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Machtwechsel in Ägypten
Mursi abgesetzt, Verfassung ausgesetzt
Die ägyptische Armee hat den ersten demokratisch gewählten Präsident des Landes, Mohammed Mursi, für abgesetzt erklärt und vorgezogene Präsidentschaftswahlen angekündigt. Mursi werde durch den derzeitigen Präsidenten des Verfassungsgerichts, Adli Mansour, abgelöst. Das sagte Verteidigungsminister Abdel Fattah al Sisi in einer Fernsehansprache. Der Interimspräsident soll am Donnerstag vereidigt werden.
Mursi steht nach Angaben der Muslimbrüderschaft unter Hausarrest. Auch die meisten Mitglieder des Präsidententeams stünden unter Arrest, teilte der Sprecher der Bruderschaft, Gehad El-Haddad über Twitter mit. Auch zwei führende Politiker der von den Muslimbrüdern gegründeten Partei für Freiheit und Gerechtigkeit (FJP) seien verhaftet worden, darunter der frühere Parlamentspräsident und heutige Präsident der FJP, Mohamed Saad El Katatny.
Armee setzt Ägyptens Präsident Mursi ab
nachtmagazin 00:15 Uhr, 04.07.2013, Florian Gediehn, ARD Kairo
Armeechef Sisi sagte, die unter dem Einfluss von Islamisten ausgearbeitete Verfassung sei ausgesetzt; sie solle überarbeitet werden. Die Regierungsgeschäfte werde ein Technokratenkabinett - also ein Gremium parteipolitisch unabhängiger Fachleute - übernehmen. Die künftige Regierung werde weitgehende Befugnisse haben und "alle nationalen Kräfte" einschließen.
Krisentreffen mit Opposition und kirchlichen Vertetern
Der politische Fahrplan sei mit Politikern und anderen öffentlichen Personen beschlossen worden, erklärte Sisi. Seiner Rede war ein Krisentreffen der Militärführung mit den Spitzen der Opposition und hohen kirchlichen Würdenträgern vorausgegangen. Oppositionsführer und Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei sagte, Sisis Ankündigungen entsprächen den Forderungen der Opposition.
Das Ultimatum des ägyptischen Militärs an Mursi war um 17.00 Uhr abgelaufen. Die Armee hatte angedroht, wenn Mursi das Ultimatum verstreichen lasse, werde sie selbst einen Fahrplan für einen Ausweg aus der Krise verkünden und die Umsetzung der entsprechenden Maßnahmen überwachen.
Unmittelbar nach der Mursi-Entmachtung wurden offenbar auch Fernsehsender der Islamisten abgeschaltet. Beim Sender "Misr25" der regierungsnahen Muslimbruderschaft wurde laut Augenzeugen die Ausstrahlung schlagartig unterbrochen. Auch der Islamistensender "Al Hafes" und der Salafistensender "Al Nas" seien betroffen, berichtete die staatliche Zeitung "Al Ahram".
Präsident auf Twitter: Mursi will Entmachtung nicht akzeptieren
Auf einer der offiziellen Twitterseiten des entmachteten Staatsoberhauptes Mursi hieß es, es handele sich bei seiner Absetzung um einen "Putsch". Dieses Vorgehen werde von allen freien Menschen abgelehnt, die für ein ziviles, demokratisches Ägypten gekämpft hätten. Zugleich rief er die Ägypter auf, friedlich zu bleiben und Blutvergießen zu vermeiden.
Sechs Menschen sterben
Auf dem Kairoer Tahrir-Platz, dem zentralen Protestort der Opposition, versammelten sich Hunderttausende Mursi-Gegner. Nach Sisis Ansprache gab es großen Jubel und ein Freundenfeuerwerk. Mursis Unterstützer kamen im Stadtteil Nasr City zusammen und riefen "Nein zur Militärregierung".
Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern Mursis und Sicherheitskräften sind mindestens sechs Menschen getötet und 173 Menschen verletzt worden. Den Angaben zufolge handelte es sich bei den Todesopfern um Mursi-Anhänger.
Panzer und Soldaten bezogen laut AFP nahe einer Demonstration von Mursi-Anhängern in Kairo Stellung. Auch an wichtigen Staatseinrichtungen und in der Nähe der Schauplätze der Proteste marschierten Soldaten auf. Gepanzerte Fahrzeuge und Soldaten waren in voller Kampfausrüstung zu sehen. Der Armeechef sprach im Fernsehen eine Warnung an bewaffnete Gruppen aus. Die Polizei werde Gewalt "entschieden" entgegentreten, sagte Sisi.
Stand: 04.07.2013 02:45 Uhr