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Hausärzte: Streik trotz gestiegener Honorare | Politik - Frankfurter Rundschau
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15. September 2010

Hausärzte: Streik trotz gestiegener Honorare

Arztpraxis in Frankfurt an der Oder.  Foto: dpa

Tausende Hausärzte schließen aus Protest gegen die Gesundheitsreform ihre Praxen. Angaben der Krankenkassen, dass die Ärztehonorare seit 2007 kräftig gestiegen sind, nennen sie "sinnlose Zahlen- und Datenschlachten".

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Berlin –  

In Großveranstaltungen in Essen und Sindelfingen wollten die Ärzte ihrem Ärger über die Sparpläne von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) Luft machen. Der Deutsche Hausärzteverband erwartete, dass eine Anzahl in oberer vierstelliger Größenordnung protestiert. Ostdeutschland sei weniger betroffen.

«Die Ärzte wissen, dass die Reform in einer Woche ins Kabinett kommen soll», sagte der Verbandssprecher. Die Motivation für den Protest sei hoch. Die Hausärzte wenden sich gegen den Plan, dass neue Hausarztverträge in der Regel nicht mehr mit höherem Honorar einhergehen sollen. Alte Abschlüsse sollen geschützt bleiben.

Die Hausärzte warnen aber vor einem Ende dieser Modelle, die auch zu einer besseren Versorgung führen sollten. Verbandschef Ulrich Weigeldt sagte: «Die Hausarztverträge sollen ausgebremst werden, bevor sie bundesweit ihre Wirkung entfalten konnten.» Die Mediziner sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Mit der Warnung, Patientenleben seien gefährdet, hatten sie im Juli Empörung ausgelöst.

Rösler rief die Ärzte zur Ordnung. «Den Protest auf dem Rücken von Patienten auszutragen, halte ich einfach für unfair - gegenüber ihren Patienten», sagte er der «Rheinischen Post». «Wir wollen keinem Hausarzt etwas wegnehmen. Sondern wir wollen - wie bei anderen Akteuren im Gesundheitswesen - künftige Ausgabenzuwächse zeitweilig begrenzen.»

Im Schnitt 164.000 Euro aus Honoraren der gesetzlichen Kassen

Die Ärztehonorare sind nach einer Aufstellung der Krankenkassen zwischen 2007 und 2009 im Durchschnitt um rund elf Prozent gestiegen. Rein rechnerisch hatte jeder der rund 150.000 Ärzte und Psychotherapeuten 2009 etwa 164.000 Euro Einkommen aus Honoraren der gesetzlichen Kassen. Darauf wies der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung am Mittwoch vor dem Hintergrund der bundesweiten Praxisschließungen hin.

Die frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte den Ärzten 2008 einen erheblichen Zuschlag beim Honorar versprochen. Daraufhin einigten sich Ärzte und Krankenkassen auf ein Plus von 3,5 Milliarden Euro für 2009 im Vergleich zu 2007. Tatsächlich angekommen sind nach Angaben des GKV-Spitzenverbands 3,051 Milliarden Euro. Insgesamt stieg die Summe der Ärztehonorare den Angaben zufolge von 27,745 Milliarden Euro im Jahr 2007 auf 30,795 Milliarden im vergangenen Jahr.

Rein rechnerisch beziffern die Kassen das Plus auf 22.000 Euro je Arzt. Rund 2.000 Euro davon setzen sie für zusätzliche Kosten in der Praxis an. Die Einkommen sind aber sowohl regional als auch bei den Arztgruppen unterschiedlich verteilt.

In Hamburg lag das durchschnittliche Honorarplus der Mediziner den Angaben zufolge bei gut 24 Prozent, in Niedersachsen bei gut 20 Prozent. Die niedergelassenen Ärzte in Thüringen bekamen 23,6 Prozent mehr, die in Sachsen-Anhalt 19 Prozent. Den geringsten Anstieg gab es in Bayern mit 2,6 Prozent und in Baden-Württemberg mit 3,5 Prozent. Betrachtet man nur die Zeit von 2008 bis 2009, sanken die Honorare in Baden-Württemberg um 1,5 Prozent.

Für das Jahr 2007 schlüsselt der Kassenverband auf, dass Hausärzte mit damals 116.000 Euro Jahreseinkommen - das sind die Einnahmen abzüglich der Aufwendungen nach einer Definition des Statistischen Bundesamts - am unteren Ende der Einkommensskala lagen. Spitzenverdiener unter den Medizinern waren Orthopäden mit 186.000 Euro und Radiologen mit 264.000 Euro Jahreseinkommen.

Der Ärzteverband Hartmannbund kritisierte im Zusammenhang mit den Protesten „sinnlose Zahlen- und Datenschlachten um angebliche oder tatsächliche Arzthonorare“ und warf den Kassen Propaganda vor. Der Eindruck, es gehe nur ums Geld, sei fatal und falsch. Vielmehr gehe es um eine gute Versorgung durch „angemessen bezahlte Ärzte“.

Der Berufsverband der Frauenärzte kritisierte dagegen die Aktionen der Hausärzte. Deren besondere Verträge mit den Kassen hätten negative Folgen für die Gynäkologen. „Ein weiterer Anstieg der Honorare bei den Allgemeinärzten wird in der Konsequenz zu einer Mittelkürzung bei anderen Arztgruppen führen“, erklärte Verbandschef Christian Albring. (dapd/dpa)

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