Supermarkt-Fotos ehemaliger Politiker

Der Bundesgerichtshof hat keine Bedenken gegen die Veröffentlichung von Bildern des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff bei einem Supermarkteinkauf.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war der ehemalige Bundespräsident gegen den Verlag der Zeitschrift „Neue Post“ vorgegangen. Am 6. Mai 2015 bestätigte Wulff in einer Pressemitteilung, dass er und seine Frau wieder zusammen lebten. Am 13. Mai 2015 veröffentlichte der Verlag in seiner Illustrierten „People“ unter der Überschrift „Liebes-Comeback“ einen Artikel über Wulff und seine Ehefrau und bebilderte diesen Artikel u.a. mit einem Foto, das den ehemaligen Bundespräsidenten und seine Ehefrau am Auto zeigte. Am 20. Mai 2015 veröffentlichte der Verlag in der Zeitschrift „Neue Post“ unter der Überschrift „Nach der Versöhnung – Christian Wulff – Wer Bettina liebt, der schiebt!“ einen weiteren Artikel über Wulff und seine Ehefrau, und bebilderte den Artikel u.a. mit einem Foto des ehemaligen Bundespräsidenten mit einem gefüllten Einkaufswagen.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Köln hat der auf Unterlassung der Bildberichterstattung gerichteten Klage stattgegeben1. Die Berufung des Verlags hatte vor dem Oberlandesgericht Köln keinen Erfolg2. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts verletzte die Veröffentlichung der Bilder den ehemaligen Bundespräsidenten in seiner Privatsphäre. Mit der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Revision verfolgte der Verlag sein Klageabweisungsbegehren weiter und hatte nun Erfolg; der Bundesgericht hob die Kölner Vorentscheidungen auf und wies die Klage ab:

Die veröffentlichten Fotos waren dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG) zuzuordnen und durften deshalb von dem Verlag auch ohne Einwilligung des Fotografierten (§ 22 KunstUrhG) verbreitet werden, da berechtigte Interessen des Abgebildeten damit nicht verletzt wurden. Die Vorinstanzen hatten die in besonderer Weise herausgehobene Stellung des Klägers als ehemaliges Staatsoberhaupt, den Kontext der beanstandeten Bildberichterstattung sowie das Ausmaß der vom Kläger in der Vergangenheit praktizierten Selbstöffnung nicht hinreichend berücksichtigt und deshalb rechtsfehlerhaft dem Persönlichkeitsrecht des Klägers den Vorrang vor der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Pressefreiheit des Verlages eingeräumt.

Die herausgehobene politische Bedeutung des Klägers als Inhaber des höchsten Staatsamtes und das berechtigte öffentliche Interesse an seiner Person endeten nicht mit seinem Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten; die besondere Bedeutung des Amtes wirkt vielmehr nach. Auch nach seinem Rücktritt erfüllt der Kläger, der als „Altbundespräsident“ weiterhin zahlreichen politischen und gesellschaftlichen Verpflichtungen nachkommt, Leitbild- und Kontrastfunktion auch in der Normalität seines Alltagslebens. Im Zusammenhang mit der – nicht angegriffenen – Textberichterstattung leisteten die Veröffentlichungen einen Beitrag zu einer Diskussion allgemeinen Interesses. Sie nehmen Bezug auf die vom Kläger selbst erst einige Tage zuvor durch Pressemitteilung bestätigte Versöhnung mit seiner Frau. Gegenstand der Berichterstattung ist darüber hinaus die eheliche Rollenverteilung. Die Fotos bebildern dies und dienen zugleich als Beleg. Ferner war zu berücksichtigen, dass der Kläger sein Ehe- und Familienleben in der Vergangenheit immer wieder öffentlich thematisiert und sich dadurch mit einer öffentlichen Erörterung dieses Themas einverstanden gezeigt hat. Zudem betreffen die zur Einkaufszeit auf dem Parkplatz eines Supermarktes und damit im öffentlichen Raum aufgenommenen Fotos den Kläger lediglich in seiner Sozialsphäre.

Den entgegenstehenden berechtigten Interessen des ehemaligen Bundespräsidenten kommt demgegenüber kein überwiegendes Gewicht zu (§ 23 Abs. 2 KunstUrhG). Die Fotos weisen keinen eigenständigen Verletzungsgehalt auf, sondern zeigen ihn in einer unverfänglichen Alltagssituation und in der Rolle eines fürsorgenden Familienvaters.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Februar 2018 – – VI ZR 76/17

  1. LG Köln, Urteil vom 27.04.2016 – 28 O 379/15[]
  2. OLG Köln, Urteil vom 19.01.2017 – 15 U 88/16[]