Fünf Berufe, die es so nicht mehr gibt – Teil 2

Türmer, Kirchenschweizer und Leichenbitter: Vergessene Kirchenberufe

Veröffentlicht am 30.10.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Im Laufe der Jahrhunderte hat sich die Kirche verändert – und so auch die Berufe und Aufgaben, die mit ihr verbunden sind. Einige Tätigkeiten, die noch vor ein paar hundert Jahren üblich waren, gibt es so heute nicht mehr. Katholisch.de präsentiert fünf von ihnen.

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Kirchenschweizer

Wer Wallfahrtskirchen oder große Kathedralen wie den Kölner Dom betritt, dem sind die Domschweizer vielleicht bereits aufgefallen: In traditionellen Talaren sind sie Ansprechpartner für die Besucher und sorgen dafür, dass Ruhe und Ordnung herrscht und die Verbote innerhalb des Gotteshauses eingehalten werden. Was viele nicht wissen: Früher waren Kirchenschweizer in nahezu allen Kirchen üblich. Bereits im Mittelalter gab es sogenannte Domstäbler, die mit einem großen Stab ausgerüstet während der Gottesdienste für Ruhe sorgten und in den Seitenschiffen auf- und abgingen. 

Der Begriff Kirchenschweizer hat übrigens tatsächlich etwas mit dem Land Schweiz zu tun: Im 17. und 18. Jahrhundert waren es oft ehemalige Soldaten aus der politisch neutralen Schweiz, die ins Ausland gingen, um beim Militär oder als Wachpersonal Geld zu verdienen. Bekanntestes Beispiel ist die 1506 von Papst Julius II. aufgestellte Schweizergarde. So wie die Kirchenschweizer nach und nach aus vielen Gotteshäusern verschwunden sind, hat sich auch das Berufsbild des Domschweizers gewandelt: Seit 2019 gibt es in Köln auch Domschweizerinnen.

Leichenbitter

Den Beruf eines Leichenbitters kann man sich wie eine Todesanzeige auf zwei Beinen vorstellen: Nach einem Todesfall zog der Leichenbitter von Hof zu Hof oder von Haus zu Haus und klopfte an die Türen und Fenster, um die Nachricht des Todes zu verbreiten und im Namen der Hinterbliebenen zum Begräbnis einzuladen. Das Haus betreten durfte der Leichenbitter dabei nicht – zu sehr war sein Beruf mit dem Tod verbunden und den wollte man nicht zu sich ins Haus holen.

Neben dem Ansagen haben Leichenbitter auch andere Aufgaben übernommen, etwa die Leichenwäsche, das Läuten der Kirchenglocken oder das Ausheben des Grabs. Außerdem arrangierte er die Beerdigung und war auch bei der Durchführung der Bestattung der Zeremonienmeister. Insofern können die Leichenbitter durchaus als eine Frühform des Bestatters gewertet werden. Diese Berufsgruppe übernimmt heute viele der Aufgaben, für die früher der Leichenbitter zuständig war.

In die heutige Zeit hinübergerettet hat sich der Beruf auch in einer Redensart: Wer ganz bewusst traurig schaut, setzt eine sprichwörtliche Leichenbittermiene auf.

Rosenkranz, Gebetskette
Bild: ©katholisch.de (Symbolbild)

Verschiedene Rosenkranz-Gebetsketten

Paternostermacher

Wie diese Berufsbezeichnung möglicherweise schon verrät, fertigten Paternostermacher Rosenkränze an. Oftmals wurden die Handwerker auch als Bernsteindreher bezeichnet, denn das am häufigsten verwendete Material für Rosenkränze war Ostsee- oder Baltischer Bernstein. Für die Herstellung der Rosenkränze wurden darüber hinaus aber auch Elfenbein, Holz, Perlmutt, Horn oder Koralle benutzt.

Die ersten Paternostermacherzünfte entstanden im 14. Jahrhundert in den Hansestädten Lübeck und Brügge – weit weg von den Küstenabschnitten der Ostsee, die Bernstein lieferten. So versuchte der Deutschritterorden, der anfangs die Rechte am Bernsteinsammeln und -verkaufen hatte, den Schwarzhandel mit dem kostbaren Material auszutrocknen. Für die Bearbeitung wurden die Bernsteine zunächst sortiert, dann in perlgroße Stücke geschnitten und später geschliffen und poliert.

