laut.de-Kritik
Sinnliche Leidenschaft und kreuzbraver Persilsoul.
Review von Ulf Kubanke2013 ist die Jazzkantine endlich wieder mit eigenen Songs ganz bei sich. "Ultrahocherhitzt" gibt sich keine Sekunde länger mit den Hardrock- oder Folk-Variationen der beiden Vorgänger ab. Hier gibt es volle Mühle die 50er bis 90er um die Ohren gehauen. Meist simultan.
Die künstlerische Zerissenheit dieser Band hinterlässt auch bei mir einen gespaltenen Eindruck. Je instrumentaler die Songs geraten, desto leidenschaftlicher erblüht die sinnliche, feurige Seite der Braunschweiger. Bei den Hip Hop-lastigen Tracks hingegen wandelt sich das Bild akustisch von scharfen Chili zur etwas drögen Leberwurststulle.
Die helle Seite der rein instrumentalen Jazzkantine ist wirklich beeindruckend. Ein Hauch 50er Modern-Jazz, 60s Pop über 70er Funk (Herbie Hancock reloaded) und etwas 90er-Beat. Trotzdem klingen die Stücke nie überladen. Der herrliche Gangstergroove "On The Streets Of Wolfenbüttel" etwa ist so nah bei Tarantino und den wahnsinnigen Giallo-Funk-Genies Calibro 35, wie man ihnen im Kantinengenre kommen kann.
Die extrem tanzbare Sahneschnitte "Extrascharf Mit Alles" wandelt auf einem gelungenen Pfad zwischen Cool Jazz-Andeutung und Funk-Chicken. Das beste Lied auf der Platte, "No Donut" begeistert mit leicht Bebop unterfüttertem Dave Brubeck-Touch. Dabei so lässig, dass man sich auch auf einer Lounge Lizards-Party nicht blamieren würde.
Auf der dunklen Seite des Mondes dieser Platte geben die Songs leider unerklärliche Rätsel auf. "Dreck" baut ein erdiges Bluesrock-Gerüst auf, dessen Kernigkeit in der jauchesprachlichen Jazzlatrine des schmierig infantilen Textes ersäuft. Keine geringere Irritation beim Opener "Puppenspieler" oder "Mit Dir". Ersterer glänzt zwar mit rassigem Chorus. Doch statt dem soulig-bluesigen Part jene Laszivität zu spritzen, nach der Worte wie "rigoroser Liebesdealer" verlangen, gießt Neuzugang Nora Becker anämische Lehrerinnenvocals darüber. Verschenkte Chance! Auch bei "Mit Dir" unterstreicht der kreuzbrave Persilsoul samt Kirchentagsgospel im Hintergrund unnötig das blasse "White Girl singing black stuff".
Dazwischen: Schicke Gäste wie Nils Wogram (Posaune) sowie Jazz-Echo-Preisträger Joo Kraus (Trompete). Und Vokaltracks, deren musikalische Ideen sowohl in Jazz- als auch in Hip Hop-Kreisen eher als abgehangen denn innovativ gelten dürften.
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