet dennoch munter weiterlebt. Viele behaupten, Übertreibungen seien nötig, um Umweltschutz populär zu machen. Irrtum! "Skandalisierung," sagt der Medienwissenschaftler Mathias Kepplinger, "ruft eher resignative Apathie als kritisches Engagement hervor." Die Umweltverbänden könnten es also ruhig einmal mit etwas selbstkritischer Reflexion und sauberen Fakten versuchen. Die Welt ist besser als uns Untergangspropheten einreden wollen. Aber eben nicht gut genug.

Neben dem üblichen Lamento, dass zuwenig geschehe, um die Welt zu retten, kommt aus der Öko-Ecke diesmal noch eine zweite Kritik am Weltgipfel. Angeblich ginge es in Johannesburg zu sehr um Entwicklung und zu wenig um Umwelt. Genau das aber macht die Stärke des zweiten Weltgipfels aus und könnte dazu führen, dass diese Konferenz tatsächlich einen Schritt weiter führt. Es war sehr weise von den Vereinten Nationen, die Armut in den Vordergrund zu stellen und nicht hypothetische Gefahren, wie eine möglicherweise drohende Klimakatastrophe oder trickreich hochgerechnete Aussterberaten.

Klaus Töpfer gibt den richtigen Ton an, wenn er sagt: "Armut ist der schlimmste Feind der Umwelt." Aus nackter Not müssen Millionen Menschen Wälder plündern, um ein wenig Feuerholz zu ernten. Weil sie arm sind müssen sie dreckiges Wasser trinken und in den Städten verpestete Luft atmen.

Untersuchungen der Weltbank zeigen: Wenn Menschen die Armut überwinden, fangen sie an, sich um ihre Umwelt zu kümmern. Steigt der Wohlstand, werden auch Luft und Wasser sauberer. Dennoch ist es nach wie vor in Mode, Verzicht statt Wachstum zu predigen. Als gäbe es keine Effizienzrevolution, keine technischen Fortschritt, als sei die Erde ein Kuchen, bei dem es nur auf die möglichst gleichmäßige Aufteilung ankommt. Die Wasserkrise in ist doch das beste Beispiel: Wasser kann man nicht verbrauchen, nur verschmutzen. Das Wasser geht uns nicht aus. Ob auch in Trockengebieten für alle Menschen genügend Wasser zur Verfügung steht, ist eine technische und eine politische Frage.

Würden die reichen Industriestaaten tatsächlich aus ökologischen Gründen ihr Wachstum bremsen, wäre dies eine Katastrophe für die Wirtschaft der Entwicklungsländer. Mehr Armut und damit mehr Umweltzerstörung wären die direkte Folge. "Wachstum ist der Schlüssel, um die Menschen aus Armut zu befreien", erklärte US-Außenminister Colin Powell zum Johannesburg Gipfel. Nordamerika und Europa sind die besten Beispiele. Dort wachsen die Wälder, sind Gewässer und Luft wieder sauber, kehren verloren geglaubte Tierarten zurück. In den reichen Ländern war die Umweltverschmutzung am schlimmsten Jahre bevor sie zum großen Thema wurde. Doch damals hatten die Menschen auch hier andere Sorgen, weil sie arm waren. Genauso ist es heute in vielen Entwicklungsländern.

Amerika und Europa könnten tatkräftig mithelfen, dass weltweit der Wohlstand steigt, und die Menschen für eine saubere Umwelt sorgen können. "Handel stellt Hilfe in den Schatten," sagt Powell. Stimmt, doch leider unterstützen die Vereinigten Staaten und Europa den globalen Freihandel nur auf den Gebieten, wo sie selbst am stärksten sind. Typische Exportwaren aus armen Ländern, wie Agrarprodukte oder Textilien werden mit hohen Zöllen an den Grenzen der reichen Länder abgeschmettert. Gleichzeit subventionieren Amerikaner und Europäer ihre heimische Landwirtschaft, und drücken deren Überschüsse obendrein auf den Weltmarkt. Würden diese Subventionen abgeschafft und dürften die Armen an der Globalisierung der Märkte teilnehmen, würde das weitaus mehr Wohlstand hervorbringen als alle Entwicklungshilfe zusammen.

Globale Umweltpolitik muss, so Klaus Töpfer "effizienter, konkreter, besser" werden. Effizient wäre eine Öffnung der europäischen und nordamerikanischen Märkte für die armen Länder. Konkret wäre eine technische Offensive zur Wasserreinigung (denn an verseuchtem Wasser sterben jährlich mehrere Millionen Kinder). Eine Hinwendung der internationalen Umweltdiskussion zu den wirklichen Problemen der Menschen wäre besser als das Beschwören hypothetischer Untergangsszenarien.

Doch wirkliche Probleme verlangen mehr als nur ökologische Sonntagsreden: konkretes Handeln. Und da wird es für viele Politiker unangenehm. Deutschland ist derzeit das beste Beispiel dafür. Man könnte wirksame Schritte einleiten, um Flutkatastrophen in Zukunft zu abzumildern: Öffnung der zu engen Flussbetten, Umwandlung von Ackerland in Überschwemmungswiesen, Anpflanzung von Auwäldern. Stattdessen flüchten Kanzler und Kandidat in nebulöse Klimaspekulationen.

Hoffentlich hat der Weltgipfel genügend Mut zum Konkreten. Egal ob Ökopessimisten und Ideologen danach enttäuscht sind. Jeder Schritt zu mehr Wachstum und Wohlstand in armen Ländern ist ein Schritt in eine bessere Umwelt.

 

Erschienen in Die Welt vom 29.08.02