laut.de-Kritik
Eine neue Kammer für Deutschrap: Aufs-Maul-Trap aus Südberlin.
Review von Stefan Johannesberg"Rap will mehr als SP-12 und S-900 Imagepflege", so zerlegte der King of Rap einst mit einer Line die rucksacktragenden Primo-Biter im Deutschland der 90er. Savas-Buddy Fler sieht sich heuer – oder besser gesagt: seit drei Alben - selbst auf einer eigenen, modernen Mission of Music, of Trap Music. Und das auf Deutsch.
Immerhin attestierte selbst die auf Süüüdbörlön Maskuulön einen Fick gebende Kollegin Dani Fromm dem Fler auf dem echt nicht heißen "Hinter Blauen Augen" "wirklich mächtige Synthiebeats", scheiterte aber vorhersehbar an der - auch im US-Trap-Game – selten vorhandenen Poesie und den Achtfach-Reimen. Sprich: Fler flext nicht und baut auch keine deepe Doppelbödigkeit ins Reimschema. Young Fleezy muckt auf und muckt laut. Genau richtig also für Waka Wudo aka Jo-Beezy.
Nach kurzem "The Fan"-Intro mit Snipes und DE Niro rotzt Fler im Opener seines neunten Albums die Schmerzen aus seinem Innersten nach außen wie Curse. Der Südberliner lässt Capone 'n Noreaga - "I got scars on top of scars" – sprechen und war "schon seit meiner Kindheit das schwarze Schaf, kein Vater da außer Vater Staat. Damals im Heim kein Gute-Nacht-Kuss, jede Nacht mit Sonny Black im Nachtbus". Cool, ehrlich und geschickt, auch sein Snowman-Vorbild fährt neben Straßen-Style die Struggle-Nummer für alle.
Doch bereits im zweiten Track "Pheromone" macht sich die Aufs-Maul-Trap-Variante breit. Die Highhats ticken wie Dealer, die Drums schleichen schwer, die Synthies knurren und - wenn nötig - tippen die Produzenten um Produes, Bo Diggler und MMinx auch pathetischen Bombast in Software und Keyboard. Was gut ist für den Rick Ross, ist kein Problem für the "Biggest Boss".
Lyrisch lehnt sich Fler natürlich wieder weit aus dem Fenster. Drive-by, und begrüßt ignorant und konsequent alle Hater, hi hi. In der dicken, maskulinen Hose wartet neben Fleischklumpen Richtung Farid sogar die eine oder andere Überraschung auf den Stan: "Neureicher Wichser, neureicher Wichser, neureicher Wichser, neureicher Wichser, ich fick' sie alle, zehn von zehn, die Haute Couture, Crème de la Crème." Oder die Bestandsaufnahme der Klassengesellschaft von Jihad in "Produkt Der Umgebung": "Die reichen Wichser wollen mich nicht oben sehen, am besten Hartz4 und Drogen nehmen. Seitdem ich klein bin, will ich was erreichen, jede Menge lila Scheine, Wasserzeichen."
Wäre das Album nicht schon erfreulich kurzweilig und mutig genug, zaubern die Magier am Mixer auf "Meine Farbe" neben Synthie-Monster noch G-Funk-Melodien für Millionen und auf "Blaues Blut" ein überraschendes Gitarrenriff herbei.
Die nächste Überraschung wandert erst nach mehrmaligem Anhören ins Oberstübchen: Fler fällt auch beim Braggen-und-Boosten nicht negativ auf und kriegt seine Slow-Flow-Raps doch glatt hin wie Schreiner. Wer schon mal versucht hat, auf Deutsch Sex-Gangster-Lyrics ohne Doubletime-Rhymes halbwegs unpeinlich in Hooks und Verse zu gießen, erahnt, wo die wahre Leistung beim "Blauen Blut" liegt.
Leider geht dem "City Boy" in der zweiten Hälfte ein bisschen die Puste aus. Die Beats bleiben Top-Notch, doch Fler verliert an Intensität und das Album damit an stimmiger Konsequenz. Egal, Fler erweitert Deutschrap um eine neue Kammer. Für die Rap-Mathematiker und Troll-Professoren: noch mächtigere Synthiebeats plus Mut plus Steigerung in den Strophen plus Stan-Blindheit des Autors macht: vier Punkte wie ausreichend minus. Weniger Beef-Gepose, drei Hits mehr, einen deutschen Hook-Master à la Future und keine Umsiedlung nach Miami wie Florida-Rolf, dann biten den werten Fler auch bald die dicken Düsseldorfer – aus Angst.
211 Kommentare mit 2 Antworten
NÄ! Laut gibt nem Fler Album 4 Punkte? 4 ??!! Dass ich das noch erlebe. Knüller
PS: Ach ist gar nicht von Dani die Review. Ich dacht schon...
Unfassbar, 4 Punkte, neee! Ach du scheisse, das ich das noch erleben darf
Pheromone war genial, mal schauen...
Haha
Charts-Update:
Nachdem Fler in der ersten Woche mit seinem Album auf Platz 3 der deutschen Album-Charts einstieg, fällt das MASKULIN-Album in der dritten Woche von der 42 auf die 75.
Stefan, Gratulation zur Erwaehnung im Negativte (2 Kronen) von Flers Battle Of The Ear in der aktuellen JUICE-Ausgabe. Ich zitiere mal: "[..] Bei laut.de, sonst nicht gerade als Flizzy-Fanclub verschrien, nennt man sein neues, bislang absurdestes Album "kurzweilig", "unpeinlich" und "mutig", waehrend man ueber Berliner Trap Music als eine "neue Kammer des Deutschrap" fabuliert.". Ist doch cool, wuerde mich aber auch mal interessieren, ob die die Kommentare hier lesen und ob sie den lautuser als aehnliches Opfer wie Julien erkannt haben.
astrein laut.de. Ihr bringt mich gerade dazu noch einmal in ein Fler-Album reinzuhören. Dass ich das noch erleben darf...