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Dortmunder Nazis und der Terror des NSU

21. Mai 2013 von | 1 Kommentar

Die Nazi-Band "Weisse Wölfe" mit Dortmunder Teilbesetzung posiert mit Waffen.

Das Dortmunder Neonazi-Netzwerk war enger mit dem Umfeld des terroristischen NSU verflochten, als bisher bekannt. Nach Recherchen der WAZ besuchten Neonazis aus Dortmund bereits im Jahr 1995 gemeinsam mit dem späteren Terroristen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), Uwe Mundlos, ein Treffen gewaltbereiter Neonazis aus der extremistischen „Blood & Honour“-Szene im ostdeutschen Gera. Dies geht aus Überwachungsprotokollen der Thüringer Polizei hervor, die der WAZ-Mediengruppe vorliegen. Ein direkter Kontakt des NSU zu Dortmunder Neonazis war bislang nicht nachgewiesen.

Weitere Kontakte aus Dortmund in das NSU-Umfeld lassen sich aus Unterlagen des Bundeskriminalamtes nachweisen. So trafen sich etwa im Jahr 2001 Dortmunder Neonazis im Rahmen der rechtsradikalen Gefangenenhilfe HNG mit der prominenten NSU-Unterstützerin Antje Pobst. Diese hatte der NSU-Terroristin Beate Zschäpe ihren Pass zum Abtauchen in den Untergrund zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus finden sich im Adressbuch des NSU-Sprengstoffbeschaffers Thomas Starke die Telefonnummer der Dortmunder Nazi-Band Oidoxie. Aus den Handydaten des Thomas Starke lässt sich zudem nachweisen, dass sich dieser NSU-Unterstützer Ende der 90er Jahre häufig im Dortmunder Raum aufhielt. In einer angefangenen SMS schreibt Starke aus dem Dortmunder Raum: „Bin gestern Nachmittag mal hier ein Stück gelaufen, nur Türken, da fällt dir nichts mehr ein.“ Ein Ostdeutsche Kontaktmann aus dem NSU-Umfeld antwortet per SMS: „Isses so schlimm mit den Kanaken? Da weiß man ja, wo nächstes Mal aufgeräumt werden muss.“

Am 4. April 2006 erschossen die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Dortmund den Kioskbesitzer Mehmet Kubaşık.

Ermittler des Verfassungsschutzes sagten der WAZ im Schutz der Anonymität, ein denkbares Motiv für den Mordanschlag auf Kubaşık sei die so genannte Strategie der „Kommunikation der Tat“. Der Mord habe eventuell als Fanal dienen sollen, weitere Gewalttaten rechter Extremisten in Dortmund zu provozieren. Ein Mitglied der damaligen Naziszene in Dortmund sagte der WAZ: „Wir wollten Terroristen werden“. Wie aus Unterlagen hervorgeht, die dieser Zeitung vorliegen, hatten Dortmunder Neonazis mit Kontakten zum NSU teilweise über Mittelsmänner Zugang zu Waffen und Sprengstoffen. Immer wieder kam es aus ihrem Umfeld zu schweren Gewalttaten und sogar Morden. So tötete der Neonazi Michael Berger im Jahr 2000 drei Polizisten bevor er sich selbst erschoss. In der Naziszene wurden die Morde gefeiert. „3:1 für Deutschland“ hieß es auf einem Flyer, den Dortmunder Nazis anschließend verteilten.

Bei der „Kommunikation der Tat“ handelt es sich um eine der wichtigsten Strategien des Blood & Honour Netzwerkes. Demnach sollten Unterstützer, die in einer scheinbaren Normalität leben, untergetauchten Neonazi-Zellen bei ihren Anschlägen helfen. Die Anschläge selbst sollten für sich sprechen – ohne Bekennerschreiben und Hinweise auf die Täter. So hoffen die militanten Neonazis lange unentdeckt operieren zu können. Verstehen sollen die Anschläge nur, wer die Strategie im Hintergrund begreift. Eine Tat sollte so neue Taten provozieren. Unter diesem Label vermuten Ermittler Brandanschläge auf türkische Wohnhäuser, Überfälle auf türkische Arbeiter, Angriffe auf Andersdenkende. Die Täter begreifen sich als politische Soldaten. Die Organisation „Blood & Honour“ wurde im Jahr 2000 verboten. Die Funktionäre machen aber unter anderem Namen weiter.

Die Dortmunder Neonazis denen Drähte zum NSU-Umfeld nachgewiesen werden können, gehören zur besonders gewaltbereiten Szene im Ruhrgebiet. Einer der festgestellten Nazi ist beispielsweise Marco Gottschalk, Sänger der Band Oidoxie. Er selbst und seine Band treten immer wieder unter dem Label „Combat 18“ auf. Bei dieser Gruppe handelt es sich um einen besonders militanten Flügel des Blood & Honour Netzwerkes. Ein weitere Neonazi, der sowohl bei dem Treffen in Gera, als auch dem HNG-Treffen dabei war, ist Carsten J. Dieser Dortmunder stand damals in engem Kontakt mit den höchsten deutschen Blood & Honour-Funktionären und führte selbst eine Gruppe von bis zu 30 Dortmunder Neonazis an, aus deren Kreis immer wieder Überfälle geplant und durchgeführt wurden.

1 Kommentar zu diesem Beitrag

  1. #1

    Gut recherchiert.
    Wenn man(n) den Fokus erweitert, dann gibt es da noch bedeutend mehr. Einer dieser Foki: Nationalsozialisten, die sich formell – auch ins Ausland – absetzten, und eine vermeintlich neue Karriere begannen. Ein konkretes Beispiel: Joachim Sondern, war in Hessen Organisator im rechtsextremistischen Spektrum – auch von mit Gewalt verbundenen Aktionen -, entsprechend vom Landesverfassungsschutz Hessen schriftlich erwähnt. Ist heute auf den Kanarischen Inseln, betreibt von dort seinen Blog http://www.buergerstimme.com. Unter Berücksichtigung der Informationen, wie sich heute Nationalsozialisten – auch argumentativ – tarnen lohnend sich Beiträge insbesondere von ihm anzusehen.
    Bis mir klar wurde, worum es sich hier handelt, habe ich selbst dort eine Reihe Beträge veröffentlicht. So vor ca. zwei Jahren eine Reihe von Beiträgen über die Braune-Armee-Fraktion. That’s life.

    Lothar Klouten am 23. Mai 2013 um 09:19

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