laut.de-Biographie
Coldplay
Mit schwebenden Akkorden, weinerlich verzerrten Gitarren und tränenartig tropfenden Rhythmen signalisieren Coldplay: Die Schönheit der Welt muss eine traurige sein. Dass sie gleich mit dem Debütalbum "Parachutes" alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, überrascht eigentlich fast, so unscheinbar wirken die Britpopper.
Chris Martin (Gesang, Gitarre, Piano), Guy Berryman (Bass), Jon Buckland (Gitarre) und Will Champion (Schlagzeug) lernen sich 1996 am Londoner College kennen.
Nach den EPs "Safety" und "Brothers & Sisters", dem ersten NME-Hype um Coldplay, beweisen die Label-Scouts von EMI Gespür und nehmen die Band 1999 unter Vertrag. Sie sollten es nicht bereuen. Das Quartett befindet sich auf einem Eroberungsfeldzug.
Erst fällt die britische Heimat, dann Europa, bis die Welle dank des Geniestreichs "A Rush Of Blood To The Head" auch in die USA überschwappt. Von solch einem Erfolg haben Oasis immer bloß geträumt. Konsequenz: Zwei Alben und drei Grammys später gelten Coldplay als die größte Rock/Pop-Formation des Planeten.
Nicht zuletzt aufgrund der Liaison von Frontmann Martin mit Schauspielerin Gwyneth Paltrow zieren Coldplay die Magazintitel, etwa weil die Namenswahl beim ersten Kind (Apple) Hohn und Spott zur Folge hat. Im April 2006 wird Martin zum zweiten Mal Vater, Gwyneth bringt einen Jungen namens Moses Bruce Anthony zur Welt.
Abseits der Titelseiten machen die anderen beiden Bandmitglieder von sich Reden. Bassist Guy Berryman und Keyboarder Will Champion gastieren 2004 auf dem Soloalbum des A-ha-Keyboarders Magne Furuholmen.
Berrymans und Furuholmens Zusammenarbeit hält sich über Jahre, bis beide 2008 die Band Apparatjik ins Leben rufen. Mit von der Partie sind Jonas Bjerre, Sänger und Gitarrist bei Mew, sowie Martin Terefe, der schon als Produzent und Songschreiber sowohl für A-ha, als auch Magnes Soloalben tätig war.
Chris Martin nutzt währenddessen seine ungeteilte Medienaufmerksamkeit, um auf die Aktion "Make Trade Fair" der Organisation Oxfam hinzuweisen, die sich für die Gleichberechtigung von Landwirten in Entwicklungsländern einsetzt. Auch für Amnesty International wirbt der umtriebige Martin.
Während die Oberfläche weiter glänzt und funkelt und die Band von einem roten Teppich zum nächsten geschleift wird, zeigen sich hinter der Fassade erste Auflösungserscheinungen: "Die ganzen Gala-Dinners und all die Award-Zeremonien haben die Band entkräftet. Ich hätte am liebsten alle Awards verbrannt", erinnert sich Chris Martin.
In der Stunde der Not blickt der Sänger hilfesuchend zurück. Die Rettung heißt: Rückbesinnung. So richtet sich die Band in Camden ein eigenes Studio ein. Das Ziel: Man will sich wieder ungestört aufeinander einlassen und arbeiten wie zu Beginn der Karriere. Der Plan geht auf: "Plötzlich standen wir wieder zu viert in einem kleinen Raum und spielten 80 Prozent der neuen Sachen live ein. Das war ein tolles Gefühl."
Zusammen mit den Produzenten Brian Eno, Markus Dravs, Rik Simpson und Jon Hopkins gelingt der Band im Sommer 2008 der längst überfällige interne Befreiungsschlag ("Viva La Vida Or Death And All His Friends").
Euphorisiert vom wiedergefundenen Spaß an der Arbeit legt die Band im November 2008 nach und beglückt ihre Fan-Gemeinde mit der EP "Prospekt's March".
Nach drei gewonnen Grammy-Awards und einer flächendeckenden Welt-Tournee beginnen Coldplay im Jahr 2009 mit den Arbeiten an ihrem nächsten Album. Zwei Jahre erklimmen sie mit "Mylo Xyloto" bereits zum dritten Mal den Gipfel der Billboard-Charts.
Während die Anhänger begeistert in die Hände klatschen, werfen Kritiker der Band eine Ausschlachtung des Stadionformats vor. Auch die Zusammenarbeit mit Rihanna ("Princess Of China") sorgt in Experten-Kreisen für hitzige Diskussionen.
Die Band jedoch zeigt sich rundum glücklich: "Mit diesem Album setzen wir neue Maßstäbe in punkto Melodien und Fülle", sagt Chris Martin im Anschluss an die Produktion mit stolzgeschwellter Brust.
Doch bereits während der anschließenden Europa-Tournee werden die kritischen Stimmen immer lauter. Zu aufgesetzt und zu pompös gehe die Band zu Werke. "Kitsch statt Kunst" diagnostiziert man vielerorts.
Die Kritik geht an den Verantwortlichen nicht spurlos vorbei. Drei Jahre später präsentieren sich Coldplay weitgehend befreit von überproduziertem Arena-Schnickschnack auf ("Ghost Stories"). Das führt dazu, dass die Briten im Mai 2014 auch in Kritiker-Kreisen wieder vermehrt mit dem Begriff 'cool' in Verbindung gebracht werden. Nur um ein Jahr später mit "A Head Full Of Dreams", das laut der Band vielleicht ihr letztes Werk sein könnte, ein weiteres Mal eine 180-Grad-Wende hinzulegen und mit Avicii, Beyoncé und Noel Gallagher erneut beim Sound von "Mylo Xyloto" zu landen. Diesen Weg beschreiten sie auch mit "Kaleidoscope". Konfetti-Pop für den Ballermann ...
2019 legen sie mit "Everyday Life" wieder eine Kehrtwende hin. Man kann über Coldplay vieles sagen, aber sicher nicht, dass sie monoton ihren Stiefel runter spielen würden. Künstlerisch bleiben sie immer in Bewegung, auch wenn die viele Abzweigungen sie weit weg von ihren so prachtvollen Einstieg mit den beiden Alben "Parachutes" und "A Rush Of Blood To The Head" brachte. Nicht immer zu Freude der Kritiker, auch am 2021 erscheinenden "Music Of The Spheres" etwas auszusetzen haben. Dieses sei hochwertig produziert, jedoch mit so einem durchtriebenen Grad an Perfektion und Formelhaftigkeit, dass es schon wieder aalglatt und ohne Persönlichkeit vor sich hintreibt.
Chris Martin hat dafür nur ein müdes Lächeln übrig: "Wir waren nie cool und werden es auch nie sein."
1 Kommentar
Mit dem Geschnulze kann man mich Quälen