Mit der Reformation nahm die Bedeutung der Paternostermacher immer weiter ab und im 19. Jahrhundert verschwanden auch die Zünfte. Heute werden Rosenkränze vereinzelt noch in Klöstern per Hand hergestellt.

Diese Frau wacht über Münster

Sie hat einen der ungewöhnlichsten Berufe Deutschlands: die Türmerin Martje Saljé. Hoch oben auf dem Turm der Kirche St. Lamberti in Münster hält sie Ausschau nach Gefahren, die der Stadt drohen. Durch ihren Beruf fühlt sich die Türmerin dem Himmel näher – auch spirituell.

Türmer

Obwohl dieser Beruf im Mittelalter unendlich wichtig war, wurde er gleichzeitig als "unehrlich" empfunden: der Türmer. Vom höchsten Turm der Stadt – meist Kirchtürme oder Türme der Stadtbefestigung – aus warnte er mit Hornsignalen die Bevölkerung vor Bränden oder herannahenden Feinden. Oft wohnte der Türmer mit seiner Familie sogar auf dem Turm, hielt sich dort manchmal sogar Vieh.

Zusätzlich zu dieser Wächterfunktion gehörte bisweilen auch das stündliche Schlagen einer Glocke oder das Blasen eines Horns zur Zeitangabe zu den Aufgaben des Türmers. Warum der Beruf als unehrlich empfunden wurde, kann mehrere Gründe haben: Mancherorts war das Türmeramt etwa dem Henker zugeordnet. Oft wurden auch fahrende Spielleute als Turmwächter und -bläser engagiert, die ebenfalls kein hohes soziales Ansehen hatten.

Ein modernes Feuerwarn- und Löschwesen hat den Türmer heute überflüssig gemacht. Lediglich aus Traditionsbewusstsein gibt es in einigen Städten wieder Türmer. Trotzdem ist beispielsweise die Turmstube der St.-Lamberti-Kirche in Münster telefonisch mit der Berufsfeuerwehr Münster verbunden – die Türmer konnten so bereits mehrfach Feuer entdecken, bevor jemand anderes die Feuerwehr alarmieren konnte.

Zeidler

Schon in der Antike war Honig ein wichtiges Handelsgut. Die Römer nutzten bei ihren religiösen Festen bereits Kerzen aus Wachs – die Kirche tat später dasselbe und wurde im Mittelalter zum wichtigsten Wachsabnehmer. Für diesen Wachsnachschub verantwortlich war seit dem Frühmittelalter der Zeidler, eine Art Waldimker.

Anders als der Imker im heutigen Sinne hielten die Zeidler Bienenvölker nicht in gezimmerten Bienenstöcken oder Bienenkörben, sondern kletterten auf Bäume und hieben in luftiger Höhe Höhlen in die Baumstämme, in denen sich die Bienenvölker niederlassen sollten. Die Zeidler hatten als Zunft einige Privilegien: Sie hatten etwa eigene Gerichte und polizeiliche Befugnisse, was Honigdiebe anging. Außerdem durften sie eine Armbrust als Waffe tragen – mussten im Gegenzug aber auch ihren Landesherren in Kriegen als Schützen dienen.

Neben der Einfuhr von Rohrzucker und dem Anbau von Zuckerrüben im 17. Jahrhundert, war für das das Verschwinden der Zeidler auch die Reformation verantwortlich: Durch die Protestantisierung benötigten Kirchen weniger Kerzenwachs.

Eng mit dem Zeidler verbunden ist der Beruf des Kerzenziehers. Er tauchte den Docht (oder mehrere Dochte gleichzeitig) immer wieder in flüssiges Bienenwachs und zog sie wieder heraus, bis die Kerze die gewünschte Dicke hatte. Da sich dieser handwerkliche Vorgang industriell gut automatisieren ließ, verlor auch dieser Beruf Ende des 19. Jahrhunderts seine Bedeutung.

Von Christoph Brüwer